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Angélus: Wie gut im Bett ist der James-Bond-Bordeaux?

Stéphanie de Boüard-Rivoal, Chefin von Château Angélus.
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Der Captain trinkt einen noblen Wein, der Filmgeschichte schrieb, und erzählt die Story der fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen einem Weingut und Hollywood.
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Zum nutzlosen Wissen, das der Captain in seinem Leben sammelte, gehört die Erkenntnis, dass die Filmproduzenten-Familie Broccoli, die sich durch die Erfindung der James Bond-Filmreihe große Verdienste erwarb, tatsächlich vom Entdecker des Reizgemüses Broccoli abstammt, der am Hofe Caterina de Medicis (1519-1589) tätig war.

Durch ihre Heirat mit Heinrich II. war Caterina ab 1547 Königin von Frankreich, wo sie ihrem neuen Volk beibrachte, wie man mit der Gabel isst.

Mit Gemüse macht man leider nicht viel Moos und so wurden Broccolis Nachfahren Filmproduzenten in Hollywood.

Der Captain hatte das Vergnügen, einen Tag nach dem → teuersten Champagner der Welt einen der teuersten Rotweine verkosten zu dürfen. Es war der Château Angélus aus St. Émilion im Bordelais, gemeinhin Bordeaux genannt.

Ich weiß natürlich, dass nur wenige Leser über das notwendige Ersparte verfügen, um solche Weine zu probieren. Ich weiß aber auch, dass die Fahrtests des neuen Bentley zu den meistgelesenen Geschichten des Internet gehören. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.

Im alten Jahrhundert war Angélus noch nicht so teuer. Doch dann legte der Starönologe Michel Rolland für einige Zeit Hand an Angélus. Robert Parker folgte mit hervorragenden Bewertungen. Fertig war das neue Spitzenweingut.

Und dann kam Bond. James Bond. Das erhöhte die Preise um ein weiteres Drittel. So schaut geniales Marketing aus.

Der Angélus zählt heute zu den kostspieligeren Weinen im Bordelais und kostet (ungereift = mind. 10 Jahre Wartezeit bis zum Trinkgenuss) um die 500 Euro. Die durchschnittliche Jahresproduktion beträgt 125.000 Flaschen.

Der Angélus wird aus Merlot, Cabernet Franc und ein ganz klein wenig Cabernet Sauvignon cuvéetiert. Das ist im St. Émilion, wo man seit Ewigkeiten der Rebsorte Merlot den Vorzug gibt, nichts Besonderes.

Unter Kennern war das Haus Angélus, das der Familie De Boüard de Laforest gehört, schon eine Nummer, bevor Bond seine sinnlichen Lippen mit dem roten Saft benetzte. Angélus war einer der ersten Weine, die die zweite Revolution des Bordeaux (die erste Revolution war die Klassifizierung von 1855) transportierten.

Die zweite Revolution war die Umsetzung der önologischen Geistesblitze des Qualitätsfanatikers Émile Peynaud Mitte der 1970er-Jahre.

Peynaud proklamierte, was für Spitzenwinzer heute üblich ist: Ertragsbeschränkung, Handlese, Handselektion, temperaturkontrollierte Gärung, malolaktische Gärung, die man bei uns auch Biologischen Säureabbau nennt.

Der BSA ist ein natürliches Verfahren, bei der sich die spitze Äpfelsäure in weiche Milchsäure verwandelt. Und so weiter.

Weinsammler rühmen die kraftvolle Eleganz und Geschmeidigkeit des Angélus in Kombination mit einer gewissen Animalik. Doch seit jener Filmszene in „Casino Royale“, landet der Engel auch auf Zungen, die mit noblen Wein ansonsten kaum in Berührung kommen.

Die Flasche, welche die beiden Schönen da aufmachen, ist aus dem Jahrgang 1982, der für Bordeaux und andere Regionen als Jahrhundert-Jahrgang gilt. So wie 1945 und 1961.

Von Peter Jakob, der gerade in der Region Rhein-Ruhr eine Weinschule aufbaut, hörte ich folgende Geschichte, wie es zur konkreten Weinwahl kam:

Die Bond-Produzenten gingen aus eigenem Antrieb auf Château Angélus zu und wünschten den 1982er. Trotz des guten BDX-Jahres gilt der 1982er des Hauses leider als völlig versemmelter Jahrgang. Es ist vermutlich sogar der schlechteste Angélus, der jemals abgefüllt wurde. Robert Parker gab diesem Wein 77 Punkte, was heutzutage quasi Ungenießbarkeit markiert.

Bei Angélus war man entsetzt über die Wahl und bat dringlich darum, auf den 1990er auszuweichen. Vergeblich. Barbara Broccoli beharrte auf 1982.

Eigentlich war man von dieser Familie mehr Weinkompetenz gewohnt. In „Goldfinger“ trinkt James (Sean Connery) zum Beispiel den großartigen Dom Perignon 1953. Die Champagnermarke kommt in vielen älteren Bond-Streifen vor. Auch Sprudel von Bollinger war seit „Leben und sterben lassen“ (1973) Bonds Liebling.

Zurück zum Wein. Der Captain trank den Angélus aus 2009 und notierte: In der Nase kräutrige und metallische Noten. Sehr konzentriert. Eine Wucht! Dann Bratensaft, Kirsche, Heidelbeere und Stall. Und auch ein bisschen Bettzeug nach einer wilden Liebesnacht. Das passt ja gut zum James Bond-Image. Im Mund dunkel, rassig und voller Druck. Beeren, eingelegte Pflaumen, wieder Bratensaft, Orangenzeste, ein paar Blätter frischer Rucola, im Abgang etwas Kräuterbitter. Ein konzentrierter, spannungsreicher und sehr männlicher Wein. Ich würde ihn erst nach 10 Jahren Lagerung aufmachen. Nicht vorher.

Der Wein macht was her. Sowohl als Geschenk als auch als Überraschung für ein romantisches Diner à deux. Ihr könnt euch ja das Video oben nochmal ansehen und ein paar Textzeilen auswendig lernen. Ich finde, diese Konversation ist wirklich sehr sexy.

Übrigens, auch im 007-Film „Spectre“ hat der Angélus einen → Kurzauftritt im Speisewagen. An der Seite von Schauspielerin Léa Seydoux. Es ist eine Flasche mit dem Jahrgang 2005, das unter Kennern als Spitzenweinjahr im Bordelais gilt.

Im allerneuesten Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ (dem letzten mit Daniel Craig) kommt auch ganz kurz der Angélus vor. Es handelt sich ebenfalls um einen 2005er.

2015 übernahm Stéphanie de Boüard-Rivoal die gesamten Anteile ihres Vaters Hubert de Boüard. Im Branchenmedium „The Drinks Business“ sagte sie: Die Erbschaftssteuer in Frankreich ist ein Problem und wir sind bemüht, das Weingut im Familienbesitz zu halten, worauf wir auch sehr stolz sind.

Nach Stéphanie stieg auch ihr Cousin Thierry Grenié de Boüard in den Betrieb ein. Die beiden teilen sich seither die Leitung des Weinguts.

 

Datum: 29.3.2020 (Update 13.1.2022)
 

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