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Weingut im Bunker: Helter Shelter

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Quereinsteiger, Oregon, Weinbau im Bunker: Das alles kommt zusammen, wenn man von der Shelter Winery spricht. Das junge Weingut aus dem Breisgau in Baden legt den Fokus auf Spätburgunder, die es in sich haben. Maat Golenia berichtet.
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Die Weinbauregion Baden ist momentan nicht gerade bekannt für Dynamik, wie sie gerade bei Mosel und besonders in Rheinhessen zu finden ist. Aber das geht völlig in Ordnung.

Wenn alle Regionen hochdynamisch wären, dann würde man vor lauter Hochdynamik gar nicht mehr sehen, wie hochdynamisch alles ist. Ergo muss es auch Schlaftablettenregionen geben, wobei ich jetzt auch nicht Baden meine.

Und trotzdem, auch die behäbigsten Regionen bringen immer wieder Winzer hervor, die neue Ansätze in versteifte Strukturen reinbringen.

Quereinsteiger, junge Menschen, frische Ideen. Leute, die in fremden Regionen und Dörfern nagelneue Weingüter gründen ohne auf ihre Elterngeneration und irgendwelchen Traditionen zurückgreifen müssen. Ein Start bei Null.

Wobei man sich die „Null“ einmal begreiflich machen sollte. Bei Null anfangen bedeutet kaum Rebfläche, ein notdürftiges Gebäude, kaum Know-how, keinen Kundenstamm. Alles muss aufgebaut und mühsam etabliert werden. Mit den Jahren stellt sich der Erfolg ein, oder auch nicht.

Hans-Bert Espe aus Osterode und Silke Wolf aus Paderborn sind solche Fremdlinge, die aus dem Nichts ein kleines, aber feines Weingut in Baden hochgezogen haben.

Doch Ostrerode im Harz und Paderborn im streng katholischen Ostwestfalen sind beileibe keine Weinregionen. Und trotzdem nahmen beide, damals einander noch unbekannt, ein Studium der Önologie im fernen Geisenheim auf, natürlich mit Abschluss. Aber danach zurück ins hässliche Paderborn? Besser nicht.

Dass sich aus nachbarschaftlichen, studentischen Wohnverhältnissen zwischen Mann und Frau gelegentlich Engeres entwickelt, ist hinlänglich bekannt. Hans-Bert Espe und Silke Wolf standen dem nicht nach. Die beiden heirateten. Es verschlug es das Paar erst einmal aus Deutschland weg an die amerikanische Westküste, nach Oregon. Die Boomregion mit ihren Cool-Climate-Weinen stand ihnen offen.

Hans-Bert Espe bekam dort einen Job als Assistant Winemaker.

„In Oregon habe ich sehr viel über den Pinot Noir gelernt“, erzählt Espe. „Die Amerikaner sind um einiges offener und erzählen deutlich mehr über das Weinmachen als beispielsweise die Franzosen im Burgund.“ Dank der auskunftsfreudigen amerikanischen Art gingen beide mit gewachsener Erfahrung wieder zurück nach Deutschland.

Obwohl Espe Anfang der Nullerjahre Betriebsleiter des Gräflich Wolff Metternich’schen Weingutes in Durbach war, reifte bei ihm der Wille heran, ein eigenes Weingut zu gründen. „Nur fremde Produkte zu verkaufen, reichte mir irgendwann nicht mehr. Ich wollte meine eigenen Vorstellungen durchsetzen.“, sagt Espe.

Nach und nach streckten die beiden ihre Fühler nach geeigneten Filetstückchen im Breisgau aus. Und wie es so schön heißt, wer suchet, der findet, und zwar kleine Flächen am Malterdinger Bienenberg und am Kenzinger Hummelberg, beides Spätburgunder-Anlangen mit klassischem deutschen Freiburger Klon, gepflanzt Ende der 70er.

Espes und Wolfs Fokus liegt, wie man unschwer erkennen kann, eindeutig auf Rotwein, der über 80 % ihres Sortiments ausmacht.

