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Finanzkrise? Systemwechsel? Quatsch, nichts ändert sich. Das merkt man im Weinbusiness, wo nach wie vor nur die Worte von Gott Parker zählen. Keiner schwächt diese önologische Ratingagentur.
Der Captain beendete Prag mit einer wunderbar trinkreifen und herrlich eleganten Flasche Chateau La Lagune 1995. Und er ist gewiss, Derartiges nicht mehr so oft in seinem Leben trinken zu dürfen. Derartiges, wie einen Bordeaux alter Machart, einen Bordeaux vor Parker. Den Machern von Chateau La Lagune war Parker Mitte der Neunziger noch egal. Und so blieb auch die Wertung dieses Weins nur durchschnittlich. Parker irrte, sagt der Captain, der La Lagune 1995 hat mindestens 98 Punkte verdient. Ach was, egal. I give a fuck dafür, was Parker sagt.
Aber da ist der Captain nach wie vor einer von wenigen. Wie hörige Mitglieder einer Sekte glotzen nach wie vor tausende Händler und Sommeliers vor ihren Jahresbestellungen in die Parker-Wertungen. Vor allem in den neuen Märkten Russland und China ist Parker der unbestrittene Gott der Weinbewertung. Ein Wein ohne ausreichende Parker-Punkte ist dort schlicht unverkäuflich. As simple as that.
Jedes Jahr aufs Neue gibt es im Frühjahr im Bordeaux einen ersten Einblick auf die Weine des vergangenen Jahrgangs. Dieses Jahr also auf 2009, der ja ein Jahrhundertjahrgang gewesen sein soll. Der Captain denkt das auch und freut sich, wenn er in drei Jahren dann so manche Kiste kleinerer Chateaus einlagern darf, die in guten Jahren exzellente Ware keltern. Hier gilt die alte Bordeaux-Regel: In schlechten Jahren nur die starken Chateaus – in guten Jahren auch die Schwachen. Obwohl man freilich immer was versemmeln kann – Mouton 2002 ist so ein Beispiel: mieses Jahr, gutes Chateau, trotzdem Mist.
Robert Parker bestimmt das Sein
Parker kam und kostete. Am Ende hatten 22 Bordeaux die Höchstwertung von 100 Punkten. Und viele andere rangierten nur knapp dahinter. „Danke, Gott Parker, danke, dass du uns mit Licht überschüttest und unsere Finanzen sicherst“. Das werden viele Chateaubesitzer und Chateauverwalter ausgerufen haben. Denn die Zeiten sind hart, amerikanische und britische Händler wollen beim 2009er Bordeaux wegen der zu erwartenden exorbitanten Preise auf die Bremse steigen. Da hilft China und Asien, die letztverbliebenen Wachstumsmärkte. Die werden das wohl alles kaufen, denkt man in Frankreich. Chateau Mouton hat gerade in China eine Weinbar eröffnet, wo „der Chinese“ ein Glas Mouton 1999 für umgerechnet 56,00 Euro nach alter Tradition auf Ex kippt. Selbstverständlich mit Zitronenscheibe im Glas, das kennt er ja vom Schnaps.
Nein, der Captain wird hier keinen Kulturfaschismus aufzäumen. Wenn „den Chinesen“ Wein nur mit Zitronenscheibe schmeckt, dann ist das eben der lokale Geschmack und keine Barbarei. Wer zahlt, bestimmt. Der Captain findet es nur absurd, dass die edlen Chateaus noch vor 15 Jahren die Nase über den „grotesken Russen“ gerümpft haben, der seinen Mouton mit Cola verdünnte. Dieser Käufer war damals nicht willkommen. Des Captains russischer Händler erzählt mit größtem Unbehagen von diesen Tagen, als er im Medoc wie Dreck behandelt wurde. Heute, so sagt er, kriecht man ihm in den Allerwertesten. Und bringt sogar noch die Vaseline mit. Noch schlimmer beim Chinesen. Kotau brutal. Bitte kauft, kauft, was Parker sagt. Und sie tun es.
