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Wenn die Maate bechern, geht gerne mal ein Glas zu Bruch. Dutzende im Monat. Trotzdem ist das Standardglas am Schiff verpönt. Warum? Will man Wein richtig riechen und schmecken, braucht es gute Spezialgläser.
Schnell mal eine Reise in das Gestern, eine Reise zum Senfglas, das ein Leser in einem Kommentar neulich lobte. Das Senfglas als Behälter für Wein, das gibt es heute noch in Frankreich. Mit Wein abgefüllte Senfgläser im Supermarkt. Ein Weißer. Ein Roter. Das reicht.
Ich nenne das die „Handke-Romantik“. Der Kärntner Schriftsteller Peter Handke lobte in seinem ersten Serbien-Buch die ehrlichen Weine der ärmlichen Bauern. Getrunken aus einfachen Senfgläsern. In dieser Lobrede des Einfachen liegt eine Verachtung für Hochkultur und das diese Hochkultur transportierende Bürgertum verborgen. Es ist die Suche nach der Vollständigkeit im Einfachen. Die hat jeder von uns mitgemacht. Und entweder abgelegt. Oder – wie Handke – zu seinem Lebensmotto erkoren.
Wer wissen will, wie einfach Glaskultur heute noch sein kann, der muss nur ein altes und traditionelles Pariser Bistro aufsuchen. Dort hält man auch für etwas bessere Weine meistens nur kleine und plumpe Gläser bereit. Frankreich ist in Sachen Glaskultur auf Steinzeitniveau. Und bevor mich der eine oder andere Leser nun wieder der präpotenten Simplifizierung bezichtigt: Ja, es gibt Ausnahmen. Und ja: Sie werden mehr.
Man braucht mehr Gläser, als man denkt
Die Glaskultur der Weingläser wie wir sie heute kennen, wurde in Österreich entwickelt. In Kufstein, an der bayrischen Grenze. Mit der Entwicklung des Sorten- und Regionenglases stiegen die dortigen Glasbläser eine zeitlang zu den wichtigsten Europas auf. Bis andere deutsche Glasbläser dem Beispiel folgten. Deutsche und österreichischen Manufakturen stellen heute die besten Weingläser der Welt her.
Doch mit dieser Revolution der Glasbläserei kam auch eine irre Vielfalt neuer Gläser auf den Markt. Man kam mit dem Kaufen gar nicht nach. Und dann gab es noch große Weinpersönlichkeiten, die ihre eigenen, sehr individuelle Gläserserien auf den Markt brachten. Diese Gläser waren toll, hatten aber neben ihrem exorbitanten Preis den gravierenden Nachteil, dass sie im Spüler kaputtgingen. Oder beim Polieren. Was für eine Verschwendung.
So begann der Siegeszug des Universalglas. Meist mit dickem Stiel. Und etwas dickeren Wänden. Dieses Glas ist ein enormer Fortschritt zum Senfglas. Aber auch ein enormer Rückschritt zur Glasvielfalt, wie sie schon einmal in den Restaurants zu sehen war. Unbestritten reichen zwei Universalgläser (für Rot und Weißweine) für die meisten Gelegenheiten. Doch wer einmal Sauvignon aus dem für diese Sorte entwickelten Sauvignonglas getrunken hat, der wird wissen, was verloren geht.
Und Vorsicht beim Polieren
Ich habe deswegen die ganze Serie behalten. Und kaufe jedes zerbrochene Glas nach. Beispielsweise das Syrah-Glas (oder Shiraz-Glas), das ich erst vor wenigen Monaten für mich entdeckt habe. Es hat ein ähnliches Bauchvolumen, wie das ständig in Gebrauch befindliche Bordeaux-Glas, ist aber etwas schmäler und hat eine engere Öffnung für Mund und Nase. Dadurch wird der Wein meist floraler, säuregeprägter. Und auch jünger. Meinem Empfinden nach.
Interessant auch das kleine Tempranillo-Glas, das mir manche spanischen Crianzas erst richtig vergnüglich machte. Zuvor, im Bordeauxglas, wirkten diese Spanier eher flach und einfach. Genial ist das Riesling-Gand-Cru-Glas, das gewichtige Rieslinge bei der Entfaltung ihrer Wucht unterstützt. Und meiner Nase jede Menge vom Terroir und der Unterschiedlichkeit der Regionen erzählt. Jede Menge mehr, als es das artverwandte Chardonnay-Glas tat, das ich bis vor wenigen Monaten aus Faulheit als universelles Weißweinglas einsetzte.
Und vom Sauvignonglas habe ich schon vorgeschwärmt. Das ist eine richtige Entdeckung, vor allem, weil diese Traube in Deutschland immer mehr an Bedeutung gewinnt.
Brunelloglas – braucht man das?
Interessant ist es aber auch, den gleichen Wein in ähnlichen Gläsern zu kosten. Also einen Bordeaux nicht nur aus einem Bordeauxglas, sondern auch aus einem Tempranillo,- Syrah,- Brunello,- oder Burgunderglas zu trinken. Es werden fünf verschiedene Weine sein. Und man erkennt, was das richtige Glas ausmacht. Oder man erkennt, dass einem der Bordeaux eigentlich im Brunello-Glas am besten schmeckt. Geht zumindest mir so.
Ich behaupte, dass sich die Vereinfachung der Glaskultur, die Reduktion auf zwei Standardgläser, negativ auf das Trinkvergnügen auswirkt. Nein, man braucht keine wichtigtuerischen Glasbatterien; man braucht aber ein paar Gläser mehr, als die zwei, die man inzwischen fast in jedem Haushalt findet. Man braucht viele verschiedene Weingläser, um ein anderes Universum zu betreten. Ich halte das für die billigste Methode, sich von Planeten zu Planeten zu beamen.
