Der Captain veröffentlicht die Weinbesprechung seines Verkosters Christoph Hahn, der sich ganz begeistert meldete und schrieb: Den müssen wir unbedingt bringen, der haut dich vom Hocker.
Vom Hocker haut es den Captain nicht so gern, wenngleich er den Empfehlungen von Christoph Hahn aus Aachen vertraut. Das letzte Mal, als es den Captain fast von seinem Verkostungsstuhl katapultierte, hatte er einen Wein vom selben Winzer im Glas. Ich korrigiere: Einen Wein, der unter Aufsicht desselben Winzers hergestellt und unter dem Namen eines anderen Winzers vermarktet wurde. Es war (und so etwas schreibt man nicht leichtfertig hin, wenn ein paar Tausend Weinkenner mitlesen) vermutlich die schlimmste Plörre, die der Captain seit langer Zeit im Mund hatte.
Bis heute ist es ein unbegreifliches Rätsel, wie einer der angesehensten Weinmacher des Landes sich für den gräßlichen Jauch-Wein von Aldi hergeben konnte. Ich spreche von Andreas Barth, Kellermeister und Geschäftsführer von Günther Jauchs Weingut von Othegraven an der Saar und Eigentümer des weithin bewunderten kleinen 4-Hektar-Weinguts Lubentiushof in Niederfell an der Terrassenmosel, die auch Untermosel genannt wird.
Natürlich fragte ich bei Andreas Barth nach, wie das passieren konnte (das Thema nagt seit vielen Monaten) und er antwortete sehr freundlich. Die Lese auf zwei Weingütern nehme ihn derzeit voll in Anspruch und außerdem müsse man die Angelegenheit differenziert und gründlich behandeln. Da stimmt der Captain zu und vertagt die Erörterung auf einen späteren Termin. Wird sicher ein interessantes Gespräch. Es ist ja zugegebenermaßen ein blöder Zeitpunkt ausgerechnet jetzt mit solchen Fragen zu kommen. Die Akte wandert auf den Wiedervorlage-Stapel des Captain, der seinem Verkoster Christoph Hahn das Wort erteilt:
Wer seinen Riesling „Tun und lassen“ nennt, will etwas damit sagen. Und Andreas Barth hat etwas zu sagen.
„Tun und lassen“ verweist als Name auf das Vorgehen des Winzers bei der Weinbereitung. Den Kräften im Tank lässt er alle Freiheit und hält sich dabei weitgehend zurück – wie ein Vater, der sein Kind bei dessen Schritten zum Erwachsenwerden begleitet. Die Barths gelten als anti-autoritäre Erzieher, zumindest was die Weinbereitung betrifft. Im Lubentiushof setzt man konsequent auf die nicht risikolose Spontangärung mit wilden Hefen in Weinberg und Keller. Einmal dort angekommen, vergären sie bis es draußen richtig warm ist. Man nennt Barth deshalb auch einen Experten des slow Riesling. „Tun und lassen“ ist der Einstiegswein vom Lubentiushof (den Barth mit ebenbürtiger Unterstützung seiner Ehefrau Susanne betreibt) und er kostet nicht mal 10 Euro. Auf jeden Fall lässt „Tun und lassen“ wie jedes andere Autorenwerk, ein Roman oder ein Bild, das Wesen seines Urhebers erahnen. Denn diesem Riesling kommt man nicht so einfach nahe. Er will geduldig ergründet werden. So viel Zeit muss sein. Dass Barth ein sensibler Beobachter ist, der viel Sinn für Details, Kontraste und Harmonie mitbringt, beweist ein Blick auf sein Instagram-Profil, das wie eine Galerie für Fotokunst wirkt. Wer solche Bilder macht, verfügt über Zartheit und Ironie.
Nun zum Wein und wie er riecht und schmeckt. Der „Tun und lassen“ braucht Ruhe. Und der, der ihn genießt, auch. Also erst mal entkorken und Luft ziehen lassen. Dann kommt Aroma hoch und ein Hauch von Rauch wie von einem gerade erloschenen Feuer weht durch die Nase. Das ist kein Stoff für flüchtiges easy drinking, eher eine Belohnung für Geduldige. Und für Sensible, denn wie der Rauch sind auch die anderen Geschmacksnoten (Pfirsich, Mirabelle und Birne) keine Schreihälse. Dann spürt die Zunge Äpfel, grüne wie rote. Ist bei einem jung verkosteten Riesling von der Mosel kein Wunder. Ebenso wenig die salzige Mineralik. Der Wein stammt halt vom Schiefer. Säure gibt es natürlich auch, von den Äpfeln her wie über die Zitrusaromatik. Das macht „Tun und lassen“ im Übrigen zu einem saftigen Botschafter seiner Heimatregion. Das Beste kommt, wie so oft im Leben, zum Schluss. Die schöne Länge, das Zusammen- und Verklingen von Frucht und Säure, macht Eindruck. Spektakel auf der Zunge und drumherum? Doch nicht hier! Der Wein geht leise und allmählich. Ohne Tusch, so wie er gekommen ist.
Wie sehr Barth neben der Fotokunst auch mit den anderen Disziplinen der Welterklärung auf gutem Fuße steht, beweist dieser lyrische Text, den er auf seiner Weingutsseite veröffentlichte, um das Wesen des „Tun und lassen“ zu umschreiben:
Traumlandschaften. Steile Terrassen, heißer Schiefer, Gott sei Dank Regen.
Trauben lesen, frostiger Morgen, Nebel im Tal.
Sonne berührt die Sinne, hebt Nebel und Stimmung.
Trauben fallen auf die Kelter, Gedanken an Arbeit, Most probieren,
spät am Tag, eigentlich Nacht.
Ein tiefer, alter Keller, wieder Schiefer, wieder kalt, der Winter kann kommen.
Leises Gurgeln des werdenden Weines.
Nur wilde Hefen, unbekannt, ganz spontan am Werk. Begründetes Vertrauen.
Einfach mal lassen, zuhören, beobachten, lernen.
Nicht viel mehr. Zielführendes Chaos, ein sympathisches Programm.
Spontan etwas Verrücktes tun, Freunde einladen, die Welt mal warten lassen. Genießen.
Barth wollte Sänger werden, studierte Jura bis zum Abschluss. Und wurde dann Winzer mit Geisenheim-Diplom. 1994 Übernahme des Lubentiushof inklusive Pflanzung in der berühmten Lage Gondorfer Gäns, die er auf Vordermann brachte. „Tun und lassen“ ist der ideale Wein, um mit diesem Weingut Bekanntschaft zu schließen.