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Zu viel Schwefel killt den Wein

Schwefel? Ja, aber nicht so viel, dass man doppelt sieht...
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Sonntagmittag. Ein nicht ganz unbekannter Kurort in Niederbayern. Ich habe das Schiff für einige Tage verlassen, um Verwandtenbesuche und Papierkram zu erledigen. Meinen Bordkleiderschrank habe ich vorsichtshalber versiegelt; während meiner letzten Abwesenheit sind da nämlich einige unangenehme Dinge mit einem maßgeschneiderten Blazer passiert. Mein Blazer ist aus Vintage-Stoff.

Egal, zurück zum Essen. Der Tisch des Gastgebers ist vollgestellt mit Leckereien: Backhendl, Kartoffelsalat, marinierte Tomaten aus dem eigenen Garten – herrlich. Dazu soll es einen frischen Weißwein geben. Und was passt zum Backhendl besser als ein „rescher“ Grüner Veltliner? Eben: nix.

Also raus mit der Flasche aus dem Kühlschrank, den in Österreich omnipräsenten Schraubverschluss aufgedreht und rein ins Glas mit dem Wein. Der Produzent tut an dieser Stelle nichts zur Sache. Es sei nur erwähnt, dass es sich um den Lagenveltliner eines mittleren Betriebs aus Niederösterreich handelt. In den vergangenen Jahren war dieser Wein immer eine sichere Bank. Kein großer, aber ein verlässlicher und animierender Wein mit Frucht, Würze und gutem Körper.

Schwefel – warum nur, warum?

Beim Einschenken wirkt dann auch alles wie immer. Die leichte Kohlensäure zeugt von einem jungen Abfülldatum und wird durch den Stelvinverschluss länger fortgeschleppt als es unter Naturkork der Fall wäre.

Die Nase gibt sich recht verschlossen aber dezent fruchtig. Keine Mineralik oder sonstige Extratouren. Geradlinig und sauber, wie man den Wein kenn und liebt.

Am Gaumen dann die Überraschung. Brand, Gestank und Reifengummi machen sich breit – sicheres Zeichen für etwas, das auch unter Spitzenproduzenten nach wie vor üblich ist, aber viel zu selten thematisiert wird: den überbordenden Einsatz von Schwefel während der Vinifikation. Und in solchen Situationen reißt sogar dem sonst so beherrschten Stylemaat die Hutschnur.

Nein, Schwefel ist nicht grundsätzlich böse

An dieser Stelle sollte ich vielleicht kurz erwähnen, dass Schwefel und Wein grundsätzlich keine Todfeinde sind. Im Gegenteil: Solange man nicht den derzeit grassierenden Trend um die so genannten Orange Wines mitmacht, schwefelt man seinen Wein.

Die Zugabe von Schwefel ist an verschiedenen Stationen der Weinbereitung und Kellerpflege üblich. Nicht jeder Winzer schwefelt in jedem der dafür vorgesehenen Schritte. Oft beschränkt man sich heute auf eine möglichst geringe Schwefelzugabe. Aber noch einmal: Schwefel ist an und für sich nichts Schlimmes. Er wird in der Weinbereitung vollkommen zu Recht verwendet und muss sogar als bisher einziger Zusatzstoff auf dem Flaschenetikett angegeben sein.

Aber warum, um Himmels willen, muss man davon so viel Gebrauch machen, wie es der Winzer im konkreten Fall ganz eindeutig getan hat? Und wie andere Winzer es auch tun, nicht nur in Österreich.

Warum muss ein Betrieb, der seine Weißweine ausnahmslos in hermetischen, leicht zu reinigenden Edelstahltanks ausbaut und auch sonst eine Kellerhygiene vorzuweisen hat, von der andere Winzer kaum zu träumen wagen, beim Schwefel voll aufs Gas treten?

Ich finde, nur weil die gesetzlichen Grenzwerte für den Einsatz von Schwefel in der Weinbereitung immens hoch liegen, muss man diese Rechtslage noch lange nicht ausnutzen. Vor allem nicht zum Schaden des eigenen Produkts. Denn: Wer zuviel schwefelt, riskiert eine geschmackliche Beeinträchtigung seines Weins. Deswegen wiß ich nicht, was diese Winzer reitet, wenn sie derart schwefeln.

Ich will kein verbranntes Maul

Denn diese Weine schmecken harzig, ein wenig nach verbranntem Reifengummi und hinterlassen ein brandiges, stets unangenehmes Mundgefühl. Dieses zweifelhafte Erlebnis kann man ganz gut mit dem Gaumeneindruck eines Stücks billiger Vollmilchschokolade vergleichen. Das brennende Mundgefühl, welches minderwertiges Milchpulver hinterlässt, ist dem von überschwefeltem Wein verblüffend ähnlich.

Ich persönlich brauche beides nicht. Ich will keine Weine trinken, die mir das Maul verbrennen. Was ich trinken will, sind Weine von Winzern, denen nicht nur die klinische Reinheit ihres Kellers, sondern auch ein tadelloses Produkt aus demselben wichtig ist. Weine, die nur geschwefelt sind, weil sie es sein müssen.

 

Datum: 1.10.2012 (Update 8.1.2015)
 

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