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Die Eckdaten zum österreichischen Mittelburgenland sind schnell runtergespult. Es stehen dort ca. 2.300 Hektar Rebfläche unter Ertrag, zum Großteil mit roten Rebsorten, über 50 % von jenen macht die Sorte Blaufränkisch aus – Österreichs Stolz seit einem gefühlten Jahrzehnt. Und das völlig zu Recht.
In keiner anderen österreichischen Region wird ein höherer Anteil dieser Rebsorte geerntet. Im Mittelburgenland ist sie das Aushängeschild der Region. Fuchsige Marketingschlaumeier haben der Gegend zügig das Prädikat „Blaufränkischland“ übergestülpt.
Eigentlich ist das Mittelburgenland landschaftlich etwas langweilig. Es hat keine imposanten Steillagen und auch keinen Blick auf die Lacke Neusiedlersee. Die Dörfer sind eher schläfrig, wenig Reisende verirren sich hierhin. Die touristischen Epizentren liegen weiter nördlich oder südlich. Sie sind spektakulärer, lieblicher, fürs Auge schneller verständlich. Am Mittelburgenland fährt man gern vorbei. Außer, man ist unterwegs in Sachen Rotwein.
Lehm. Doch dann verkalkt.
Vorherrschend schwere Lehmböden. Sie sollen für die besondere Würze der Blaufränkischweine verantwortlich sein. Jungwinzer Stefan-David Wellanschitz ist aber im Besitz von Lagen, die sich nicht durch Lehm auszeichnen, sondern durch festen Muschelkalk. Eine Seltenheit im Mittelburgenland. Was macht er draus? Viel. Und vor allem etwas Sonderbares.
Kalk- und Lehmböden verhalten sich wie Katz und Maus. Kalkböden stehen für die filigraneren, verspielteren Weine und sind mineralischer. Berühmtes Beispiel gefällig? Chardonnay in der Bourgogne, der auf den dortigen Kalkböden eine prächtige Figur abgibt. Oft kopiert, nie erreicht. Der Captain kann tausend Lieder davon singen. In seiner allgegenwärtigen Coche-Dury-Matrix.
Total verkalkt.
Stefan-David Wellanschitz weiß den seltenen Kalk zu schätzen und hat 2011 erstmals einen Weißburgunder aus der 3,5 Hektar großen Kalklage „Hussi“ gekeltert. Das ist nicht logisch, denken Wellanschitz-Trinker, denn Hussi ist eigentlich eine klassische Blaufränkischanlage, gepflanzt vom Großvater. Das war Anfang der 60er Jahre. Stimmt. Doch der Opa hat aber neben den Blaufränkischreben noch unregelmäßig Weißburgunderstöcke in die Reihen gesetzt.
Auch mehr als fünfzig Jahre später kann sich sein Enkel die ungewöhnliche Aktion seines Großvaters nicht erklären. „Bisher sind diese Weißburgundtrauben dem hauseigenen Sekt beigemengt worden“, sagt er. Bis 2011 der erste Weißwein aus dem Hussi gekeltert wurde. Alleine seine Verantwortung. Es gibt ja auch nur knapp 700 Flaschen.
Die Trauben für diesen Weißburgunder wurden Anfang Oktober frühmorgens bei kühlen Temperaturen gelesen. Es folgten 24 Stunden Maischestandzeit. Und warten, bis die spontane Vergärung einsetzt. Für den weiteren Ausbau verwendete Wellanschitz ein 500 Liter-Eichenholzfass. Kellertechnisch keine Avantgarde.
Der unfertige Wein wurde bis zum Frühjahr auf der Hefe gelassen, dezent geschwefelt und dann unfiltriert in die Flaschen gefüllt. 637 Gebinde – alle auf dem Etikett durchnummeriert. Meines trägt die Nr. 404. Jetzt ist es fast leer.
Für diesen ungewöhnlichen Weißwein schnappe ich mir instinktiv das große, bauchige Burgunderglas. Wie gesagt: unfiltriert. Da landet auch ein wenig Bodensatz im Glas, scheißegal und harmlos. Der Wein zeigt eine zitronengelber Farbe. Ich schwenke und rieche. Ein ganzer Strauß Düfte schießt in die Nase: intensive Blumenwiese, weißer Plattpfirsich, dazu dunkler Balsamicoessig. Dazu duftige Würze an holländischen Halfzware-Drehtabak, fast rauchig. Danach ein angespitzter Bleistift. Der erste Schluck im Mund offenbart dichte, kalkig-mineralische Noten. Ich atme den Schluck im Mund, vermenge ihn mit Luft. Wieder Kalk, wieder dieses Grafit.
Holz. Welches Holz?
