X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Wie man Wein macht. So richtig!

Ernte ist easy. Das Eigentliche entsteht im Keller..
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Captains Kollege Dirk Würtz, ein anerkannter Weinmacher und Autor, beschreibt in einem Gastbeitrag, wie man so richtig Wein macht. So richtig erfolgreichen Wein. Seine Antwort auf die Szene. Und ihre Verwerfungen.
Anzeige

Aus aktuellem Anlaß, und weil soviel darüber diskutiert wird, stelle ich jetzt einmal einen Beitrag online, der sich einzig und allein mit dem „Weinmachen“ beschäftigt. Das ist nämlich eigentlich ganz einfach, deshalb kann ich es auch. Das Ganze ist so formuliert, dass es hoffentlich die Laien verstehen. Ohne Zeigefinger und Besserwisserei. Alle mitlesenden Winzer und Weinbauingenieure mögen mir verzeihen, dass ich versucht habe das so einfach wie möglich zu erklären. Ganz unwissenschaftlich, aber nach bestem Wissen und Gewissen. Ich freue mich auf konstruktive Kritik, auf die andere aber auch…

Ein Weißwein-Rezept und seine Varianten

Man nehme… Trauben. Kaum zu glauben, aber das ist immer noch das Ausgangsprodukt eines jeden Weines. Idealerweise wächst dieses Ausgangsprodukt in einem Weinberg und glücklicherweise noch nicht überdacht und auf Substrat. Das gilt für alle Trauben, egal ob daraus ein Spitzenwein oder ein Supermarktwein gemacht wird.

Die Trauben werden geerntet und kommen im Kelterhaus an; was tun?

Entweder sind sie von Hand gelesen, dann kann ich sie entrappen und einmaischen. Ich kann sie aber auch so wie sie sind – also mit den Stielen – einmaischen (am besten stampfe ich sie dann mit den Füßen – sehr gerne auch von netten, freiwilligen Erntehelferinnen im Badeanzug, lasse sie je nach Gusto mehrere Stunden auf der Maische stehen – mit oder ohne Schwefel, mit oder ohne Enzym zur besseren späteren Vorklärung des Mostes) und werfe sie dann auf die Kelter. Warum ich die Trauben einmaische, ist eigentlich ganz einfach und logisch: ich löse bestimmte Stoffe aus den Trauben, die hinterher den Wein besser machen. Das kann einiges mehr an Bumms und Substanz bringen.

„Kann“, muss nicht, das kann auch ganz gewaltig nach hinten losgehen. Nämlich dann, wenn die Trauben nicht so besonders sind. Aber das macht eigentlich keiner. Eingemaischt werden nur 1A-gesunde Trauben. Manchmal hilft es auch einfach nur beim späteren Pressen.
Ich kann natürlich auch die Trauben so wie sie sind auf die Kelter tun, das nennt man dann „Ganztraubenpressung“. Macht einen schlanken Fuss, äh, Wein. Empfehlenswert für das leichte und süffige Kabinettchen oder auch für einen Chardonnay aus heißen Gegenden. Und es gibt noch eine Variante: Ich kann sie durch eine Mühle laufen lassen, dann werden sie leicht angeknackt. Das ist quasi der Mittelweg und hilft bei eher störrischen Rebsorten, die sich nicht so gerne pressen lassen – Silvaner ist da so ein Patient.

Sind die Trauben mit dem Vollernter gelesen, kommt das Ganze, so wie es ist, im Maischewagen oder in den Behältern auf die Kelter. Bei diesem Verfahren gibt es grundsätzliche Glaubensvarianten. Habe ich einen ganz modernen Maischewagen, dann werden die Trauben aus dem Wagen herausgerüttelt (schonend) und über ein Förderband in die Kelter transportiert. Habe ich einen älteren Maischewagen, dann werden die Trauben über eine Förderschnecke aus dem Wagen durch einen Schlauch in die Kelter gepumpt. Entweder über die Zentralbefüllung (relativ kleines Loch – nicht gut), oder durch die zu öffnende Tür der Kelter (viel besser). In ganz großen Betrieben werden die Trauben quasi in einen Behälter im Boden abgekippt und dann per Förderschnecken und Pumpen in die Kelter transportiert. Die Kelter läuft, egal welche Variante gewählt wurde, die Trauben werden gepresst, Ergebnis: Most.

Dieser Most ist trüb. Man sollte meinen, das ist schlecht. Muss nicht sein, kann aber sein.