Der Basis-Spätburgunder gibt gleich eine hervorragende Visitenkarte der Shelter Winery ab. Feingliedrige, schwarzpfeffrige Erdbeernoten und Schwarzkirsche, feinnervige ausgleichende Säure, trockener, sehr zarter Stil. Nicht krampfhaft auf burgundisch gemacht, denn seine deutschen Wurzeln will dieser Wein nicht verleugnen. Und das ist gut so, solange es gekonnt und vor allem dezent gemacht wird. Mir gefällt’s.

Schon der Name „Shelter Winery“ spielt auf zweierlei Dinge an.

Der englische Name ist eine Hommage an ihre lehrreiche Zeit in Oregon. Und „Shelter“, übersetzt „Schutz“, spielt auf die alte Lage des Weinguts an, nämlich die in einem Bunker außerhalb von Lahr. Dort waren während des kalten Krieges Kanadier stationiert, die in Lahr einen Flughafen unterhielten. Doch ohne Russen und gefühlter Bedrohung machte es auch den Kanadiern in Westdeutschland keinen großen Spaß mehr und zogen schon 1994 ab. Der Flughafen verkam ungebraucht zu einem Idyll.

Eigentlich ein Glück für Hans-Bert Espe und Silke Wolf, denn nun konnte das Paar günstig einen der leerstehenden Flugzeugbunker als Weinkeller mieten. Nomen est Omen. Immer geschützt durch die dicke Stahltür und eingemümmelt und grasbewachsen halb unter der Erde gelegen.

Fast schon eine Art Gründerzeit am Flughafen, denn nicht nur Espe und Wolf entdeckten die Vorteile der Bunker für sich. In den Nachbarsbunkern machten sich ein Fensterbauer, eine KFZ-Werkstatt und ein Vereinslokal der Hells Angels breit. Sicherlich ist das keine Nachbarschaft, die man als gutbürgerlich bezeichnen würde. Vielleicht unkonventionell.

„Doch der Bunker hatte einen entschiedenen Nachteil“, meint Espe, „Er hatte keinen Anschluss an die örtliche Wasserversorgung.“ Somit war er oft mehr damit beschäftigt, die Wassertanks mühsam aufzufüllen, statt sich um seine Weine zu kümmern. Was dann auch ein Grund war, 2011 einen Neubau nach ihren Vorstellungen in Kenzingen zu beziehen.

Keine Hells Angels mehr, aber dafür Wasser aus der Leitung und ein eigenes Dach über’m Kopf. Und heute ganze 4 Hektar Rebfläche mit Willen zur Vergrößerung.

Shelter Winerys Bester aus dem Sortiment ist der Pinot Noir. Das gute und teuerste Stück zuletzt. Er zeigt sich anders gepolt als der Basiswein.

Recht dunkel im Glas. Deutlich vielschichtiger, komplexer, sinnlicher. Burgund? Burgundvergleiche öden mich langsam an, honestly.

Dieser Pinot aber nicht. Keine Spur zu viel Fett an den Schenkeln. Deutlicher Hang zur Rauchigkeit, etwas Braunkohlenrauch (wenn beim Kamintüröffnen die Drosselklappe mal wieder geschlossen war), gute Dichte, etwas Eisennägel, hocheleganter Typus. Wirkt jetzt deutlich zu jung, zeigt trotzdem schon enormes Potenzial für die Kellerreife.

Welcher Weintrinker träumt nicht manchmal davon, einen Knopf für Zeitraffer zu haben, nur um zu sehen, wie Wein älter und gereifter schmeckt. Bei diesem Pinot Noir würde ich das gern. Obwohl, die Rückspultaste darf um Gottes willen nicht fehlen.

Der Autor möchte sich jetzt schon mal für den Ausdruck „hässliches Paderborn“ entschuldigen. Aber Paderborn ist nun mal gar nicht hübsch. Ja, der Maat kann das beurteilen: er kennt Paderborn wie im Schlaf. Er kommt „da wech“, wie man in Ostwestfalen so schön sagt.Autor: Thomas Golenia

 

Datum: 24.1.2012 (Update 26.11.2017)
 

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