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Der Mythos Jamek

Josef Jamek (1919 - 2011)
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Nichts ist leichter, als über junge und hippe Winzer zu schreiben. Was ist aber mit jenen, die vor 60 Jahren revolutionär waren? Der Captain besucht ein altes Weingut in einer sehr alten Weingegend.
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Wer über Wein schreibt, hat es in den letzten zehn Jahren leicht gehabt. Denn es entstanden aufgrund radikaler Umwälzungen eine Reihe junger und revolutionärer Weingüter. Das hatte in den europäischen Weinbauländern unterschiedliche Gründe.

In Italien war es die Aufstand der jungen toskanischen Winzersöhne gegen ihre Eltern, der zwischen 1970 und 1985 den traditionellen Weinbau an die Wand stellte und eine Reihe kreativer Weine (Tignanello, Ornellaia) in die Regale des Luxus und der Moden stellte. Diese Entwicklung beeinflusst die Weinwirtschaft bis heute noch massiv.

In Frankreich entstand eine radikalbiologische Bewegung, die zwar sehr laut ist, aber auf den Weinbau des Landes kaum Einfluss nimmt. In Spanien wurde nach dem Ende der Diktatur der Landbesitz neu geregelt, auch kleine Bauern bekamen die Chance, dem Markt beizutreten. Allerdings wurde diese Lücke vor allem von Investmentfonds genützt, die jetzt in der ökonomischen Krise enorm schwächeln. Spanien ist bereit für eine zweite Umverteilung.

In Deutschland und Österreich war ein Ereignis maßgeblich für Umschichtungen verantwortlich – der so genannte Weinskandal von 1985. In Deutschland erwischte man eine Reihe von industriell arbeiteten Weinmanufakturen beim Verfälschen ihrer Weine mit dem Frostschutzmittel Glykol. In Österreich hingegen auch einige Mittelbetriebe, was den größten Lebensmittelskandal der Alpenrepublik zur Folge hatte. Und den Ruin der Branche.

Das Wort Ruin ist hier keine Übertreibung. Die österreichische Weinwirtschaft stand vor dem völligen Aus. Auch die ehrlichen Winzer (und das war die Mehrheit) konnten ihre Weine nicht mehr exportieren. Der Export war nicht das Wichtigste, doch sanken auch die Verkäufe im Inland gegen Null. So war schnell klar, dass hunderte Weinmacher auf dem Weg in die Insolvenz waren. Niemand wollte österreichischen Wein trinken, nicht mal die Österreicher selbst.

In diesem Moment kam eine Initiative zustande, die bis heute europaweit seinesgleichen sucht. Politiker begannen jenseits der Parteiengrenzen zusammenzuarbeiten und Winzerverbände begruben ihrer notorischen Auseinandersetzungen über die Qualität der Gebiete. Eine Vermarktungsagentur wurde gegründet und mit staatlichem Geld gefüttert. Die Töchter und Söhne der Winzer übernahmen in den altbekannten Betrieben die Macht und begannen Qualität statt Masse zu produzieren. Hunderte unbekannte Betriebe taten es ihnen gleich. Der gegenwärtige österreichische Weinbau hat mit jenem vor 1985 nichts mehr zu tun – ein radikaler Bruch, wie nirgendwo auf der Welt. Mit einer Ausnahme, einer Region, die blieb, was sie war. Der Hüter des traditionellen Weinbaus. Und diese Region heißt Wachau.

Der österreichische Weinskandal hat in der Wachau die geringsten Umwälzungen ausgelöst, denn die Region zählt zu den ältesten und bekanntesten Weinbauregionen Europas. Vergleichbar mit dem Rheingau in Deutschland. Und ebenso schön, ein Schmelztiegel des Tourismus. Das Anbaugebiet ist aber viel kleiner als der Rheingau und die wenigen Weine bedienen seit jeher das österreichische Bürgertum, das sich von den gerade mal 10 bekannten Wachauer Spitzenwinzern nicht abwandte. So gab es auch keinen Grund für Umstürze.

