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Weinmesse: Dorli, Dutta und was Deutsches

Dorli Muhr an ihrem Spitzerberg.
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Teil 2 vom Indermaat Robin Dutta über eine Hausmesse auf Schloss Hugenpoet. Noch haut es den Quartalstrinker mengenmäßig nicht aus den Socken. Dafür schwärmt er von einer charmanten Winzerin.
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Zur Erinnerung: Ich bin gerade in Essen-Kettwig im Schloss Hugenpoet auf einer Weinmesse. In der nahegelegenen Villa Hügel gaben sich Konzernlenker und Sternchen, Hitler und Honecker beinahe die Klinke in Hand. Wer weiß das schon so genau?

Harte Arbeitskämpfe haben hier tiefe Spuren hinterlassen. Und jetzt stößt ThyssenKrupp auch noch nach rund hundert Jahren seine Edelstahlsparte ab. An Finnen! War da nicht mal was mit der Nachbarstadt Bochum und der finnischen Nokia? Egal. Es geht heute an dieser Stelle natürlich um Wein.

Das betörend schöne Winterwetter lasse ich hinter den Riesenfenstern der edlen Verkostungsräume. Ein aristokratisches Ambiente. Ich komme mir vor wie in Viscontis „Die Verdammten“. Zum Glück wird uns Helmut Berger wohl nichts wegsaufen am Set heute. Neueren Medienberichten zufolge versorgt er sich mit Dosenbier aus einer günstig gelegenen jugoslawischen Pizzeria. Morbide Grandezza.

Ich bin zu Besuch bei einer Hausmesse der besonderen Art: Der umtriebige und über jeden Zweifel erhabene Weinhändler Thomas Kierdorf lädt in diesen gediegenen Räumlichkeiten zu seinem mittlerweile 10. Weinevent ein.

Hängengeblieben bei Dorli Muhr

Wo waren wir im ersten Teil stehengeblieben? Ah ja, bei Frau Dorli Muhr aus Österreich. Kein knorriger Winzer, sonder eine polyglotte PR-Dame und Winzerin, daneben auch Ex-Frau von Portweinikone und Winzer Dirk van der Niepoort, dessen Weine hier auch vorgestellt werden. Zusammen machen sie Wein im Carnuntum, einer Region zwischen Wien und Bratislava.

Charmant gießt sie den ersten Wein ein. 2010 Prellenkirchen, eine Cuvée aus 90 % Grüner Veltliner und 10 % Riesling. Keine Fruchtbombe, der Kalkboden vom Spitzerberg tropft ihm aus jeder Pore. Sofort ist vergessen, dass ich mich eigentlich auf den Weg nach unten Richtung Deutschland machen sollte auf dieser Hausmesse.

Dorli Muhr bemerkt meine Begeisterung für diesen Tropfen und erzählt, dass die Resonanz auf diesen Wein eher verhalten ist an diesem Tag. In Zahlen heißt das: außer mir schmeckt er gerade einmal drei anderen Gästen. Und wir haben schon vorgerückten Nachmittag. Daran kann man erkennen, wie wichtig eine satte Primärfrucht auch für fortgeschrittene Weinkonsumenten ist. Und Restsüße. Wie sehr mich das gelegentlich nervt. Sobald die Süße abtaucht, wächst die Verstörung auf Konsumentenseite. Dies gilt auch für so manchen rieslingrestsüß-verseuchten Weinfreak. Nun ja.

Frauenpower und Dorlis Blaufränkisch

Wir kamen im Gespräch auf Frauenpower. Bei einem TVino-Interview mit Hendrik Thoma hatte Dorli Muhr gesagt, dass sie nur Frauen angestellt hat, weil die sich als die besten Bewerber entpuppt haben. Daraufhin hatte es nur so an bösen E-Mails gehagelt. Mir ist das wurscht, solange der Wein schmeckt und mich keine bärtige Retro-Emanze beim Weingenuß stört.

Dorli Muhrs Spitzerberg Blaufränkisch 2009 ist eine tolle Melange aus Würze, Eleganz und genau dem richtigen Schuss Mineralität. Er ist sicher sehr lagerfähig und gibt einen tollen Speisenbegleiter. Nachdem mich die charmante Winzerin dezent auf meine abgenutzte Smartphonehülle hingewiesen und indirekt einen Austausch vorgeschlagen hat, ist es an der Zeit nach unten zu gehen, zu H.O. Spanier und den anderen Deutschen. Vorher noch ein Foto von Dorli und dann ab die Treppen runter.

