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Weisswurst: Muss Wein zu allem passen?

Selbst zu diesem scharfen asiatischen Gericht wird sich ein Wein finden lassen. Er wird es nur nicht überleben.
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Mancher Weinfan würde Wein am liebsten zu jedem Essen und zu jeder Gelegenheit trinken. Das ist Quatsch, der wahre Enthusiast gönnt sich auch mal ne Pause.
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Begonnen hat das leichte Unbehagen mit einer Diskussion gestern in einem deutschen facebook-Weinforum, das vor allem Profis (also Önologen, Händler, Journalisten etc.) mit versierten Enthusiasten und auch Weinlaien zusammenbringt.

Ziel und Zweck der „geschlossenen Gruppe“ ist es, freiwillig anfragende Weinlaien und erfahrene Weintrinker in Diskussionen über Wein einzubinden.

Wein ist eine weite Welt, niemand weiß das besser als der Captain. Wein ist ein Lebensmittel von unglaublicher Haltbarkeit und gigantischer Vielfalt. Wein kann Freude und Rausch bereiten. Wein kann zur Sättigung beitragen oder Lust stimulieren. Wein kann so gut wie alles.

Doch zurück zum facebook-Forum. Die Einbindung enthusiastischer Weinlaien hat Grenzen. Gerne posten sie Fotos von Flaschen, die sie selber getrunken haben. Nicht nur, dass es hier an Vielfalt fehlt, fallen auch die Kommentare eher dürftig aus. Der eine Wein ist „geil“, der andere „lecker“. Die meisten waren „eine Überraschung“, oder „das Geld wert“. Ausführlicher wird es selten.

Zunge lösen.

Das ist erstaunlich, denn gerade Wein soll ja die Zunge lösen und die Sprachmanufaktur anregen. Es mögen leicht debile Wortbilder entstehen, aber sie sollen bitte entstehen. Besser debil, als das blöde „leider geil“. Warum, so fragt sich der Captain, beschreiben Deutsche in deutschen Weinforen ihre Weine weniger ausführlich, als die Karren die sie fahren?

Doch da ist auch noch der deutsche Wunsch, Wein zu jedem Essen, zu jeder Gelegenheit trinken zu wollen. Vom viel zitierten Anlasswein (Terrasse, Grill, Spargel, Kamin, Omas Begräbnis, uvm.) bis hin zum Wein, der auch zur Wurst passen muss. Zur Weißwurst beispielsweise, wie eine Anfrage vermittelt, die gestern gestellt wurde. Was ist daran so verwunderlich?

Wein zu Weißwurst – warum?

Eigentlich nichts. Warum soll es keinen Wein zur Weißwurst geben? Oder zum Leberkäse? Champagner passt ja auch zur Currywurst. Das wollen uns eventerprobte Berliner Gastronomen seit Jahren weismachen.

Und stimmt auch. Ein knochentrockener Müller, ein neutraler Vermentino, ein staubiger Silvaner. Geht alles zur Weißwurst. Nur kein fruchtsüßer oder feinherber Wein, denn Weißwurst isst man nur mit süßem Senf. Und der süße Senf ist süß genug.

Freilich soll jeder kombinieren, wie er will. Warmer Rotwein zu Rohmilchkäse. Warum nicht? Sicher lecker! Oder Roederer-Cristal zu Kutteln (eine andere Art von „Champagnerkutteln“, neulich in einem süddeutschen Sternerestaurant gesichtet). Sicher ein einzigartiges Geschmackserlebnis, auf das die Welt gewartet hat. „Spannend“, nennt man das dann.

Ebenso Fisch und Rotwein. Geht auch. Warum auch nicht? Warum aber schon? Warum sucht man für deftige regionale Speisen einen Wein? Eine Schweinshaxe schreit nach Bier. Warum zerbricht man sich in einem Forum 260 Einträge lang den Kopf, was zu Schweinshaxe schmecken kann? Herausgekommen ist: Riesling Großes Gewächs. Absurd.

Absurd deswegen, weil der Wein dann das Essen dominiert. Das soll er nicht. Er soll es begleiten. Anspruchsvoll. Nicht maßvoll. Nicht als Untertan, sondern als Partner. Mir dünkt, dass die vielen Anfragen nach passenden Weinen, dieser unablässige Wunsch deutscher Weinenthusiasten zu jeder Gelegenheit und jeder Speise einen passenden Wein finden zu wollen, aus mangelnder kulinarischer Bereitschaft herrührt. Der Wein soll nicht begleiten, er soll dominieren, das Geschmacksbild beherrschen. Denn es ist der Wein, den man verehrt. Und der Applaus gilt nicht dem Essen, das ja immer auch ein einfaches Essen sein soll.

Das ist auch der Grund, warum Köchen wie Schuhbeck, Wissler, Wohlfahrt etc. die „deutschen Weinfuzzis“ (Zitat Schuhbeck) so suspekt sind. Und sie das Weinthema ihrer Restaurants gerne vollständig an die Sommeliers übergeben. Sie entlarven den deutschen Weinfreak als Essenshasser. Und ehrlich gesagt sprechen die eher bodenständig-einfältigen Speisen, die in den Foren nachgefragt werden (Vinothekare können davon ein Lied singen) nicht gerade für ein breites kulinarisches Weltbild. Das bei Leuten, die jede Weinlage auswendig herunterbeten können.

Fazit: Wein wird in den Weinforen nicht nur geliebt, ihm werden auch universelle kulinarische Positionen zugeteilt, die er nicht einnehmen kann. Deutschland lebt immer noch im kulinarischen Aufbruch, die Weinkultur hat überholt, ist ein paar Kilometer weiter. Jetzt muss die Kulinarik in Gesamtheit präziser und zugleich gelassener werden. Und da ist es gut, dass man einsieht, dass Wein nicht zu allem passt. Dass Wein eine Pause braucht. Dass Wein seine Welt haben muss. Seine Speisen. Um gemeinsam (und manchmal einsam) zu brillieren.

 

Datum: 9.7.2013 (Update 29.1.2015)
 

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