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Wachau: Riecht voll nach Mosel, ey!

Die Tür ist auf - also rein da. (Foto: Schmidl)
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Weingüter, die bisher wenig aufgefallen sind und mit eigener Handschrift überzeugen, mag Captains Maat Golenia am liebsten. Da ist der Jagdtrieb erst einmal gestillt. Wobei ein Wein ihn dann doch positiv verstört.
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Es sind solche großartigen Momente, die jeder Matrose sicher kennt. Man entdeckt einen Wein, der über Monate hinweg Eindruck macht. Vielleicht nicht unbedingt, weil es der große Überhammer war. Sondern weil er den gängigen Erwartungen so gar nicht entsprochen hat und dem Stil einer Region richtig in die Eier trat.

Diesen Wein hab ich für mich vor Monaten gefunden. Sonntags beim Wachauer Weinfrühling. Eine Veranstaltung, die der Maat übrigens all jenen zu empfehlen weiß, die in Sachen Wachau auf dem Laufenden gehalten werden möchten. Am ersten Maiwochenende öffnen so ziemlich alle Winzer dort ihre Tore, um ihren aktuellen Jahrgang der Weinwelt zu zeigen. Der Einsatz? Höfliches Fragen nach einem Gläschen Wein des Hauses. Ansonsten nichts.

Wachau und Ökos?

Über das Bioweingut Schmidl ist der Maat dann irgendwie durch Zufall gestolpert. Unterwegs mit Leihrad und froh, im touristenüberfüllten Dürnstein niemanden damit umgerempelt zu haben. Dann weiter zum Ortsausgang. „Bioweingut“ stand dort an einem gelben Gebäude. Und „Bio“ war zurückgedacht dann auch der Grund, warum ich dort hielt. So einfach aus Neugier. Denn eigentlich sind sich ökologischer Weinbau und Wachau einander nicht oft Freund. Warum Weine aufwendig im ökologischen Sinne erzeugen, wenn sie sich auch ohne Mehraufwand gut verkaufen lassen? Andere Regionen Österreichs sind da deutlich weiter. Eigentlich schnarcht die Wachau zum Thema biologischer Weinbau behäbig vor sich hin.

Unbewusst bin ich dort wohl gleich an die Richtige geraten: die junge Theresa Schmidl, Absolventin der Schule für Obst- und Weinbau. Weiterhin darf sie sich „Ingenieurin“ nennen. Gleichzeitig ist sie Kellermeisterin und verantwortlich für die biologische Ausrichtung des Weinguts, dass sie zu Beginn 2009 übernehmen durfte. Diese junge Frau ist also Herr im Haus. Raushängen lässt sie ihn allerdings nicht. Angenehm freundlich und etwas schüchtern steht sie im Verkostungsraum dem Maat Rede und Antwort. Und der hat so einige Fragen loszuwerden, ganz besonders nach zwei Weinen, die ihn nach der Verkostung sehr überrascht haben.

Arschkarte für dieses eine bestimmte Jahr…

Diese zwei Weine waren ausgerechnet noch aus 2010. Ein Jahr, das sich besonders in der Wachau bei den Basisqualitäten ziemlich unvorteilhaft zeigte. Dazu als Gegenentwurf: ein Riesling und ein Grüner Veltliner von Schmidl. Und verdammt noch mal, beide konnten was. Sie zeigten dem Arschjahr 2010 die Arschkarte.

Zunächst Schmidls Riesling Selection 2010. Mit dem ulkigen Lagennamen: „Küss den Pfennig“. Es ist eine kleine Teilriede des berühmten Kellerbergs bei Loiben. Frau Schmidl bewirtschaftet vom Pfennig noch nicht einmal einen halben Hektar. Gneis und Granit dort im Boden geben ihrem Riesling die nötige straffe Mineralität. Was diesen Wein erstmals aus der Reihe tanzen lässt, ist seine Bezeichnung: Riesling Selection. Die ansonsten nur in der Wachau gebräuchliche Kategorie Smaragd fehlt. Was ist da nur passiert?

Bleibt er stecken, ist der Smaragd futsch

Nachgefragt gibt Frau Schmidl unumwunden zu, dass ihr der Riesling vom Küss den Pfennig „stecken geblieben“ sei. Was soviel heißt: Die Hefen haben aufgehört zu arbeiten, noch bevor der Zucker im Most komplett zu Alkohol vergoren wurde. Was bei Schmidls Riesling bedeutet, dass er mehr Restzucker enthält als normal. Als trocken darf er nun rechtlich nicht mehr deklariert werden. Die Wachauer Kategorie Smaragd ist somit futsch, da oberhalb von 8 Gramm Restzucker pro Liter die Bezeichnung Smaragd verwehrt wird. Doch ist ein Smaragd nun mal naturgemäß ein Zugpferd eines jeden Wachauer Betriebes, das sich automatisch besser verkaufen lässt als ohne. Der Smaragd ist dem Verbraucher bekannt.

