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Warum ich keinen koscheren Wein mehr mache

Winzer Maximilian von Kunow.
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Mosel-Winzer Maximilian von Kunow erzeugte aufwendig koscheren Riesling und verkaufte bis nach New York. Dann hörte er damit auf. Der Captain wollte wissen warum. Und erfuhr Bedenkliches.
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Der Captain hörte von einem koscheren Riesling, der an der Mosel entsteht und wurde neugierig. Leider zu spät. Das Projekt ist eingestellt. Die restlichen Flaschen werden verkauft. Das klingt traurig und bedarf der Klärung, dachte sich der Captain und rief Winzer Maximilian von Kunow an, der das Familienweingut von Hövel in Konz leitet.

Koscherer Riesling – das gab es schon lange nicht mehr. Bis Maximilian von Kunow die Initiative ergriff. Fünf Mal im Jahr reiste ein Rabbiner-Team aus Luxemburg nach Konz und übernahm die Weinbereitung. Schläuche, Pressen, Tanks und Werkzeuge wurden nach strengen Vorschriften und Riten gereinigt. Sämtliche Arbeitsschritte, also Pressen, Filtrieren und Abfüllen musste im Verborgenen geschehen, geschützt vor den Blicken weltlicher Personen. Sogar Probieren und Etikettieren blieb ausschließlich den Rabbis vorbehalten. Jeder önologische Handgrifff wurde mit Maximilian von Kunow detailliert abgesprochen. Es erfordert dennoch gute Nerven, das alles geschehen zu lassen, ohne selbst eingreifen zu dürfen.

Herr von Kunow, was ist passiert? Ich rede eigentlich nicht so gerne darüber. Aber ich bin froh, dass ich diese Lebenserfahrung gemacht habe. In 60 Vorträgen erklärte ich, was es bedeutet, koscheren Wein zu machen. Aufklärung ist wichtig.

Dennoch ist das Abenteuer vorüber. Was hat Sie bewogen aufzuhören? Da kamen mehrere Gründe zusammen. Diesen Wein herzustellen ist ein riesiger Aufwand. Er wurde von den Verkostern auch sehr gut bewertet. Doch leider ist für einen religiös eingesetzten Wein im weißen Bereich die Preistoleranz sehr gering. Bei koscheren Rotweinen ist das anders. Da werden faire Preise bezahlt, die den Aufwand sinnvoll erscheinen lassen. Es gibt erfolgreiche Beispiele aus Spanien, dem Piemont und Israel.

War es nur das Geld? Nein, meine Lebenssituation hat sich geändert. Als ich das Projekt mit dem Winzer Nik Weis startete, war ich ungebunden. Heute sind wir eine Familie mit kleiner Tochter. Und wenn man koscheren Wein produziert, zählt man automatisch mitsamt der Familie zu den gefährdeten Personen. Als ich im SWR ein Interview über die Zusammenarbeit mit der jüdischen Gemeinde gab, hieß es nachher im Ort: „Der arbeitet mit den Juden.“ Das muss nicht zwingend antisemitisch gemeint gewesen sein, aber ein komisches Gefühl entsteht trotzdem. Man wird sofort in eine politische Ecke gestellt.

Schon vor der Machtergreifung der Nazis arbeitete die Familie von Kunow mit jüdischen Weinhändlern zusammen. Nach dem Krieg nahm einer davon sofort die Zusammenarbeit wieder auf. Es war das Handelshaus O.W.Loeb in London, das heute noch existiert, sehr bedeutend ist und 1874 in Trier gegründet wurde. Die Eigentümer verließen gerade noch rechtzeitig Deutschland und starteten von England aus neu.

Gemeinsam mit lokalen Partnern aus der jüdischen Gemeinde gründeten Weis und von Kunow das Unternehmen „Gefen Ha Shalom“ – die Friedensrebe“. Die Zertifizierung als koscher arbeitender Betrieb wurde nach umfangreicher Prüfung erteilt. Und so schmeckt der Gefen Hashalom Saar Riesling Kabinett trocken vom Weingut von Hövel: Im Glas sattes Gelb. In der Nase sehr reife Petrolnoten und Rhabarber-Birnen-Kompott, dann Stachelbeere, einen Hauch mildes Sauerkraut, Orangenabrieb. Im Mund Geräuchertes, mittlere, aber sehr frische Säure von Orange und Grapefruit, etwas heller Honig. Leicht viskotisches Mundegfühl (ölig), schöne, konzentrierte Rieslingwürze von Zitrus-Bitternoten und ein bisschen erdig. Dass dieser Wein koscher ist, schmeckt man natürlich nicht, denn koscher ist kein Geschmack. Dieser Wein ist ein metaphysisches Trinkerlebnis. Wer es spüren will, muss sich beeilen. Es sind nicht mehr viele Flaschen da.

Dieser Artikel erschien erstmals am 9. November 2020, exakt 82 Jahre nach dem Auftakt der Novemberprogrome in Deutschland und Österreich gegen jüdische Bürger. Das Trierer Nationalblatt schrieb darüber am 11. November 1938:

So ist es denn auch in Trier und überall im Trierer Lande im Laufe der Nacht zum Donnerstag und in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages zu spontanen Kundgebungen gegen Juden gekommen, die zum Teil Zerstörung am jüdischen Besitz nach sich zogen. In Trier selbst wurden die Fensterscheiben jüdischer Geschäfte eingeschlagen, die Auslagen durcheinandergeworfen und auch die Einrichtungen zum Teil erheblich in Mitleidenschaft gezogen. … Auch in einzelne Privatwohnungen jüdischer Hetzer und Betrüger ist die Menge eingedrungen und hat auch hier die Wohnungen zum Teil zerstört. … Nicht Unterweltbanden haben Mord und Raubzüge im Schutz der Nacht veranstaltet, sondern eine verständliche und schon lange erwartete und berechtigte Erregung der deutschen Bevölkerung unserer Stadt … hat sich gegen verbrecherische Artfremde gewandt. …

Die Regeln zur Herstellung von koscherem Wein sind im Kashrut festgeschrieben. So heißen die jüdischen Speisegesetze. Koscher heißt rein oder geeignet. Die Kashrut-Vorschriften folgen dem Alten Testament, das für den Weinbau besonders strenge Regeln vorhält. In den Weinbergen dürfen kein Obst und Gemüse zwischen den Weinstöcken wachsen und die Trauben erst im vierten Jahr nach der Pflanzung verwendet werden. In der Weinbereitung sind nur männliche Juden erlaubt, die den Sabbat einhalten.

 

Datum: 9.11.2020 (Update 11.12.2021)
 

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