Das System Parker bietet Sicherheit
Trotz aller Kritik ist das System Parker offenbar unangreifbar. Unangreifbar, weil es das Gerüst eines sicheren Gebäudes ist, das im Augenblick keiner abreissen will. Kritik sehr wohl, doch bitte im Haus bleiben und nicht auf die Strasse gehen. Man kennt ja sonst nichts. Wer will zurück in die Anarchie vor Parker?
Das hat gewisse Parallelen mit dem herrschenden Finanzmarktkapitalismus, der (wie Parker) seit 20 Jahren unser Handeln diktiert und dabei (wie Parker) offenbar große Verwerfungen anrichtet. Jeder kritisiert, keiner ändert. Schockstarre.
Parker ist heute mächtiger denn je. Er ist die Ratingagentur einer oft hoch verschuldeten Branche, die ihre Produktion an die Leute bringen muss. Heute werden im Bordeaux ein Drittel mehr Flaschen (vor allem hochwertiger Weine) produziert, als vor 1990. Die Weinbranche kämpft – wie viele Branchen – mit der Überproduktion. Es wird zu viel gekeltert. Und zu viel Gleiches in Flaschen gefüllt. Eine einfache Wahrheit.
Aber anstatt Konsequenzen zu ziehen und die Produktion herunter zu fahren, wird erweitert und vergrößert, als hätte das Morgen seine Glocken nicht läuten lassen. Man kennt die Fehler. Und lernt nicht draus. Denn es gibt Gott Parker, der vielleicht einen Weg aus dem Tal der Tränen kennt.
Wer Parker angreift, muss das System angreifen
Das Erwachen wird mit jedem Monat der Verzögerung notwendiger Konsequenzen nur noch schlimmer werden. So wie Griechenland und Portugal (und mit ihnen auch der Euro) durch Finanzmarktregeln nicht zu retten sind, so sind manche großen Chateaus nur noch Beweis ihrer Unnötigkeit. Vor allem jene, die mit Fremdkapital errichtet oder aufgepäppelt wurden. Ihr Sterben kann Gott Parker (wie er es in Spanien tut) nur noch verzögern.
Und wie bei den Ratingagenturen bedient sich der Weinmarkt kurioser Bewertungsriten. Der Captain nimmt an, dass ein sehr junger Bordeaux, der gerade erst vergoren und gefüllt wurde, noch lange nicht zeigen kann, wie er in zehn Jahren schmecken wird. Jede Bewertung des 2009er Jahrgangs muss also mit Phantasie geschehen, mit einem weisen Vorausblick darauf, was da noch kommen kann. Und der Captain bezweifelt, dass dies nun allen Testern möglich ist. Er weiß von seinem Unvermögen aus eigener Erfahrung. Und nimmt deswegen an solchen Verkostungen auch nicht Teil.
Parkers Kritiker rudern im gleichen See
Leider sind Parkers Kritiker nicht gut aufgestellt. Das beweist ein Artikel in der Tageszeitung „Die Welt“, der einen deutschen Parker-Kritiker zu Wort kommen lässt, der seine Kritik wieder in nebuloses Weingeschwätz wie „sprödes Edelstahl-Tannin“ kleidet. Anstatt einfach zu sagen, dass der 100 Punkte-Wein, den er verkostet hat, hart, grün und ungenießbar schmeckt. Die Kritik muss die Sprache wechseln.
Die Wahrheit ist den Leuten zumutbar. Man muss sagen, wenn Systeme neue Zustände erzeugen. Der Finanzmarkt wird den europäischen Sozialstaat, wie wir ihn kennen, ruinieren. Das ist seine Aufgabe, er kann nicht anders. Wenn man das nicht haben will, muss man eine Systemdiskussion führen. Und keine Reformdiskussion.
