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Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Sollte auch nicht mehr erhältlich sein. Eigentlich...
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Warum sind die besten Weine des Landes jahrelang noch im Handel erhältlich? Wo sind die Sammler und Trinker? Was lässt Deutsche so ungern nach deutschen Weinen greifen?
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Angenommen ich will einen Riesling Singerriedl Smaragd, Jahrgang von Franz Hirtzberger aus der Wachau kaufen, ein Premiumwein aus Österreich. Von einem Winzer, der sozusagen eine nationale Institution ist.

Werde ich diesen Wein bekommen? Ja, ich kann ihn online kaufen. Wo kann ich ihn kaufen? Ich kann ihn in einem deutschen Onlineshop kaufen, denn in Österreich ist er längst ausverkauft. Wie viele andere österreichische Topweine auch. Eventuell hat Herr Fohringer in seiner gleichnamigen Wachauer Vinothek noch ein paar Flaschen lagern. Aber für österreichische Trinker empfiehlt sich der Rückimport aus Deutschland. Grotesk.

Die Spitze ist allzeit verfügbar…

Dabei ist 2009 schon drei Jahre her. Wenn ich aber einen deutschen Topwein aus diesem Jahrgang suche, werde ich nicht nur fündig, sondern auch noch etliche andere mehr bekommen. Zugegeben, nicht alle Großen Gewächse. Aber viele. Noch dazu zu einem höchst anständigen Preis, denn deutsche Spitzenweine sind immer noch vergleichsweise günstig.

Selbst einfache und anständige Gutsweine aus findet man noch im Handel. Gerade im Fall 2009 ist das ein Glück, denn die Kreszenzen kosten nicht viel und sind angealtert fast in perfekter Trinkreife. Das hat erst neulich ein Gutsriesling von Müller-Catoir bewiesen. Und ein einfacher Silvaner von Franz Keller.

Gut oder schlecht?

Gut also, dass es diese Weine noch gibt? Ja, sicher. Gut für uns Weinenthusiasten, die gerne gereifte Weine trinken und deshalb meistens angewiesen sind, für die Flaschenreife selber zu sorgen (und einen vollen Weinkeller zu haben). Gut deswegen, weil wir überraschenderweise immer Weine bekommen, die schon ein gewisses Alter haben. Und gut auch, dass Weine, die uns ausgegangen sind, so einfach nachzubestellen sind. Und das, obwohl diese Weine oft nur in geringer Stückzahl aufgelegt wurden.

Gut für uns. Okay. Aber gut für den deutschen Wein? Was sagt uns das, wenn die besten deutschen Weine im Handel nicht ausverkauft sind? Halten die Händler Flaschen zurück? Mitunter ja, wenn sie richtig fanatische Weinenthusiasten sind. Doch die beste Flasche Wein ist die verkaufte Flasche Wein. Und so manche Flasche verkauft sich nicht. Oder nicht so schnell. Das ist grotesk.

Große Gewächse? Nie gehört…

Umfrage im Bekanntenkreis. Allesamt große Weintrinker, alle Mitte Vierzig, alle in gutem Einkommen. Was ist ein „Großes Gewächs“. Die Mehrzahl fantasiert, weiß es also nicht. Wer sind die bedeutendsten deutschen Winzer? Weil und Vollrads. Aha! Da ist wohl gründlich was schief gegangen.

Wer muss sich in sein Stammbuch schreiben, dass er für die Unwissenheit deutscher Weintrinker über die Winzer des eigenen Landes verantwortlich ist?

Etwa die Weinpresse? Die Weinhändler, die – wie hier im Bezirk Prenzlauer Berg – oft den hintersten katalanischen Biowein importieren und mit deutscher Ware nichts am Hut haben wollen?

Nein! Ich will kein nationales Getue. Schon gar nicht um Wein. Aber es ist keine Schande, dass der österreichische Weintrinker zuerst mal die besten und bedeutendsten Namen des eigenen Landes aufzählen kann.

Aha, wieder die deutsche Scham…

Es liegt am fehlenden Stolz. Deutschland und der deutsche Weintrinker sind nicht stolz auf ihre Winzer. Ihre Erfolge werden vermeldet, wie Erfolge aus der Autoindustrie. Steigende Exportzahlen werden erfreut zur Kenntnis genommen, aber nicht ihr Grund – die Genialität vieler deutscher Weine, ihre oft einzigartige Mineralität, Frische und Individualität. Das bekommt man im Ausland eher mit. Selbst im stets eifersüchtigen Österreich, wo der Import deutscher Rieslinge von Jahr zu Jahr zunimmt.

Es liegt am Zugang. Deutsche Weinforen, selbst die beherztesten, schreiben immer noch über Wein, als stehe die Analyse vor dem Saufgenuss. Nicht, dass dies schlecht wäre, denn nirgendwo wird so klar und ehrlich über Wein verhandelt, wie in Deutschland. Aber in keinem Weinforum wird der Genuss greifbar gemacht. Schon gar nicht im größten Weinforum, das so schrecklich hässlich ist. Kaum zu glauben, dass man sich hier über ein lebensbejahendes, schönes Getränk austauscht.

Kein Vordringen in Weintrinkerseelen

Und deswegen dringt italienischer und französischer, selbst spanischer, portugiesischer und auch österreichischer Wein immer noch tiefer in deutsche Weintrinkerseelen vor, als deutscher Wein. Weil damit Leben, Saufen und Lieben verbunden ist. Und nicht nur darüber Referate halten. Der deutsche Wein hat kein Qualitätsproblem, er hat ein Sinnlichkeitsproblem.

Die Klientel vor der eigenen Haustür wird in Deutschland kaum abgeholt. Zugegeben, es wird besser. Aber das ist nicht der Verdienst irgendwelcher Weinpunks, sondern Konsumenten zu verdanken, die sich öffnen. Und sich die Sinnlichkeit selber zaubern.

Erst als Mangelware erfolgreich

Und wir? Wir müssen uns eine Wahrheit eingestehen. Deutscher Wein ist erst dann richtig erfolgreich, wenn Leute wie wir ihn nicht mehr so einfach kaufen können. Wenn wir vorbestellen müssen. Wenn wir bunkern müssen. Wie die Österreicher auch. Dann wird es auch eine zweite Reihe geben, die schneller zur ersten aufschließt. Dann trägt der Erfolg Früchte. Und die Szene bleibt vielfältig. Wenn ich aber von neuen und sehr, sehr guten Winzern höre, die finanzielle Probleme haben, dann läuft was falsch in diesem Land. Nicht wenig sogar.

 

Datum: 10.3.2013 (Update 16.1.2015)
 

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