Variante 1:

Wir klären den Most, will heißen: Trubstoffe raus. Das hat man früher gerne mit Seperatoren gemacht (Aromaschleuder). Macht man heute eigentlich nicht mehr, es sei denn das Zeugs war soooo faul, dass nichts anderes mehr hilft. Heute nutzt man die Sedimentation. Dies bedeutet, dass man quasi wartet, bis alle Trubstoffe auf den Boden sinken. Oben klarer Most, unten Trub, wie bei der guten Bodum-Kaffee-Maschine. Das geht natürlich auch anders, schneller.

Es gibt ein Klärenzym, das diesen Vorgang beschleunigt. Ich finde da die Rapidase (Handelsname – Werbung?) ganz schnuckelig. Wirkt gut. Dann gibt es auch noch eine Klärschönung: Kieselsol und Gelantine. Für Veganer ist das natürlich nix. Schwefel hilft auch mit beim Absetzen und überhaupt ganz grundsätztlich. Insbesondere in warmen Herbsten, sonst gärt das Zeugs, bevor es sich geklärt hat und das wäre nicht gut. Das Ganze dauert Pi mal Daumen 12 Stunden. Ach ja, bei mit dem Vollernter gelesenen Trauben gibt es auch noch so eine Art Kombipräparat, beispielsweise „Combigel“ (Werbung?). Das bekämpft schon einmal vorab die Gerbstoffe. Früher war sowas wichtiger als heute. Moderne Vollernter lesen die Trauben relativ schonend. Die früheren Modelle haben alles „heruntergeprügelt“, was in Ihre Fänge kam. Da waren auch schon mal dicke Holzbrocken mit dabei.

Danach zieht man den klaren Most ab und jagd den Trub durch den Hefefilter. Da sind nämlich einige Sachen drin, die dem Most nicht schaden. Muss man nicht, kann man aber. Manche halten diesen Most auch separat. Je nach Gusto.

Flotier-Gelantine

Neben diesem Absetzen gibt es seit einigen Jahren ein anderes, sehr effektives Verfahren, es heißt „Flotation“. Dazu braucht man Flotier-Gelantine und Sauerstoff und eine Pumpe. Das geht „ratzfatz“ und hat den umgekehrten Effekt. Der „Dreck“, der Trub, schwimmt oben und unten ist der klare Most. Dieses Verfahren ist sehr nützlich, wenn man extrem große Mengen an Most zu verarbeiten hat. Es ist relativ „schonend“, aber irgendwie paradox.

Weiter auf Seite 3

Ach ja: In den Most rührt man auch noch Kohle, je nach dem wie gesund oder faul die Trauben waren. Hilft gegen den Fäulnisgeschmack. Und final Bentonit, das hilft bei der Eiweißstabilisierung. Kann man, muss man aber nicht. Man kann das auch noch später im Wein machen, oder aber auch einfach ignorieren. Je nach Gusto.

Variante 2:

Wir produzieren Spitzenwein aus kerngesunden und physiologisch reifen Trauben. Dann wollen, müssen und können wir auf die extra scharfe Mostvorklärung verzichten. Ein wenig Schwefel auf den Most, abwarten, und am nächsten Tag grob abziehen. Ende.

Da wir ja aber keine Mostfabrikanten sind, sondern Wein produzieren wollen, muss das jetzt ja irgendwie weitergehen. Was wir gerne hätten, wäre eine alkoholische Gärung. Vereinfacht ausgedrückt heißt das: Zucker wird mit Hilfe von Hefe zu Alkohol.

Hier beginnt der Glaubenskrieg.

Die Hefe haben wir eigentlich. Die ist quasi omnipräsent. Die ist in den Trauben, im Most, die sitzt im Keller, in den Schläuchen, auf der Kelter, im Vollernter, die ist überall. Theoretisch fängt der Most von selbst an zu gären. Praktisch eigentlich auch. Die Frage ist nur, wie lange und wie schmeckt das – oder anders ausgedrückt – wie hätte ich gerne, dass das später mal schmeckt? Um diese Fragen zu lösen hat uns jemand vor langer Zeit die sogenannten Reinzuchthefen beschert. Es gibt unüberschaubar viele Reinzuchthefen. Für jede Rebsorte, für Kalt- und Warm-Vergärer, für Freunde des Gummibärchenweines und für Puristen. Alles ist möglich. Jede gezüchtete, besser gesagt selektionierte Hefe, hat theoretisch ein bestimmtes, gewünschtes Ergebniss.