Das System Parker sucht einen Weltgeschmack für Wein. Parkers Ausflüge in das Autochthone sind Gänseblümchen auf einer sattgrünen Wiese. Parker will den Weingeschmack der Welt dominieren. Das ist seine Aufgabe, er kann nicht anders. Wenn man das nicht haben will, muss man eine Systemdiskussion führen. Oder an dem System nicht mehr teilnehmen. Aber dann geht es ans Eingemachte. Wer will das schon? Deswegen ist Parker mächtiger denn je.
also ich hab wissentlich noch keinen von Parker „hoch“ bewerteten Wein getrunken, der mich enttäuscht hat.
Ahoi lieber Captain,
ich habe für mich gute und bezahlbare Bordeauxweine entdeckt, die man fast jedes Jahr blind subskribieren kann, auch ohne die Parker Bewertungen zu lesen. In den meisten Fällen bin ich sowieso näher an Gabriel-Bewertungen dran. In der Hauptsache sollte der Wein aber mir schmecken! EINE FRAGE ABER: Warum ist der Mouton 2002 ein gutes Beispiel für einen versemmelten Wein? Ich fand den vor 2 Jahren ausgezeichnet und freue mich auf die nächste Flasche.
Beste Grüße aus Hamburg
Hallo Hafenmeister, ich trank den 2002er Mouton im Mai 2009 und fand, dass er flach, breit, wenig elegant und laktisch war. Ich gebe zu, ein damaliger singulärer Eindruck…
Aller Kritik an Parker zum Trotz muß sich jeder Ehrliche die Frage stellen: Warum ist Parkers Meinung so gewichtig?
Gewiß nicht weil er mit jeder Bewertung daneben liegt.
Parker mit einer Rating-Agentur zu vergleichen hinkt.
Er ist einer der wenigen wirklich unabhängigen Weinkritiker für Bordeaux. Dass seine Kritiken dort oftmals den Publikumsgeschmack treffen ist ja nicht seine Schuld.
Es bleibt jedem selbst überlassen, sich nach den Kritiken zu richten oder nicht.
Diese konstruierte Gegenüberstellung: Parker=Massengeschmack vs. die armen, übersehenen, Winzer mit autochtonen Rebsorten halte ich für zu billig und auch ein wenig abgedroschen.
Das verwerfliche bei Rating-Agenturen ist, dass sie nicht unabhängig sind und von den Banken, deren Produkte sie bewerten, bezahlt werden.
Parker wird nur von seinen Abonenten bezahlt. Er hat zwar Einfluss, den aber letztendlich nur durch die Weinkäufer, die ihn bezahlen und ihm vertrauen.
wenn die Chateaus einen super Wein machen, der ruckzuck gekauft wird und die Preise im nächsten Jahr steigen haben wir auch auch dass gleiche Resultat wie wenn zusätzlich Parker sagt, dass der Wein super ist.
dachte bisher, Kommunikation ist das was ankommt.
Jetzt hab ich also nicht richtig = falsch gelesen.
…und Latour würde natürlich sofort in Konkurs gehen, wenn sie nur noch 250 € für die Flasche bekommen würden….
nicht bös gemeint, aber: nicht jeder Vergleich der zunächst gut klingt ist auch hilfreich.
Eine dauerhaft niedrige Bewertung würden sie aber nur bekommen, wenn die Weinqualität absinken würde. Das ist dan aber nicht das Problem von Herrn Parker.
Es gibt zwar immer mal wieder größere Differenzen zwischen den Bewertern (Pavie…) im großen und Ganzen sind sich die prominenten Verkoster doch ziemlich einig.
…die beliebten Verschwörungstheorien…
…selbst wenn das stimmen würde: Nur mal angenommen, die Chateaus würden einen Schwenk machen und mehr Johnson oder Robinson-konforme Weine machen. Dann wäre eben J. Robinson der neue Parker.
Aus dem Bordeaux-Hype kommten sie eben nicht raus, indem sie die Besatzung auf der Brücke ändern. Der Tanker fährt weiter, so lange noch genug asiatisches Geld da ist.
