Der Captain trinkt ein paar Tage in der österreichischen Wachau, einer traditionellen, mit dem Rheingau vergleichbaren Weinregion. In der Wachau werden vor allem Grüner Veltliner und Riesling gekeltert. Ja, denkt sich der alte Matrose, das wissen wir längst, mach weiter.
In der Wachau brodelt ein kleiner Kulturkampf. Verfechter eines neuen, schlanken Stils sind im Vormarsch, sie positionieren sich gegen alte Granden, die fette, alkoholische und oftmals schwer zugängliche Weine machen, meistens so genannte Smaragde (Mindestmostgewicht: ca 92 Öchsle), denn mit jenen lässt sich das meiste Geld verdienen.
Viele Smaragde werden jahresbedingt auch unter Verwendung von Botrytis-Trauben gekeltert. Einige der neuen Wachauer Winzer sehen das skeptisch, verdammen das in ihren Augen schadhafte Traubenmaterial und protestieren gegen die Edelfäule im Wein. Der Captain steht eher auf der Seite der Botrytisgegner, bekam aber gestern von Klaus Wagner, den profundesten Kenner Wachauer Weine, einen 1998er (super Botrytis-Jahr) Veltliner Kellerberg Smaragd von F.X. Pichler vorgesetzt, der trotz (mindestens) 50% Botrytis so lecker schmeckte, wie sonst nur leckere Fettburgunder rund um Montrachet. Und das ist genau das, was der Captain mag. Doch das ist jetzt eine andere Gschichte.
Ewiger individueller Geheimtipp
Rudi Pichler war einst ein Aussenseiter in der Wachau, doch er hat sich in das Zentrum vorgekämpft und verbindet die Moderne, die er verkörpert, mt der regionalen Tradition alter Familien. Pichler hat ein politisches Talent und will Stämme verbinden, damit „was weitergeht“. Pichler macht Weine, die nicht allen gefallen. Aber fast allen. Und er schafft es, lagenspezifische Weine zu keltern, die trotz macher Eigenheit konsenstauglich sind. Er ist ein Winzer für alle Fälle, der trotzdem die individuelle Note versprüht und als ewiger Geheimtipp durchgeht. Da können auch die zahlreichen Auszeichnungen nichts dran ändern.
Und er hat ein Motto, das man gerne auch von anderen Winzern hören würde: Mein Einstiegswein ist meine Visitenkarte. Das ist nur logisch, denn von Pichlers Einstiegsweinen, den Veltliner und Riesling Federspiel, werden mehr als 100000 Flaschen verbreitet. Der Wein muss passen.
Und er passt. Der Captain trank gestern mit totalem Vergnügen den süffigen Veltliner Federspiel.
Viele Federspiele sind hell und sauer und haben nicht das notwendigen Gewicht, als Genuss in Erschenung zu treten. Pichlers Veltliner ist da anders, denn Pichler hat die Trauben lange hängen lassen. Und der Wein hat null Prozent Botrytis, jedoch genug Zucker, der Säure zu kontern. Die Veltliner-Chargen wurden größtenteils bei 18-25 Grad spontan vergoren, Pichler verzichtet auf eine temperaturgesteuerte Vergärung, die die Aromen zwar fördert, aber leider jene Aromen, die nicht der Sorte entsprechen.
Ein höchst konservativer Wein
In der Nase also ein höchst konservativer Wein: Nüsse, nasser Stein nach warmen Regen, etwas Nutella, Studentenfutter, wenig weißer Pfeffer, etwas unerklärliche Töne von am Grill gedrehtem Steak. Dann auch eine Spur Zwetschke und Kohlrabi.
Im Mund passt alles. Fülle und Stabilität. Wohlschmeckend durch eine präzise Säure, die vielen anderen Federspielen der Wachau fehlt. Nicht die Säure, sindern die Präzision. Dazu noch ein langer Nachhall: Der Wein ankert für diese Kategorie im Yachthafen. Eine echte Freude, die wenig kostet. Man hat Freude und spürt eine Handschrift, die auf Pichlers andere Weine neugierig macht.
Interessant, denn genau diesen Wein habe ich im Mai für ziemlich nichtssagend und enttäuschend empfunden. Kann natürlich sein, dass er sich inzwischen gefunden hat. Oder dass ich eine Flasche mit Korkschleicher gehabt habe (im Unterschied zu fast allen anderen Federspielen war der Wein ja mit Naturkork verschlossen).
Mein Preis-Leistungs-Favorit 2010 war jedenfalls der Veltliner Federspiel Weißenkirchen von der Domäne Wachau (7,60 ab Hof), siehe auch http://www.verkostungsnotizen.net/vkn_details.php?ID=33551
Ich fand die ganze 2010er Kollektion von Rudi Pichler ziemlich überzeugend, ganz im Gegensatz zu so vielen anderen. Unglaublich straight sind seine Weine.
Der Smaragd beginnt bei 91°Oe (18,5°KMW), 82,5°Oe ist grad ein schöner Steinfeder…..
Ich versteh nicht warum man immer von 2010 von einem Arschjahr spricht…2010 war sehr spät, aber sehr straight und würzig mit knackiger Säure – trinkanimierend…
2011 ist wieder wuchtiger mit mehr Fülle und weniger Säure,
aber hier spricht man immer von filigranen, eleganten Weinen, nicht zu fett und Botrytisfrei sein sollen – was man liebt….stimmt ja nicht zusammen…
Aber trotzdem 2011 wird auch super!
Richtig, danke. In Wahrheit beginnt Smaragd, wenn es nach Smaragd schmeckt..
ich bestell ihn mir, den ultimativen veltliner und hoffe, der captain vergaggert mich nicht, während ich den ultimativen sylvaner, edelstahl 2009 und 2010 trinke(und wie so oft dann auch an veltliner denke), retter sei dank.
salute
jack
Verstehe nicht, wie man einen 11,50 Wein als Alltagswein bezeichnen kann. 7,50 Euro ist bei mir die Grenze und um das Geld findet der Captain im Weinviertel sicher irgendwo einen Alltagsveltliner.
Die Wachau ist teures Land. Wer also einen Alltagswein von dort sucht, ist mit 11,50 tatsächlich gut bedient…
so ein quark! natürlich gibt es dort alltagsweine deutlich unter zehn euro. bleiben sie besser in deutschland und an der mosel, davon haben sie deutlich mehr ahnung.
Ich würde es nicht so hart formulieren, aber im Prinzip Zustimmung. Die Wachau ist nur dann teuer, wenn man unbedingt bei den Starwinzern (zu denen ja auch Rudi Pichler zählt) einkaufen will. So wie jemand die Saar für teuer halten könnte, wenn er nur die Preisliste von Egon Müller kennt.
Schöne Alltagsweine gibt es auch in der Wachau so ab 5-6 Euro. Und der ganz oben genannte Wein der Domäne Wachau ist für mich einer der besten getrunkenen Federspiele überhaupt.
Bei der Domäne bin ich durchaus bei Ihnen. Jetzt möchte ich aber die super 2010er Alltagsweine Federspiel für 5-7 Euro wissen..
Ad hoc fällt mir da der Veltliner Federspiel 2010 Pichlpoint von Johann Bäuerl in Joching ein – um 6 Euro ab Hof. Wird aber wohl schon ausverkauft sein, da das tolle PLV sich schon herumgesprochen hat (fast alles – auch Smaragde – unter 10 Euro).