Nummer sicher

Das ist der Standard, und damit geht man auf Nummer sicher. Kann man machen, muss man nicht. Wenn ich große Mengen trockenen Weines brauche, dann experimentiere ich nicht lange rum, sondern verwende eine Hefe, die mir den trockenen Wein garantiert. Dazu gibt es dann einige Präparate wie Nährsalze, Heferinden, Vitamine und inaktivierte Hefezellen. Die gebe ich in meinen gärenden Most, dann fühlt er sich super wohl und alles ist im Lack – und der Wein ist in nullkommanix trocken. Eine extrem angebrachte Geschichte für Produzenten großer Mengen, die auf Ziel produzieren.

Weiter auf Seite 4

Das ist alles erlaubt, nicht verboten, nicht gesundheitsschädlich. Es versteht sich von selbst, dass es aber auch ganz anders geht. Nehmen wir einmal an, ich will einen Wein, der ein ganz bestimmtes Obstaroma hinterher aufweisen soll. Für so etwas gibt es Enzyme, beispielsweise aus dem Obstbau. Die kann man natürlich auch verwenden. Das ist aber verboten! Da gab es vor einigen Jahren mal so einen Verdachtsfall in Baden.

Pseudospontan vergären

Ganz anders läuft die Sache, wenn man „spontan“ vergärt, also keine Reinzuchthefe zusetzt. Das machen einige, vielleicht sogar viele. Das ist die natürlichste Art der Vergärung. Sie birgt gewisse Risiken in sich. Der Wein kann beispielsweise nicht ganz trocken werden. Hefen mögen nämlich keinen Alkohol. Je mehr Zucker vergärt, je höher der Alkohol wird, umso schwieriger tut sich die Hefe. Wenn man so eine Spontangärung wissenschaftlich ordnungsgemäß als Versuch durchführt, also im Labor bei sterilem Umfeld, dann ist übrigens bei sechs, sieben Prozent Alkohol Feierabend. Ein Versuch, der für viele der Beleg ist, dass es „die“ Spontangärung gar nicht gibt, zumindest nicht bis zum trockenen Schluß. Welcher Keller ist aber schon steril? Da sind überall Hefen.

Im Zweifelsfall, wenn nichts mehr geht, äh, gärt, hilft am Ende eine Sekthefe. Die gärt fast immer. Damit bekommt man den Wein dann auch trocken. Das wird sehr gerne gemacht – ist dann „halbspontan“. Da kann man darüber reden, muss man aber natürlich nicht.

Ein weiteres Risiko ist noch viel gravierender. Es kann nämlich durchaus sein, dass so ein spontanvergorener Wein hinterher ganz fürchterlich schmeckt. Gruselig und untrinkbar. Es hat halt nicht jeder die richtige Hefekultur im Keller oder wo auch immer. Ach, übrigens, es gibt mittlerweile Hefen, da schmeckt der Wein hinterher wie ein „Sponti“.

Diese „Spontis“, sind sie denn gut „gemacht“, können grandios, ja sogar fabelhaft sein. Sie haben in der Jugend gerne einen kleinen „Stinker“. Das wird später mal eine irre Frucht und irgendwie haben sie auch eine ganz andere innere Dichte und Spannung. Das sind in jedem Fall „langsame Weine“, die Zeit und Muße brauchen. Spitzenweine eben. Vorzugsweise aus Trauben aus ökologischem Anbau – so ganz ohne Spritzmittelrückstände ist in diesem Fall der Weinbereitung auch die bessere Variante.

Ein langer Text, ich weiss. Und das war nur der erste Teil. Demnächst geht es weiter, und zwar mit den wirklich spannenden Sachen. Nennen wir es der Einfachheit mal: „die Möglichkeiten der Jungweinbehandlung“.

Ein kleines launiges Schlußwort muss jetzt aber noch her

Ich persönlich möchte keine der erwähnten Vorgehensweisen irgendwie bewerten. Jede hat ihre Berechtigung. Ein Winzer, ein Weinmacher, ein großer Betrieb oder ein ganz kleiner, muss und sollte für sich eine Philosophie definieren: „So will ich meinen Wein, dann schmeckt er den Leuten und dann kaufen sie ihn auch“. Der eine geht den steinigen Weg, der andere den leichteren. Alleine schon diese Einordnung ist schwierig. Im Endeffekt ist es völlig egal. Wichtig ist nur, dass man den einen Weg, den man geht, auch richtig kommuniziert. Also nicht von „Spontis“ faseln und vor jedem Kellerbesuch die Hefen schnell im Schrank verstecken – gell!

 

Datum: 18.2.2011 (Update 8.3.2016)
 

Aktuelle Weinempfehlungen