Ohne die Grundthese völlig anzweifeln zu wollen, wundere ich mich doch sehr, dass ausgerechnet der Film Mondovino als (eine) Quelle dafür dienen soll.
Ist dieses Machwerk doch vor allem ein Beleg dafür, wie man mit geeigneter Interviewpartner-, Zitat- Bild- und Tonauswahl die eigenen (Vor-)Urteile geschickt in Szene setzt. Michael Moore für Weinfreaks halt.
Wie man die Sache auch angehen und einen ähnlichen Grundtenor ohne Holzhammer-Methode, dafür aber mit Platz für Zwischentöne erzielen kann, sieht man hier:
http://vimeo.com/3519159
mein liebster captain, in einigen wenigen gedanken hast du durchaus recht, der rest ist aber leider larifari.
parker wurde und ist nur deswegen gross und wichtig, weil ihn die weinhändler dazu gemacht haben.
das mit asien und russland ist völliger schmarrn, die kaufen eben genau nicht so toll, schon gar nicht voraus und um jeden preis. das stimmt einfach nicht. gerade die asiaten lesen auch jancis und vor allem ihre eigenen juroren, ich kenne die ziemlich gut, und die werten zb 2009 nicht so hoch wie parker, gabriel & co. weil die nämlich die dicken merlot alkobomben auch nicht mögen.
in asien werden viel eher weine a la burgund reüssieren.
bin grad in alba und hab jetzt nicht genug zeit, aber ich schick dir next week eine reelle einschätzung.
was allerdings tatsache ist und viele verschweigen, die „ex-ostler“ und die asiaten kaufen um spottpreise die vollen lager der negociants auf, weil sie die marken und nicht die jahrgänge brauchen. und darüber ist man logo in bdx mehr als happy.
a presto mio capitan.
Wie der Kerl jetzt dann auch immer heißt ist doch egal solange er „meinem“ oder ich „seinen“ Geschmack habe sind seine Bewertungen doch auch für mich nützlich!
Und es wird schwer sein den anderen „Weintrinkern“ zu untersagen auch diesem Geschamck zu haben bzw. zu folgen!
Schließlich wollen wir doch alle „guten“ Geschmack haben und das bitte auch noch von renommierter Seite bestätigt bekommen! Oder? Und somit direkt zurück an den Start…
würde lieber 100 Punkte Weine trinken können, anstatt das alles verstehen zu müssen.
So mal unterm Strich gesprochen, ich mag Parker immer noch.
„cent‘ anni“
Parker find ich auch gut, er steht zu seinem Geschmack!
100 Punkte sind immer ein Erlebniss jedoch nicht immer eine Offenbarung!
Sehr oft nicht das Geldwert das man dafür hinlegen muß und ich hab schon sehr guten Wein getrunken der gar keine Punkte hatte und auch keine brauchte.
Naja wie auch immer wie heißt es doch so schön: Lafite or leave it!;-)
@ Bernhard Fiedler
Ich finde es interessant UND lustig, das der (fuer mich aeusserst unterhaltsame) Film Mondovino vor allem bei „Fachleuten“ immer wieder als Machwerk bezeichnet wird. Haltbarer wird diese Aussage durch immer neue Wiederholungen fuer mich allerdings nicht. Nennen Sie mir doch einmal Szenen, in denen „geeignete Interviewpartner“ den eigenen Vorurteilen entsprechend in Szene gesetzt werden. Wer sich (wissend , dass eine Kamera laeuft) daneben (Rolland) oder arrogant (italienischer Adel) benimmt oder Schwachsinn (Valandraud) von sich gibt … Entschuldigen Sie, aber der Filmemacher der das dann hinterher rausschneidet macht alles, aber keinen kritischen Film. Und es wird ja nicht nur auf den Parker-Jungs rumgehackt. Auch die „Guten“ bekommen doch ihr Fett weg. Ob mit dem vetraeumte Weltbild eines greisen Monthelie (welches den Sohn, der die Verantwortung traegt in den Wahnsinn treibt) oder mit den Spielchen von Daumas Gassac (Franzosen jaaa, Amerikaner – no merci). Also fuer mich ist das alles sehr unterhaltsam. Und wer als muendiger Buerger glaubt nur einseitig informiert zu werden, kann ja anderweitig zusaetzliche Infos sammeln. Nossiter und Moore wollen provozieren (was sie ja auch schaffen) und sie beweisen Mut dabei.
