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Der Winzer des Jahres 2011 am Schiff heißt Horst Hummel. Hummel ist ein Berliner mit schwäbischen Wurzeln. Und Hummel kam hier auf dem Schiff schon öfter zu Besuch vorbei. Vor allem, weil Maat Klingler zu seinen wichtigsten Trommlern gehört. Und Klingler hat – wie immer – recht.
Was muss ein Winzer des Jahres können? Jörg Bretz, der es 2009 war, keltert extremistische Weine, die er bis zu 10 Jahre im Fass reifen lässt. Bretz ist ein Fanatiker einer Ausbaukultur, die es längst nicht mehr gibt, da das Kapital gebunden im Fass herumliegt, anstatt Geld zu verdienen. Das kann sich nur ein Reicher oder ein Spinner leisten. Die Weine sind zudem sehr eigen, leicht oxidativ und zeigen eine kräftige Eleganz, die eben nicht nur auf den Einsatz alter Eiche zurückzuführen ist. Doch trotz all dieser Individualitäten sind Bretz‘ Weine zugänglich und sogar massentauglich.
Winzer des Jahres 2010 war Angelo Gaja, eine auch auf dem Schiff umstrittene Wahl. Doch der Captain machte den wohl berühmtesten italienischen Winzer zum Winzer des Jahres, weil Gaja vorzeigt, wie man klug investiert, die Welt erobert und Krisen mit Gelassenheit übersteht. Und die Krise war damals wie heute ein Thema.
Einzelgänger, Eigenbrötler
Horst Hummel passt gut zum Einzelgänger Jörg Bretz. Ein Quereinsteiger – Hummel ist Rechtsanwalt – der sich einen Lebenstraum ermöglichte, den Lebenstraum Winzer zu werden. Diesen Traum haben viele. Und viele – auch der Captain – finden eine Möglichkeit, sich diesen Traum zu erfüllen. Mal besser, mal schlechter.
Hummel aber ging 1998 in eine Region, die damals nicht gerade zu den billigsten Regionen Europas gehörte. Villány im äußersten Südwesten Ungarns galt in diesen Jahren als heimliche Hoffnung für den europäischen Rotweinanbau. Große Häuser, etwa Antinori, erwarben Grund und Boden. Villány sollte ein ähnlich berühmtes Gebiet wie Tokaj werden. Und die Ungarn überfiel die Euphorie.
Heute, knapp vierzehn Jahre später, ist von der Euphorie wenig geblieben. In Villány hat man in der Boomphase den Fehler gemacht, international konnotierte Spitzenweine keltern zu wollen. Weine, die bei Marmeladefreunden wie Robert Parker eine hohe Punktezahl bekommen; schwere, alkoholische, tanninreiche und für lange Jahre untrinkbare Weine, die nationale und internationale Sammler Fantasiepreise entlocken sollten. So ist es nicht gekommen. Und Horst Hummel hat das geahnt.
Ein Akademiker im Kleid des Bauern
Nachmittags im Grill Royal in Berlin. Horst Hummel ist in seine ehemalige Heimatstadt zurückgekehrt, um hier, im derzeit noch immer angesagtesten Restaurant der Metropole, seine Weine zu präsentieren. Der Grill Royal mag zwar von Gourmet-Testern (aus völlig unverständlichen Gründen) gehasst werden, die Weinkarte jedenfalls zählt zu den besten Deutschlands. Nicht die Größe der Auswahl ist hier einnehmend, sondern die Wahl der Winzer, die Vernunft der Ökonomie, das Originelle der Selektion. Und dann hat man im Grill noch einen Spleen: Man will hier gereifte und trinkbare Weine anbieten. Und stellt junge Flaschen schon mal länger in den Keller.
Horst Hummel trägt eine Jeansjacke und ein einfaches Hemd. Er ist das Gegenteil der jungen und schnieken Winzer, die man in Mitteleuropa nun so oft findet. Er ist ein gestandener Bauer, nichts deutet darauf hin, dass dieser Mann das Handwerk des Juriducum beherrscht und Akademiker ist.
Und dann kramt Hummel einen Teil seiner Kollektion hervor und schenkt dem Captain Glas für Glas ein. Und (fast) jedes Glas ist fantastisch, einzigartig und beseelt. Hummel ist fast rührend, wie er von der Größe seiner Weine weiß und sie trotzdem nicht in richtiger Gebühr verhandelt.
Als der Captain Weine von Hummel vor drei Jahren das erste Mal getrunken hat, da war schon zu sehen, dass hier einer die neue Tradition der Region Villány über Bord wirft, dass da einer zu authentischen Trinkweinen zurückkehren will, ohne dabei in das Mittelalter des Weinbaus zurückzukehren. Und wie so oft war es mehr Segen als Fluch, dass seine Mittel begrenzt blieben.
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So ein Wahrzeichen von Villány: der Berg Nagyharsány-hegy (Foto: Wikipedia)
Schon Hummels einfacher Traminer 2009 ist ein Lebensspender, ein Wein, von dem man gleich drei bis vier Gläser trinken will. Primärfruchtig, elegant, ausbalanciert, fröhlich, ohne durchzudrehen. Etwas Zucker, ordentlich Creme. Und das für quasi kein Geld.
Danach der sehr individuelle Hàrslevelü Bernstein Barrique 2009, ein Wein, bei dem alles schief gehen kann, wenn man nicht genau arbeitet. Denn die Hàrslevelü ist eine Sorte, die sich eigentlich perfekt nur für die Cuvéetierung eignet (vor allem im Tokaj) und reinsortig wenig zu glänzen weiß, ja sogar eher matt wirkt. Und oft leblos.