Auffällig der gekonnte Holzeinsatz. Zwar jung und noch nicht perfekt eingebunden, doch ohne Zweifel wird sich das mit zunehmender Reife erledigen. Die Länge ist beeindruckend. Imposant, dicht, würzig. Fleisch meets Seidentofu. Dieser ganze Stoff zeigt sich beständig komplex, mit einer ganz eigenen Handschrift. Österreichweit sehe ich auf ersten Blick keinen zweiten Weißburgunder, der in ähnliche Kerben haut. Kellerreife ist ein kann, Luftzufuhr hingegen ein muss. Seinen besten Zustand hatte er nach 24h bei geöffneter Flasche. Über Nacht konnte er nochmals zulegen.
Ich ziehe meinen Hut vor diesem Wein. Und vor David-Stefan Wellanschitz, der es vollbracht hat, einen Vorzeigeweißwein für das ganze Mittelburgenland zu keltern. Aus einer Lage, die eigentlich keine Weißweinlage ist. Und aus einer Region, die sich als reines Rotweinland schmückt.
Was sagt der Captain?
Nach dem Schlusswort von Maat Golenia meldet sich der Captain zu Wort, der diesen Wein zeitgleich getrunken hat (Flasche 491 oder so). In der Nase gleich ein fester Pfirsich, etwas rau. Kann sein, dass das Raue der Spontiton ist. Einen solchen Pfirsich hat der Captain bei einem spontanvergorenen Wein jedoch noch nie gerochen. Der Pfirsich bleibt genau fünf Minuten und verschwindet dann sehr schnell in den Hintergrund.
Danach Grafit, nasse Kalkwand, etwas Ananas, auch ein klein wenig Brioche, gering Schachtelhalme und ein klein wenig Karamell (wohl vom Holz). Im Mund kräftig, ohne zu übertreiben. Wunderbare Säure, sehr lebendig, schnell am Punkt, den er lange, lange hält. Kann man jetzt schon schön trinken. Und – im Gegensatz zu Maat Golenia – notiert der Captain wenig bis kein merkbares Holz. Also eigentlich perfektes Holz.
Alkohol. Welcher Alkohol?
Hintennach weiter dicht gewoben, aber dann doch ein klein bisschen weniger „lecker“ als angenommen. Die 14 % Alkohol (die wohl ein bisschen mehr sind) fallen nicht eine Sekunde auf. Auch das perfekt. Fazit: Einer der besseren „großen“ Weißweine aus Österreich. Und sicher der beste Weißburgunder.
- Weißer Burgunder, Muschelkalk Alte Reben vom Weingut Wellanschitz für 28,00 Euro.
So, so – der Captain hasst Sinatra – ist was seit letztem Dezember dazwischen gekommen?
https://www.captaincork.com/Weine/Rotwein/Chateau-Cissac-2007-Bordeaux-Kauftipp
In dem Video fand ich den Frankie geradezu genial – stimmungsvoll, mitreißend, toll- hat mir außerordentlich gut gefallen. 🙂
auf den Punkt geschrieben. Prächtiger Wein, die Leute sind richtig und der Autor hat es eingefangen. Manchmal ertappe ich mich dabei sowas wie Sympathie für den breitbeinigen Maat zu empfinden. Ich werd alt, und milde. Danke für den Text.
Und hört viel Frankyboy Sinatra. Der Captain mag das sehr. http://www.youtube.com/watch?v=nC8in1DeWdQ
Hussi: http://weinlagen-info.de/#lage_id=3662
Ein anspruchsvoller Weißburgunder also, der auch ohne Essen Spaß macht? Dann wohl ein seltenes Exemplar. Klingt interessant.
Ruhig, Eschenauer und trink weiter Deine leichten Fruchtsaftschorlen von der Mosel. Das hier ist was für Männer!
herr andy schmidt,
ich habe selten solchen unsinn gelesen; es gibt in JEDER weinbauregion österreichs gute weine zu trinken, und das mittelburgenland ist ( fast) auschließlich für seine weine berühmt ( sieht man von franz liszt, der sonnenlandtherme, den burgen und schlössern, der wunderbaren landschaft und den äußerst netten leuten ab).
und bei den weinen mein ich nicht nur die wellanschitz-weine ( die aber auch), sondern vielen namhafte ( gesellmann, heinrich, igler, weninger, iby, lehrner, tesch,weber, prickler, kerschbaum,gager,reumann, undundundundund) und ebenso spannende weine von unbekannten winzern, die nicht nur genießbar, sondern ausgezeichnet sind.
ja, und in der von ihnen empfohlenen region neusiedlersee gibts einen winzer, der mit seinen blaufränkischen weltweit furore macht: r. velich mit moric ( die trauben kommen aus dem mittelburgenland: neckenmarkt und lutzmannsburg)
vielleicht sollten sie sich über das mittelburgenland informieren, bevor sie einen kommentar abgeben.