Ob Sie persoenlich das jetzt gut finden oder nicht ist natuerlich ganz Ihnen ueberlassen.
@ der Captain
Bravo. In den meisten Punkten bin ich ganz bei Ihnen. Nur ganz so tragisch sehe ich das Problem Parker nicht. Jeder, der nicht nur den „Gurus“ hinterhertrinkt, sondern sich selbst auf die (niemals endende) Suche nach interessanten Weinen begibt hat heute doch unueberschaubar viele Moeglichkeiten. Und eigentlich auch alles durch die Bank erschwinglich und leistbar. Somit goenne ich jedem Rapper sein Roederer-Crystal-Bad, jedem Russen seine Mouton-Cola und jedem Chinesen sein Drachenboot-Etikett oder den Schoppen Lafite zum Mittagessen. Und warum auch nicht ? Menschen, die glauben, Dom Perignon ist ein handwerklich hergestellter, aeusserst rarer Champagner, haben doch auch ein sehr liberales Weltbild. Wer ueber den „Parker-Rand“ hinaussieht kann sich entspannt zuruecklehnen und die 95 + X % Weine geniessen, die die Parker-Jungs (noch) nicht entdeckt haben. Macht hat Parker doch nur ueber die, die fuer sich entscheiden/denken lassen. Egal ob Produzent oder Konsument.
Da gebe ich Ihnen durchaus Recht. Nur waere dies auch ohne Parker der Fall, da dessen Klientel ohnehin wenig an Neuentdeckungen interessiert sein duerfte, die nicht von ihm stammen. Und selbstredend koennen fuer diese schwierige Situation auch nicht nur die Sparpakete verantwortlich gemacht werden. Es gibt halt eine Menge Einheitsbrei (den dann kein Kunde will) und wer sich davon nicht in irgendeiner Form absetzen kann, laeuft eben Gefahr, dass ihm oder ihr ueber kurz oder lang die Luft ausgeht. Deswegen meinen ja viele Erzeuger, eine gute Bewertung (Medaillen, Punkte oder was auch immer) wird’s schon richten. Wer als Erzeuger allerdings so agiert, bekommt frueher oder spaeter die Quittung – und dann absolut zu Recht. Sicherlich wird es auch bedauernswerte Opfer dieser Entwicklung geben, deren Weine die Weinwelt bereichern wuerden. Dennoch bin Ich zuversichtlich, dass es auch in Zukunft genuegend Betriebe geben wird, die ihren Kunden authentische und spannende Weine und den entsprechenden Service dazu anbieten. Und sehen wir das ganze doch auch einmal von der unterhaltsamen Seite, Wenn jetzt Asiaten zu Spekulationszwecken europaeische Bluechips zu Preisen kaufen, die aufgrund des Ratings eines amerikanischen Anwaltes heute bereits in astronomischen Spaehren angekommen sind … also das ist doch Realsatire vom Allerfeinstem. Besser kann sich das doch niemand ausdenken. Man fragt sich allerdings, wem diese Flaschen einmal fuer noch mehr Geld verkauft werden sollen. Der „Alten Welt“ ? Dort herrscht heute aber schon Ebbe in der Kasse… Vielleicht wird ja wieder einmal ein „Neuer Markt“ kreiert. Ich bin gespannt …
@Oliver Bauer:
Wenn sie Mondovino äußerst unterhaltsam finden, habe ich damit kein Problem. Schwierig wird es für mich nur dann, wenn dieser Unterhaltungsfilm in die Nähe des Begriffes „Dokumentation“ gerückt oder gar als Beleg für irgend etwas gesehen wird. (Mir war er übrigens neben den inhaltlichen Schwierigkeiten auch einfach zu verwackelt, zu lang und damit zu anstrengend, um mich zu unterhalten. Außerdem waren mir zu viele Hunde im Bild 😉 )
Ich vermute, dass die von ihnen unter Anführungszeichen gesetzten Fachleute deswegen häufig ein inhaltliches Problem mit dem Film haben, weil sie aus ihrer eigenen Erfahrung wissen, wie viele Grauschattierungen es im wirklichen Leben gibt, die im klaren Schwarz-Weiß von Mondovino keinen Platz haben.