Das Matte noch matter machen
Hummel hat das Matte der Sorte in die elegante Richtung gedrängt, hat den Wein neun Monate in gebrauchten ungarischen und französischen Burgunderfässern ausgebaut. Ein typischer Barriquegeschmack ist also kaum zu schmecken. Das wenige Holz jedoch verhilft dem Wein zur Größe.
In der Nase schwarzer Tee, Salbei, etwas Erdbeere, Kohlrabi. Im Mund eine schöne Creme, nahezu Fülle und Opulenz, die von einer gemäßigten, aber einsatzbereiten Säure reduziert wird. Ein Wein im Gleichgewicht, dessen individuelle Ausrichtung entblößt wird. Großer Stoff.
Großer Spatz
Aber es kommt noch größer: Der Kékfrankos (Blaufränkischer) „Spatz“ 2009, eine Lagenselektion, hat die gleiche Augenhöhe wie die großen und teuren traditionellen österreichischen Blaufränkischen. Etwa jene von Roland Velich. Der Wein lag 12 Monate in gebrauchter Eiche und schafft etwas, das die Österreicher noch nicht zusammengebracht haben. Nämlich Anklänge einer internationalen Stilistik, die aber – irgendwie zu Parodie reduziert – einem authentisch-regionalen Stil Platz machen muss.
Und das Wort „Parodie“ ist nicht abwertend gemeint: Hummel will ein Augenzwinkern. Alle Ernsthaftigkeit der Arbeit, das biodynamische Arbeiten, die Spontanvergärung, die typisch deutsche Geradlinigkeit: Das alles bricht Hummel mit diesem Touch Internationalität in einem völlig klar regional verwurzelten, kräftigen und lange lagerfähigen, mineralisch herausfordernden, tanninreichen Spitzenwein.
Und weil man aus Villány auch eine internationale Kreszenz liefern muss, keltert Hummel die Spitzencuvée J.M. (da hätte die Namensgebung ruhig origineller ausfallen dürfen). 50 % Cabernet Sauvignon, 40 % Kékfrankos und 10 % Merlot. Das Besondere aber ist der Jahrgang: 2006. Hummel hat seinen Flaschen viel Zeit gegeben, im Keller zu reifen. Und bringt den Wein erst jetzt auf den Markt.
Versprochen, gehalten!
Und der hält, was Hummel verspricht. Der Cabernet kennt keine grünen Noten, seine Beerenfruchtigkeit wird von der Würze der anderen beiden Sorten gekontert. Was rauskommt ist ein besserer Bordeaux zu einem besseren Preis.
Horst Hummel experimentiert noch erfolgreich mit der Sorte Blauer Portugieser. Das hat schon Maat Klingler ausführlich beschrieben, der Captain aber findet Portugieser – obwohl jener von Hummel ein gewisses Potential hat – eine unnötige Sorte. So wie etwa Trollinger oder anderen hellen Rotweinscheiß, den die schlanke Welle jetzt nach oben spült. Deswegen will der Captain da keine Äußerung machen. Angeblich ist dieser Portugieser der beste der Welt. Und das wird wohl stimmen.
Horst Hummels Weine gibt es inzwischen in Deutschland gut zu kaufen. Mit knapp acht Hektar Rebfläche ist er ein perfekt aufgestellter Mittelwinzer, ein verlässlicher Lieferant außergewöhnlicher, individueller, moderner und sogar leicht verständlicher Exklusivware. Deswegen vor den Vorhang. Und langen Applaus. Morgen gibt’s dann den Wein des Jahres. Also noch ein Vorhang, noch ein Applaus.
- Villányi Kekfrankos Spatz 2009 von Hummel für 21,20 Euro.
- Villányi J.M Rotweincuvée 2006 von Hummel für 23,50 Euro.
Ein Berliner. Sehr schön. Und wo bekommt man die Weine in der Hauptstadt? Die Aussage des Captains will verifiziert werden 🙂
Hummel hat ein Verzeichnis von Händlern in Berlin, die ihn führen:
http://www.weingut-hummel.com/Seiten/Weinhandlungen_in_Berlin.html
Ein ungarischer Sieg! Wann gab es das zuletzt?
lieber kaptäin,
haste recht mit dem Portuigieser, leider ist der Rest der Weinbeschreibung wenig nachvollziehbar. Das Wort „Parodie“ versteh ich nicht.
Und das ist eine prima Entscheidung: BRAVO!
Tja, diesmal hat Rahn wohl danebengeschossen.
Aber warum dieser verdriesslich-skeptisch Ton? Ist der Captain von der Entscheidung nicht übezeugt?
Für Hummels Ruf zeigt sich Pigott verantwortlich, dessen Anwalt er ist. An diesem Beispiel erkennt man wiedermal, dass Bekanntschaften und nicht die Qualität – in der Netzwerkbranche Wein – den Ton angeben.
Ich hätte mir einen wirklich deutschen Winzer gewünscht. Einen der auch daheim wirkt, ganz egal, ob von Mosel, Rheingau, Franken usw.
Die Jungs hier hätten es endlich verdient, aber was gilt schon der Prophet im eigenen Land?
Das Problem ist die menschliche Psychologie. Im Nachrichtenwesen wäre es heute technisch leicht machbar über die schwarzen Flecken im Schlagzeilendschungel zu berichten. Wird aber nicht gemacht. Warum? Der Mensch will Orientierung und wissen, dass Wurst welche Zeitung er liest er praktisch über die wichtigen Sachen informiert wird.
Im Marketing gibts dann eben die Oppinion Leader / Lobbyisten. Die Winzer sind auch nicht glücklich drüber wie das läuft aber das System gibt es eben vor und man hat eh schon an allen Ecken und Enden zu Arbeiten.