Normalerweise hätte Theresa Schmidl bei ihrem spontan vergorenen Riesling kellertechnisch nachhelfen und ihn durch Dreingabe von Zuchthefe in den trockenen Bereich drücken können. Sie tat das nicht, weil sie seinen Charakter der Spontanvergärung nicht verfälschen wollte. Und verzichtet somit auf den Status eines Smaragdes. Sehr löblich und auch mutig zugleich. Mutig, weil feinherbe bzw. halbtrockene Weine als fast unverkäuflich gelten, besonders in Österreich.

Es steht diesem Riesling; das „Steckengebliebene“, also der Hauch mehr Süße als für einen trockenen Weißwein zulässig ist. Die kräftige jahrgangstypische Säure wird dadurch wunderbar harmonisch abgepuffert und bildet mit der Frucht eine wundervolle Einheit. In der Nase hat dieser Riesling eine gewisse Wildheit, gepaart mit Saft. Viel getrockneter Majoran. Dann bissige Noten von Frauenschweiß. Ein wunderbares Mundgefühl zeigt sich; setzt sich nach hinten fort. Hier spielt dieser Wein seine ganze Mehrdimensionalität aus. Das meinte Frau Schmidl also mit „den Wein nicht verfälschen wollen“. Alles klar. Ihre Konsequenz beim Ausbau hat sich bezahlt gemacht. Scheiß was auf den Smaragd! Es geht auch ohne. Und wie!

Fehlerhafter Wein? Aber nein!

Mein Favorit dieser Verkostung auf dem Weingut war allerdings der Grüne Veltliner Smaragd Kellerberg 2010. Was die junge Winzerin da auf Flasche gezogen hat, ist phänomenal. Leider, so fürchte ich, werden sich eingefleischte Wachautrinker daran die Zähne ausbeißen. Denn dieser Veltliner fällt so ziemlich aus dem Rahmen. Die Nase kam mir irgendwie bekannt vor – steckte ich emotional aber nicht in die Wachau. Ich fühlte mich irgendwie an die Mosel hingebeamt. Dort, wo einige Winzerspezialisten (Molitor, J.J. Prüm, KaJo Christoffel, Steinmetz usw.) zuhause sind, die ihren Weinen diese typischen Schwefel-Näschen mit auf den Weg geben. Zusammen mit reduktivem Ausbau und Spontanvergärung bekommen die Weine meist eine ganz eigene Stilistik, über die sich manche Spezialisten streiten, ob man sie als leicht fehlerhaft oder als Stilmittel einordnen soll. Ich persönlich mag solche leichten Dissonanzen. Sie geben dem Wein Spannung.

Dieser Grüne Veltliner Kellerberg 2010 hat genau das! Es ist unglaublich, so etwas aus Österreich im Glas zu haben. Sehr raue, etwas rauchige und irre komplexe Nase. Dorfgerüche. Apfelkompott und irgendwas mit gelben Früchten, aber nicht zu viel! Über alles schwebt diese schon erwähnte moselanische Roughness. Ziemlich langer, dichter Abgang. Viel Pfeffermühle. Der Schluck im Mund ist zum Dauerkauen. Zum Schnalzen. Herrlich. Freudentränen schossen mir in die Augen, als mir die Preisvorstellungen von Frau Schmidl genannt wurden. Auch hier gilt wieder mal: psssst, nicht so laut und stillschweigend kaufen.

Lage Hollerin – da war doch mal was…?

Ergänzendes zum Bioweingut Schmidl: Vielleicht erinnert sich der ein oder andere Matrose an den Bericht über eine abgelaufene Pacht einer Lage von F.X. Pichler. Das Weingut, dessen Name dort diskret umschifft wurde, ist das von Schmidl. Und die Lage Hollerin, um die es da ging, ist im Besitz von Schmidl. Die Lage fällt aber nicht sofort an das Weingut zurück, sondern erst ab 2014. Alles klar? Der Frischmaat ist gespannt darauf, was aus dieser Lage Hollerin Frau Schmidl so herauskitzeln wird.

  • Riesling Küß den Pfennig 2010 (13,0% Alkohol) von Bioweingut Schmidl Wachau für 15,00 Euro.
  • Grüner Veltliner Kellerberg 2010 (13,0% Alkohol) von Bioweingut Schmidl Wachau für 12,50 Euro.
 

Datum: 17.10.2011 (Update 18.9.2014)
 

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