Dass sich einige Akteure nicht geschickt verhalten und es dem Regisseur leicht gemacht haben, will ich gar nicht bestreiten. Aber wenn ich mich recht an damalige Meldungen erinnere, war vielen Interviewpartnern der Zusammenhang der Filmerei nicht bekannt, und der Regisseur hielt sich diesbezüglich bedeckt. Im Film (so glaube ich zumindest) hört man auch vorwiegend die Protagonisten, nicht aber die vorangegangenen Fragen.
Mit solchen Statements läßt sich natürlich leichter kreativ sein, als mit einem klaren, fairen und objektiven Frage-Antwort-Spiel: Das Öffnen einer Autotür unmittelbar an einen (vielleicht von vielen herausgepickten) Satz im Weinkeller geschnitten, danach der Gang zurück zum Auto und aus dem Off ein paar Zahlen, wie viele Kunden Herr Rolland weltweit betreut (ohne nähere Angaben wie groß sein Team ist). Schon ist „bewiesen“, dass der Mann keinerlei Bezug zu den Besonderheiten der Weine seiner Kunden haben kann, sondern nur überall das gleiche Rezept empfiehlt…
Insofern geht es mir also gar nicht um das Rausschneiden von Dingen, sondern vielmehr um das Einarbeiten von etwas mehr Tiefgang und vor allem auch Stimmen, die nicht so klar ins Bild passen. Also zum Beispiel, wenn es unbedingt um Parker und Rolland gehen soll, ein Interview mit David Schildknecht, der für Parker verkostet (und daher de facto Parkerpunkte vergibt) aber doch deutlich andere stilistische Vorlieben hat, als sein Chef.
Dass Herr Nossiter auf der Gegenseite vorwiegend ausgesprochen skurille Gestalten bringt, macht den Film nicht ausgewogener, sondern beweist lediglich, dass es ihm nicht um eine ernsthafte Aussage, sondern um – meiner Meinung nach billige – Unterhaltung geht.
Mit Mut hat das freilich nichts zu tun.
hier eine Antwort aus dem Web 2.0
http://wuertz-wein.de/wordpress/2010/05/21/ich-mag-robert-parker/comment-page-1/#comment-3422
Ich mag Robert Parker, sehr sogar http://wuertz-wein.de/wordpress/2010/05/21/ich-mag-robert-parker/
Und was mondovino angeht wäre ich ziemlich vorsichtig. Wenn man sich mit diesem Film näher beschäftigt, oder gar den ein oder anderen aus dem Film kennt, sieht alles ein wenig anders aus. bestes Beispiel ist der „Kämpfer“ von Mas D´Aumas Gassac. Der ist alles, aber kein Held!!!