Und während die österreichische Weinwelt ringsum unterging, blieben die Wachauer Winzer was sie immer waren – Garanten einer Komfortzone namens Tradition, Rückzugsgebiet in unruhigen Zeiten. Doch eines eilte den Wachauer Winzern voraus: Sie selbst waren einmal revolutionär. Und an der Spitze dieser Revolution stand Josef Jamek, der 2011 mit 92 Jahren verstorbene Doyen der Wachau.

Denn unter Jamek begann der qualitative Aufschwung von Weinen aus deutschsprachigen Regionen. Auch die Weine der Wachau litten – wie jene der Saar, der Mosel und des Rheingaus – unter den Folgen des Hitler-Zerstörungskrieges. Die Exporte der weltweit beliebten Getränke sank nach dem Krieg dramatisch und die Winzer mussten sich überall neu ausrichten.

In Österreich, das sich als Opfer der Nazis gerierte, gelang das rascher. Josef Jamek und sein Kollege Franz Prager erkannten, dass es verlässlicher Richtlinien bedarf. Ein neues System wurde eingeführt, die Weine nach ihren Öchslegraden und Alkoholwerten in „Steinfeder“ (quasi leichte Gutsweine), „Federspiel“ (quasi Kabinette) und Smaragde (quasi Spätlesen oder Große Gewächse) unterteilt. Die Wachau war also federführend, was den Weg in Richtung Qualität betraf. Jamek ließ zudem viele der alten Steinterrassen wieder aufbauen und begann mit moderner Önologie, wie etwa dem biologischen Säureabbau.

So war es logisch, dass gerade das Weingut Jamek nach dem Weinskandal von internationalen Journalisten angesteuert wurde, die sich hier Auskunft über die Zukunft aber auch über die Vergangenheit österreichischen Weins einholten. Sie gingen mit Jamek in den Keller und holten dreißig Jahre alten trockenen Wein ans Tageslicht, der in nahezu perfekter Kondition war. Damit stand fest, welche Möglichkeiten Wachauer Wein hatte. Und dass Jamek auf dem richtigen Pferd saß.

1996 übergab Josef Jamek das Ruder an seine Tochter Jutta und an seinen Schwiegersohn Hans Altmann. Gerade Altmann war damals schon in den „besten Jahren“, also deutlich älter als andere Töchter und Söhne, die die Betriebe ihrer Eltern schon zehn Jahre davor übernommen hatten.

Doch die späte Übernahme hatte den Vorteil, dass Altmann dem Weingut Jamek eine Revolution ersparte, eine Neuausrichtung, die damals vielleicht – der Zeit geschuldet – als notwendig erschien, aber im heutigen Licht wohl etwas ausgelöscht hätte, was hier noch brennt. Das Feuer tradierten Weinbaus, der sich auf das verlässt, was er sicher kann. Keine Experimente – wie Adenauer einst im Wahlkampf plakatieren ließ.

So trinkt man Altmanns Rieslinge (die heute längst auch von seinen Söhnen beeinflusst werden) aus der Lage „Klaus“ und kann gewiss sein, einen eigenen österreichischen Rieslingstil im Glas zu finden, den es in Deutschland nicht gibt. Mineralisch zwar, aber eine Spur fetter, weniger furztrocken und ein bisschen vielschichtiger und verspielter. Typisch österreichisch halt. Das Gleiche gilt für die bekannten Veltliner aus der grandiosen Lage Achleiten.

Die Weine von Jamek sind Botschafter einer alten Weinepoche. Sie transportieren aber auch eine periodische Erneuerung, die ohne dem Gestus der Revolte auskommt. Grandiose Werke, zeitlos, wohlschmeckend und lange lagerfähig. Und wer bei Jamek in der Wachau vorbeischauen will: Es gibt Gästezimmer und ein grandioses Wirtshaus. Wohl der beste Rahmen für diese Weine. Und eine Zeitreise, die man nicht mehr lange antreten wird können.

 

Datum: 22.10.2013 (Update 16.12.2016)
 

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