Zuerst zum Weingut Milch aus Rheinhessen. Auch hier muss ich mich notwendigerweise beschränken. Die 2011 Fassmuster von Grauburgunder und Chardonnay machen einen wunderbaren Eindruck. Milch legt offenkundig wert auf gutes Holz und vernünftig eingesetztes Toasting. Vital, nicht übermäßig breit. Gute Konzentration und viel Wumms. Das alles eine Nummer größer und in besserer Auflösung heißt Chardonnay XXL, auch ein Fassmuster. Für mich nicht zu breit. Für 8,5 % Alkohol Moselfans vielleicht nix. Egal.

Es folgt ein rigider Rebsortenwechsel. Auf zu Von Winning aus der Pfalz. Alles knubbelt sich hier mit Andrang. Ich starte mit dem Sauvignon Blanc aus 2010. Kein deutscher Brausetransvestit. Eher französischer Ernst. Eingangs Hefenoten, dahinter kalter Rauch und recht verhaltene Frucht. Deutlich über der Komplexitätsnorm bei 10-Euro-Weinen spielt auch der WinWin-Riesling mit, spontan vergoren haut er vieles in dieser Preisklasse ganz eindeutig um.

Hi Mann, Heymann!

Sehr eigenständig präsentieren sich auch der Deidesheimer Grainhübel Riesling trocken und PECHSTEIN Großes Gewächs Forst Riesling, jeweils 2010. Das ist sehr beeindruckend. Und noch schwieriger zu vergleichen. Was ja auch einmal schön ist. So lasse ich mich gerne irritieren. Ich rate dringend dazu, Von Winning zu verkosten.

Da braucht es schon den 2010er Uhlen „B“, Großes Gewächs Blaufüsser Lay „Reserve“ Winningen von Heymann-Löwenstein, um mich wieder aus der Reserve zu locken. Rassige Moseleleganz, kühl, mit ganz feiner, den ganzen Trinkverlauf durchziehenden Säure. Dabei aber auch von beachtlichen Ausmaßen. Auf seine Weise faszinierend, allerdings ist das heute irgendwie nicht mein Ding. Kann passieren.

Um ehrlich zu sein liegt mir folgender Wein viel mehr: „Am Schwarzen Herrgott“ Großes Gewächs Hohen-Sülzen Riesling von Battenfeld-Spanier. Seriös und karg lässt er das mich oft so nervende Riesling-Süße-Säurespiel, auf das viele so abfahren, vermissen, und zeigt sich hart wie Fels. Der würde auch dem Kalkfanatiker Kollwentz schmecken, denke ich mir. Durch den Schwarzen Herrgott verläuft die Grenze zwischen Rheinhessen und der nördlichen Pfalz. Auch so kann Riesling sein. Verleugnet er sich? Das sollen andere entscheiden. Ich finde ihn herausragend.

Nachspülung durch spanische Kraft

Imposant auch was Tim Fröhlich von der Nahe regelmäßig auf die Flasche zieht. Der 2010er Großes Gewächs FELSENECK Bockenau Riesling von Schäfer-Fröhlich ist fast reißerisch wild und doch irrwitzig zart. Und sehr, sehr gut.

Die Stimmung wird ausgelassener, überall, und ich kriege langsam Rotweindurst. Schnell noch Ochsenschwanzragout und Filetspitzen auf die Faust packen und den passenden Wein orten. Da kommt mir ein kräftiger, katalonischer Wein vom Mergel, Granit und Schiefer gerade recht. Cabrida von Celler de Capçanes. Garnacha aus lächerlich geringen Erträgen, sehr dicht, dunkel und komplex. Die Nachspülung durch Kraft!

Man könnte noch dort probieren, hier noch. Und da noch. Diesen hier und da. Alles Quatsch. Wie man hier im Revier so lyrisch formuliert: „hätte ist auf Toilette.“

Sag niemals Niepoort

Was zuletzt aber noch sein musst, ist ein 2009er Vintage Portwein aus dem Hause Niepoort, also das Ex-Haus von Dorli Muhr. Ein Absacker zuletzt. Schwelgerische Würze, mächtige Gerbstoffe und dichte Frucht lassen mich quasi schwerelos ein Taxi ordern. Denn ab 16h werden die Wartezeiten hier am Schloss Hugenpoet üblicherweise unerträglich lang.

Der verhältnismäßig frühe Vogel steigt ins teure Taxi (mir ist der Zahlmeister gerade ziemlich schnuppe) und zwitschert mit dem Fahrer das übliche BlaBla. Back on Bord noch ein Bochumer Fiege Pils und dann gut sediert in die Koje. Dann klappt es auch mit dem morgigen Tag. Und der neuen Smartphonehülle von Dorli…

 

Datum: 9.2.2012 (Update 1.12.2014)
 

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