@ Bernhard Fiedler
Hallo Herr Fiedler,
ueber die technische Qualitaet des Films kann man natuerlich geteilter Meinung sein (ueber die Hunde ebenfalls, wobei wir auch einige haben – scheint also doch wohl eine Winzerkrankheit und deshalb passend zu sein… ;-)) Als Dokumentation habe ich den Film allerdings nie gesehen bzw. verstanden. Da ist doch von der ersten Minute an klar, wohin die Reise geht. Und das Ihnen der Film zu wenig Tiefgang hat, kann ich absolut nachvollziehen. Aber mal ehrlich – sehen Sie noch fern um sich zu bilden und um etwas mit Tiefgang zu erleben oder um unterhalten zu werden (meinetwegen auch seicht ;-)) ? Desweiteren sind Sie (wie ich auch) Winzer und haben dadurch natuerlich auch einen etwas tieferen Einblick in die Materie als die grosse Mehrheit derer, die den Film gesehen haben oder noch werden. Und genau fuer die ist der Film gedacht – nicht fuer uns. Ob uns nun diese Richtung gefaellt oder nicht sei dahingestellt. Ich muss ihn mir ja nicht ansehen. Was ich aber absolut daneben finde ist diese Aburteilen. „Machwerk, hinterhaeltig, vordergruendig etc.. Manch‘ Einer hat sich sogar zu einem Vergleich der Filmtechnik mit den wirklichen „Machwerken“ der rechten Propaganda vor 70 Jahren verstiegen. Ich glaube, hier wird die Intelligenz der Weininteressierten gehoerig unterschaetzt. Jeder halbwegs vernueftige Mensch bildet sich seine Meinung niemals aus nur einer Quelle. Somit besteht fuer diese also keine Gefahr, das sie „geblendet“ oder ungehoerig beeinflusst werden. Und die anderen erreichen Sie auch mit mehr Tiefgang nicht. Desweiteren wurden ja seitens der Autoren keinerlei unwahren Behauptungen aufgestellt. Man hat die Akteure einfach sein und plappern lassen wie sie sind – und das haben die dann auch freudestrahlend getan. Und genau das finde ich genial. Es interessiert(e) mich ueberhaupt nicht, wie sich ein Michel Rolland „offiziell“ gibt oder wenn er mit fuer ihn wichtigen Personen zusammen ist. Was er (und nicht nur er) hier abgeliefert hat ist echt arm und unterste Schublade (und fuer mich eben unterhaltsam – sorry ;-)). Und was interessiert mich als Weintrinker sein Team ? Das hiesse ja, dass andere Oenologen neben ihm auch was auf die Reihe bringen. Ich dachte, er ist der Macher, der „Flying Winemaker“, der auf zig Kontinenten Wein „macht“ und der sogar dem Mond einen lecker Merlot abringen wuerde. Gleiches gilt fuer Herrn Schildknecht. Der kann noch so kompetent sein und Wichtiges beizutragen haben. Die Leute (denen das wichtig ist) wollen aber Parker bzw. Rolland, Eben den Schmidt und nicht das Schmidtchen. Und das hier wie dort mit dem Schema F gearbeitet wird, will ja wohl auch niemand mehr ernsthaft bestreiten. Auch weiss ich nicht, wo Herr Wuertz „den Kaempfer von Mas D´Aumas Gassac“ im Film ausgemacht haben will. Der kam fuer mich, der den Film mehr als einmal bis zum Schluss angesehen hat, immer als eher bedauernswerter alter Mann rueber, den die Zeit links und rechts ueberholt hat. Von Kaempfer keine Spur. Soviel falsch verstandenen (National-) stolz und Borniertheit kann man nur bedauern. Und so etwas dann auch zu zeigen und sich mit Sicherheit ein paar Feinde zu machen – also das wuerde ich in der heutigen Zeit der Speichellecker und Opportunisten schon als mutig bezeichnen wollen. Und ein einfacher aber gerade deswegen fuer mich grandioser Satz eines aelteren Herrn aus diesem Film (den wahrscheinlich viele gar nicht verstanden haben) bringt eigentlich alles genau auf den Punkt : “ Tiere entscheiden selbst, was sie zu sich nehmen (fressen) !“ Dem ist Nichts hinzu zu fuegen.
