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In den letzten Tagen wird sich hier am Schiff und anderswo viel über Burgunder verschiedensten Zuschnitts gestritten. Dabei geht es nicht nur um Rebsorten aus der Burgunderfamilie, also Weiß-, Grau-, Früh- oder Spätburgunder, sondern natürlich auch um Weine aus dem Burgund. Und Weine aus dem Burgund sind „burgundisch“ – soweit kann man sich an Bord meist einigen.
Schwierig wird es aber dann, wenn dasselbe Adjektiv für Weine außerhalb des Burgunds verwendet wird. Da ist der Krawall bereits vorprogrammiert. Worum geht es eigentlich, wenn irgendein Verkoster, Blogger oder Winzer einen Wein als „burgundisch“ umschreibt? Wie bei so vielen Begriffen der Weinsprache stelle ich auch hier fest, dass über die Begriffsextension alles andere als Einigkeit herrscht.
Jeder weiß alles besser!
Die allerwenigsten Leser, Kommentierer und Kollegen hindert dies freilich daran, ihre eigene Lesart des Begriffs der gesamten Debatte überzustülpen und sich dann zu teils haarsträubenden Urteilen über die Sinnhaftigkeit seiner Verwendung aufzuschwingen.
Ein kleines bisschen verhält es sich dabei wie mit der elenden Verschlussdebatte: viele Menschen reden darüber, aber die wenigsten miteinander – eine gemeinsame Diskussionsgrundlage gibt es auch hier in den seltensten Fällen. Versuchen wir also zunächst einmal zu sichten, worauf man sich überhaupt beziehen kann, wenn man von „burgundischem“ Wein spricht.
Da wäre zunächst die Rebsorte. Für viele kann „burgundisch“ nur sein, was aus Pinot Noir oder Chardonnay besteht. Konsequenterweise müsste dann aber auch jeder Chardonnay aus dem Friaul oder dem Burgenland als „burgundisch“ gelten.
Traubensorte, Boden, Holz – wat denn nu?
Andere hingegen wollen ausschließlich den Boden als Kriterium für „burgundische“ Weine gelten lassen. Ihnen zu folgen, hieße Weine von muschelkalkdominierten Böden zu präferieren und alles andere abzulehnen. Auch wenn in Burgund alles andere als homogene Bodenverhältnisse herrschen.
Eine dritte Gruppe macht Art und Menge des Holzeinsatzes oder die verwendeten Fässer verantwortlich für die Burgundertypizität. Ihrer Meinung nach kann man also aus jeder beliebigen Rebsorte von jedem beliebigen Boden „burgundische“ Weine keltern, wenn man nur bei Ausbau im Fass alles richtig macht.
Auch wenn die genannten Positionen selten in der dargestellten Absolutheit vertreten werden, kann man sie im Großen und Ganzen doch als Meinungstendenzen so stehen lassen. Und natürlich haben alle drei Ansichten gleichzeitig Recht und Unrecht. Für praktikabler – wenngleich eine ganze Ecke esoterischer – halte ich dagegen den Gedanken, dass „burgundisch“ kein fixes Merkmalsbündel ist, sondern vielmehr eine Idee. Eine ganz besondere Art nämlich, dem Wein ein Vokabular aus ganz spezifischer und unzweideutiger Würze, Kraft und unvergleichlich eleganter Tiefe mitzugeben.
Und auch reichlich Potential. Potential zum Altern, aber auch zum Polarisieren. Denn beides können „burgundische“ Weine wie kaum ein anderer Weinstil. Dieses Vokabular ist in der Praxis erstaunlich unabhängig von Rebsorten, Böden, Fässern oder Winzern – ich habe sogar schon österreichische Chardonnays aus reinem Stahltank-Ausbau getrunken, die nach einigen Jahren dieses „burgundische“ in sich trugen. Über einen davon wird es an dieser Stelle demnächst zu lesen geben.
Schluss mit dem Klugscheissen…
Diese Lesart des Streitthemas „burgundisch oder nicht“ zu akzeptieren heißt freilich, sich vom bundesdeutschen Faktendenken ein ganzes Stück loszusagen, weniger zu beweisen und mehr zu fühlen. Jetzt auch Schluss mit dem Klugscheißen. Lieber was „Burgundisches“ trinken. Demnächst mehr.
Für mich ist Burgundizität mit der Zeit ein ähnlich schwieriges und streitbares Konzept geworden, wie etwa das vielzitierte Terroir oder die Spontangärung. Jeder versteht etwas anders darunter und doch sind sich alle darin einig, dass die eigene Meinung die einzig gangbare sei. Bleibt nur zu hoffen, dass keine der Debatten dem einzelnen zu sehr bei dem im Weg steht, was eigentlich Hauptgrund fürs Trinken von und Reden über Wein sein sollte – beim Genuss. Der Captain ist da ja nahe dran.
Für mich war das eigentlich immer klar:
„burgundisch“ war ein Wein, der eher über die Struktur faszieniert. Ein Wein mit einer betonten und denoch kunstvollen Säure. Ein Wein, der durch maßvollen Holzfassausbau fasziniert. Weine, die sich trauen nicht mit Überreife sondern mit Eleganz zu prunken.
Eher Charlotte Gainsbourg als Monica Bellucci.
hallo captain, interessant wäre wirklich das thema säure und überreife hier einzubinden. viele deutsche winzer die gute pinots machen wollen verschreiben sich immer mehr der frische und eleganz, für uns ist das der stilprägende faktor in burgund. das kann auch jeder erschmecken, etwas mehr tannin, etwas mehr feine säure, richtig viel elegante, heimische frucht. (aufzählung erhebt keinen absoluten anspruch)
Ähnlich wie Master of Arms meine ich, „burgundisch“ ist ein Wein dessen Kraft in der Mitte liegt, in der Textur, im Mundgefühl. Dieses als Kontrast zu dem „deutschen“ Konzept des „Spiels“.
Wie auch immer man das mit dem „burgundisch“ meint, mir scheint, es ist immer als Gegensatz zu etwas anderem verwendet, so, als würde man „burgundisch“ zu einem Wein der nicht aus dem Burgund kommt sagen um ihn von den dem zu Unterscheiden, was man bei dem Wein erwarten würde. Etwa so: diesen Barolo nenne ich burgundisch, weil er weniger hart, weniger derb, eleganter ist als man einen Barolo erwarten würde. Oder wie oben auf den Riesling bezogen.