PS: Im Forum der „Zeit“ gab es Mutmaßungen, bei diesem Beitrag handle es sich um eine bezahlte Einschaltung der Kufsteiner Glasindustrie. Dies ist freilich nicht der Fall. Der Captain wünscht sie eine robuste und erschwingliche Serie spezifischer Gläser. Was hier am Schiff zu Bruch geht, belastet die Haushaltskasse in inzwischen unhaltbarem Ausmaß…
Kurz nachgefragt: wie ist das Spannungsverhältnis zwischen Rebsorte und Herkunft bezogen auf das Glas?
Ist es vorstellbar, dass einen DOC, DAC … eine eigenes Glas entwickelt um die Herkunft (Terroir) bestmöglich zum Ausdruck zu bringen? Etwas eine Leithaberg Glas (weiß/rot)
Weine für einzelne Appellationen? ….. braucht man sich gar nicht vorzustellen, denn Riedel hat das schon mehrfach gemacht. Glas für Chianti Classico, Glas für Syrah von der Rhône, Glas für Brunello etc. Wer mir aber einreden will, diesen Mülle brauche man wirklich, den halte ich für entweder bezahlt oder einfach ein wenig überdreht.
Ich rede bestimmt nicht den Franzosen das Wort, die Pétrus auch gerne im Wasserglas trinken, und selbst auf einem der berühmtesten Weingüter Deutschlands musste ich schon tausende Euro teure Auslesequalitäten in Weinfest-Gläsern (eine Art Miniaturwassergläser) probieren.
Aber zwei oder drei Glastypen reichen völlig aus, und die Behauptung, es müssten unbedingt die teuren sein, die, die beim ersten Anfassen zerbrechen, ist nichts als billige Propaganda für die Glasindustrie.
Follow up: müßte es nicht reichen diese Ausdifferenzierung wieder auf Gläser nach Weintypus zurückzuführen.
Also etwa ein Glas für junge Weißweine, eines für alte bzw. höhere Qualitäten und entsprechend dann für Rotweine. Ansonsten erhöht sich der Glasverbrauch ja wirklich dramatisch und die Küchenmöbelhersteller müssen kreativ werden.
Biergläser entsorgen und aus der Flasche trinken, schafft kurzfristig Platz
Für Syrah und Shiraz nur ein Glas???
Na ja, daran kann man noch arbeiten. Vielleicht kommt die Firma aus Kufstein ja auch noch auf den Dreh, dass ein Glas pro Appellation nicht reicht: Eines für Syrah von der nördlichen Rhône, eines für die südliche, eines für jedes Prozent Alkohol, eines für je 10 % neue Barriques im Ausbau …. die Möglichkeiten sind unendlich!
Nörgelt nur alle rum. Ich freue mich über meine 7 verschiedenen Gläser, schütte die Weine hin und her und hab Spaß am Riechen (wie damals beim Klebstoff)..
Hat der Captain nicht an anderer Stelle laut geäußert, dass das Gläserbrimborium tendenziell übertrieben wird und man mit einem Klassiker wie z.B. dem Chianti-Glas von Riedel doch schon sehr, sehr weit kommt?
Ah! Glue sniffer?? Jetzt hab ich’s kapiert 🙂
… wohl auch noch mit Billigkleber von Aldi, Billa oder was weiß ich ??
Wenn ich den Captain richtig verstanden hab, hat er nicht gesagt, dass man für jeden Wein das jeweilige Glas benötigt, noch dass es aus Kufstein sein muss. Er schreibt doch klar, dass es einfach Spaß macht, einen Bordeaux mal eben auch aus einem Syrah oder einem Brunello-Glas zu probieren, um so aus einer Flasche gleich mehrere Sinneseindrücke zu machen.
Und wenn ich so statt 3 Flaschen nur eine aufmachen muss, hat sich die Investition doch wieder gelohnt. Spielfreude ist angesagt und das nicht nur beim Fußball… (Wie man sich denken kann, gehe ich darin mit dem Captain konform… ausnahmsweise!)
Moinsen,
welche Riedel Glas meint ihr denn als gute Zwischenlösung (ohne jetzt hier eine Werbung ins Rollen bringen zu wollen)? Riedel Zinfandel Chianti Classico 4400/15 Sommeliers oder Riedel Sommeliers Riesling Grand Cru / Chianto Classico ? Natürlich bin ich über jegliche Tipps unterhalb dieser Preisklasse auch dankbar 🙂
ich/wir trinken unsere weine – egal ob rot oder weiss – aus dem
Spieglau-glas Willsberger Collection Bordeaux
und man/frau schmeckt den unterschied zu einem „normalen glas“
na da muss ich meinen Senf doch auch dazu geben, wo ich doch gestern erst wieder zwei Riedel Sommeliers der Kragen abgedreht habe!!!
Ich kann Herrn Supp nur Recht geben; drei Gläser reichen völlig aus – zur scharfen Verkostung ist das Riesling / Chianti aus der Sommelierserie für mich unübertroffen. Vielleicht sollte man nicht nur den Wein blind testen, sondern auch mal die verschiedenen Gläser die es gibt einer Blindprobe unterziehen – also Augenklappe weg und Augenbinde auf an alle Matrosen und solche die es nicht werden wollen; so und jetzt geb ich mir nen Sauvignon Blanc von den öschis aus dem Essiggurkenglas………….