Als ich in die Vorführung von Mondovino ging, war schon ein gewisser Bildungsvorsatz gegeben. Wenn ich unterhalten werden möchte, lese ich Weinforen 😀
Selbst auf die Gefahr hin, arrogant zu klingen möchte ich lautstark bezweifeln, dass die Mehrzahl der Weininteressierten intelligent genug und/oder Willens ist, den Eindruck den der Film erweckt für sich selbst aus mehreren anderen Quellen abzusichern. Zu sehr habe ich die dementsprechenden Diskussionen in den Weinforen noch im Hinterkopf.
Ich denke das Links hier wohl zu weit führen würden, aber bezüglich des Kämpfers von Mas de Daumas Gassac, der bei ihnen (und mir) als eher bedauernswerter alter Mann, den die Zeit rechts und links überholt hat ankam, kann ich mir ein (durchaus nicht unrepräsentatives) Zitat nicht verkneifen:
„Ja das ist der Kinoheld und potenzielle „Seele-des-Weins-Verteidiger“ Aime Guibert – Macher des Mas de Daumas Gassac und wortgewaltiger Kritiker der Parkerisierung und Kommerzialisierung der Weinwelt sowie Sympathiefigur in Mondovino.“
So schrieb – völlig ironiefrei und unwidersprochen – einer „ihrer“ Weininteressierten. Da kann man schon verstehen, wenn Kollege Würz von einem als Kämpfer ausgemachten Herrn spricht.
Nachdem ich auch mit der Interpretation ihres Schlußsatzes nicht wirklich klarkomme, möchte ich unsere – durchaus nette – Mondovino-Diskussion an dieser Stelle für mich beenden.
Es würde mich aber freuen, wenn es bei passender Gelegenheit zu einem anderen Thema wieder einmal zu einem Meinungsaustausch käme.
Herzliche Grüße
Bernhard Fiedler
Man sollte vielleicht einmal anführen, dass das Ganze nicht als Film entstanden ist, sondern ursprünglich als Fernsehserie geplant war und über mehrere Jahre hindurch entstanden ist.
Hab jetzt zufällig gefunden, was ich seinerzeit in einem Forum von mir gegeben habe, ist auch ganz lustig, sowas nach Jahren wieder zu lesen 😉
http://www.mail-archive.com/weinforum@wein-plus.de/msg34733.html
Hallo Herr Fiedler,
jederzeit sehr gerne wieder 😉
Viele Grüsse
Oliver Bauer
Habe Mouton 2002 letzten Freitag getrunken, großer Mouton, viel Kaffe, tolle Frucht; am Gaumen Kraft, tolle Tannin Qualität, sehr gute Balance zwischen Tannin, Säure, Frucht und Holz, langer Abgang 96/100
Zum Rest habe ich hier glaube ich schon alles geschrieben:
https://www.captaincork.com/Parker-Replik
„großer Mouton, viel Kaffe“
und das passt zusammen?
Bei der Parker-Diskussion geht es immer darum wie schlimm es ist, dass er den Weingeschmack vereinheitlicht. Was war aber davor? Da hatte man doch auch eine bestimmte Vorstellung davon wie eine Pinotage TBA von der badischen Bergstraße schmecken soll. Ich nehme an, vor Parker gabt es in der Hinsicht keinen „Papst“, die Kanonbildung hat aber funktioniert weil nur wenige Kenner sich damit beschäftigten und die weniger wichtigen den Kennern auch vertrauten. Dann erstanden plötzlich ganz viele Weinfans die eine feste Hand brauchten.
Könnte man den Parkerismus als Bewegung gegen den Geschmacksrelativismus bezeichnen?
Übrigens: kann schon sein, dass er „nicht anders kann“, aber es gibt auch Gegenbeispiele, wie einer vom Paulus zum Saulus wurde, etwa Gorbatschow.
Verstehe ich auch so, aber „viel Kaffee“ und „groß“?? Kann mich gut an den 97er und an den 89er Mouton erinnern, der eine war „groß“, der andere hatte tatsächlich viel Kaffee und war sehr gut.