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Machen kleine Winzer besseren Wein?

Hauptbahnhof Berlin? Nein, Fasskeller der Bischöflichen Weingüter Trier.
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Klein ist fein. So verklärt denkt man in Knusperhäuschen-Deutschland über Weingüter. Das ist Quatsch, sagt der Captain und öffnet den Sekt eines bekannten deutschen Großbetriebs.
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Angesichts der anonymen Massenproduktion von Nahrungs- und Genussmitteln sehnen sich viele Konsumenten nach überschaubaren Strukturen oder gar nach kleinen, traditionsreichen Familienbetrieben. Das ist beim Wein nicht anders als in den übrigen Bereichen der Landwirtschaft und Bestandteil einer Produktionsromantik, wie man sie sonst vielleicht noch beim Käse kennt. Wenn ein Winzer lediglich drei oder vier Hektar bewirtschaftet, sollten seine Erzeugnisse irgendwie individueller sein als die Weine von Großbetrieben, die über fünfzig oder gar fünfhundert Hektar Weinberge verfügen. Das ist eine durchaus verbreitete Auffassung.

Individueller mögen die Weine kleiner Winzer ja sein. Aber nicht unbedingt besser. Denn wenn es ein Kriterium gibt, das nun wirklich gar keine Rückschlüsse auf die Qualität zulässt, dann ist es die Größe des Weinguts.

Seit Jahren ist in Deutschland ein Konzentrationsprozess zu beobachten. Die Zahl der Weinbaubetriebe sank laut Erhebungen des Deutschen Weininstituts im Zeitraum zwischen 1989 und 2010 von 77.388 auf 48.009, wobei sich die Anbaufläche kaum verändert hat. Entsprechend gewachsen sind die Betriebsgrößen der verbliebenen Winzer. Viele Güter waren schlicht zu klein, um als Voll- oder auch nur als Nebenerwerbsbetrieb eine Perspektive zu haben.

Was nutzt die schnuckeligste Idylle, wenn dem kleinen, bodenständigen Winzer keine ausreichenden Mittel für Investitionen in moderne Kellertechnik, den Erwerb von Spitzenlagen, die Neubepflanzung von Weinbergen und erfolgversprechendes Marketing zur Verfügung stehen und er auch kaum Rücklagen für Einbußen durch Wetterkapriolen bilden kann?

Wer über einige exklusive Parzellen in Toplagen verfügt und die davon erzeugten Weine zu recht hohen Preisen verkauft wie beispielsweise der Schweizer Daniel Vollenweider in Traben-Trarbach an der Mosel, kann mit fünf Hektar sehr gut auskommen. Doch das sind Ausnahmen. Grob vereinfachend darf man sagen, dass größere Güter effektiver wirtschaften, was sich positiv auf die Herstellung von Spitzenweinen auswirkt.

Um die Vorteile zu nutzen, die sich ab einer gewissen Größe bieten, schlossen sich Mitte der 1960er-Jahre die drei Weingüter Bischöfliches Konvikt, Bischöfliches Priesterseminar und Hohe Domkirche zusammen. Wie man schon ahnt, befanden sich alle drei sowieso schon in der Hand des weltumspannenden Mischkonzerns namens Katholische Kirche.

Dass der Herr einst höchstselbst die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel warf – nebbich! Steuern, Spenden, Staatszuschüsse, eine Menge Zaster wird den Kirchen zugeleitet und das nicht nur aus den Taschen der gläubigen Bürger. So erhält zum Beispiel der Trierer Bischof Stephan Ackermann sein monatliches Gehalt aus der ohnehin schon klammen Kasse von Rheinland-Pfalz, anstatt von seinem schwerreichen Bistum, dessen Anlagevermögen im Jahr 2014 weit über eine halbe Milliarde Euro betrug. Zurück zum Wein, sonst muss ich weinen.

Durch die Fusion unter dem gütigem Blick des Himmelvaters entstand ein Weingut mit Spitzenlagen. Der Name: Bischöfliche Weingüter Trier. Man gebot fortan über Weinberge von Erden an der Mittelmosel bis nach Ayl an der Saar. Und an der Ruwer von Eitelsbach über Kasel bis nach Waldrach.

Ich trinke jetzt den Sekt Ayler Riesling Brut, dessen Trauben von gebenedeiten Lagen an der Saar kommen. Leuchtendes und sattes Gelb empfängt mich wie ein Kandelaber beim Hochamt. In der Nase sehr fruchtig. Dicker, frisch aufgeschnittener Bauernapfel , Grapefruit, grüner Spargel, Butterblume, feine Perlage. Im Mund saftig und frisch. Ich schmecke Aprikose, hellen Honig, milde Säure, Buttrigkeit und mit zunehmender Wärme eine feine Süße. Qua Definitione ist dies ein Sekt. Aber im Mund eher ein feiner Wein, der prickelt. Eine durchaus angenehme Abwechslung.

Rund 20 Prozent des Traubenguts für diesen Schaumwein stammt vom seitlichen Teil der Ayler Kupp abseits des Flusses, wo es kühler ist und sich der Grundwein ganz besonders gut für die Versektung eignet. Den Rest liefert der obere Teil der Lage Ayler Herrenberg, den die Ayler Kupp umschließt. Die Ayler Kupp ist eine Ehrfurcht gebietende historische Hanglage, die von verwittertem Schieferstein geprägt ist und feingliedrige trockene sowie sehr begehrte Süßweine hervorbringt.

Noch einen auf die Ayler Kupp?

Die Grundweine werden jeweils zur Hälfte in Stahl und in bis zu 50 Jahre alten 1.000-Liter-Fuderfässen ausgebaut. Dann liegt der Ayler Brut für zwei bis drei Jahre auf der Hefe und wird nach und nach degorgiert. Im Durchschnitt befüllt Kellermeister Johannes Becker nur 6.000 Flaschen pro Jahr.

Die Keller der Bischöflichen Weingüter Trier wurden schon im achten Jahrhundert angelegt. Sie liegen direkt unter der Altstadt und beherbergen eine ganze Kohorte historischer Fuderfässer. Es heißt, die Kellerfläche beträgt 30.000 Quadratmeter. Insgesamt gebieten die kirchlichen Weinmacher über 130 Hektar Reben und füllen pro Jahr rund 700.000 Flaschen ab, die nicht vom Schlechtesten sind.

Noch etwas hilft zur Überwindung der deutschen Skepsis gegenüber vermeintlichen Massenweinproduzenten – der schlichte Blick über die Grenze. An der Qualität der Weine aus den weltweit renommierten Bordeaux-Gütern Château Lafite-Rothschild, Château Margaux, Château Mouton-Rothschild oder Château Latour werden selten Zweifel geäußert. Ihre jeweiligen Betriebsgrößen betragen 173, 99, 82 und 65 Hektar.

 

Datum: 23.11.2019
 

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