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Unvergorener Wein – muss das sein?

Kann man auch Saft draus machen. Sogar aus Toplagen...
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Nein, sagte Captains Hausmarxist Rainer Balcerowiak. Und hielt das für dämliches Esoterikgeschwurbel. Doch dann soff er eine Flasche aus. Ohne Rausch. Und war überrascht über diese Nische des Weinbaus.
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Es gibt Dinge, die gehen einfach gar nicht. Dazu gehört mit Sicherheit alkoholfreier Wein, denn trotz jahrzehntelangen Anstrengungen ist es – anders als bei Bier – bis heute nicht gelungen, einigermaßen genießbare Tropfen zu produzieren. Zwar ist man heutzutage nicht mehr auf archaische Verfahren wie die Destillation angewiesen, wo der enthaltene Alkohol einfach verdampft wird – und mit ihm auch die meisten Geschmacksstoffe. Doch auch weniger brachiale Methoden, wie etwas die Vakuumrektifikation, bei der man Aromastoffe, die bei der Verdampfung abgetrennt werden, dem entalkoholisierten Wein wieder zuführen kann, zeitigten bislang keine überzeugenden Ergebnisse.

Experimentiert wird ferner mit extrem feinporigen Membranen, durch die Alkoholmoleküle hindurchpassen, währen die grösseren Aromamoleküle zurückgehalten werden. Klingt gut, scheint aber auch nicht zu klappen, wie man bemerkt, wenn man sich entsprechende Produkte einverleibt. Nein danke!

Auch Hartmut Heintz hat mit alkoholfreiem Wein nichts am Hut. Dem Inhaber des Nahe-Weinguts Im Zwölberich in Langenlonsheim will nicht in den Kopf, dass man den frischen, süßen Most erst durch Vergärung veredelt, um ihm anschließend „seine Seele wegzunehmen“, so Heintz im Gespräch. Und das mit der Seele hat in einem biologisch-dynamisch wirtschaftenden Demeter-Betrieb natürlich eine ganz besondere Bedeutung.

Traubensaft? Unvergorener Wein? Seele rauben? Esoterikgeschwurbel?

In seinem renommierten Nahe-Weingut kultiviert Heintz vielmehr etwas, was man gemeinhin als Traubensaft bezeichnet, von ihm aber „unvergorener Wein“ genannt wird. Schließlich gehe es bei der „spirituellen Dimension des Weines vom Dionysos-Kult im alten Griechenland bis zum Messwein in christlichen Kirchen“ weniger um „den Alkohol an sich“, sondern um „die wärmende, entspannende, verbindende und wohlige Atmosphäre schaffende Strahlkraft des Weines“, heißt es dazu im Prospekt des Weinutes. Das ist schon ziemlich harter Tobak und für weniger beseelte Gemüter recht schwer verdaulich.

Die Latte, die man auf dem Weg zu Heintz‘ unvergorenen Weinen überqueren muss, ist ohnehin ziemlich hoch. Ich entdeckte sie erstmals im Regal eines mir nicht sonderlich sympathischen Weinhändlers und zwar zum Preis von 8 Euro für eine 0,75-Liter Flasche. Dies veranlasste mich seinerzeit in einer Kolumne zu ziemlich heftigen Beschimpfungen des Händlers, dessen Preisgestaltung ich unter anderem als „abenteuerlich“ bezeichnete.

Der Saft kommt aus den Toplagen

Doch auch ab Hof werden die unvergorenen Weine für Preise zwischen 6,90 und 12,80 abgegeben. Einigermaßen rauflustig sann ich nunmehr nach einer Gelegenheit, Vertreter des Weinguts Im Zwölberich „zur Rede zu stellen“ und angesichts dieses offensichtlichen Esorterik-Wuchers anschließend nach allen Regeln der journalistischen Kunst zu massakrieren. Schließlich besuchte ich eine Demeter-Weinpräsentation, bei der Herr Heintz persönlich anwesend war.

Dem schien das Geschimpfe von 08/15-Traubensaft-geschädigten Weinfreunden nicht ganz fremd zu sein. Entsprechend geduldig hörte er sich meine Tiraden an – um mir anschließend kräftig den Kopf zu waschen. Denn sein unvergorener Wein stammt aus denselben Top-Lagen wie der vergorene. Das bedeutet Ertragsreduzierung, manuelle Lese und natürlich das ganze Demeter-Programm von Hornmist bis Urgesteinsmehl. Und die Weinbereitung unterscheidet sich zwar deutlich von der der vergorenen Artgenossen, erfordert aber bei derartigen Premium-Produkten einen ziemlichen Aufwand.

Doch entscheidend ist bekanntlich der Saft im Glas, und so kam ich um eine intensive Probe nicht herum. Vorweg: Alles schmeckte mehr oder weniger großartig. Zwei Highlights gilt es jedoch herauszuheben. Da wäre zum einen der 2011er Riesling Langenlonsheimer Löhrer Berg., gelesen am 7.Oktober mit über 8o° Oechsle. Eine glasklare Rieslingfrucht gepaart mit Anklängen an Melone. Ein wenig Honig im Mund und alles wunderbar ausbalanciert von knackiger Säure.

Aus den mit 90° Oechsle Ende September 2011 gelesenen Spätburgundertrauben vom Langenlonsheimer Steinchen hätte der Winzer jedenfalls eine trockene Spätlese machen können. Doch auch da wanderte eine Partie in die Herstellung eines unvergorenen Weines der Extraklasse. Wieder trotz des hohen Zuckergehaltes verblüffende Sortentypizität. Ein hochkonzentrierter Stoff, bei dem es keinesfalls ehrenrührig ist, ihn mit Wasser zu mischen.

In der Preis-Wert-Falle gelandet

Neben dem großen Genusserlebnis war meine Begegnung mit den unvergorenen Weinen von Zwölberich aber ohnehin äußerst lehrreich. Schließlich bin ich voll in die Preis-Wert-Falle getappt. Die Preise des Gutes erschienen mir aberwitzig – weil ich ein vollkommen limitiertes Verständnis von Traubensaft hatte. Und die Suche nach einem „guten“ alkoholfreien Wein werde ich mir in Zukunft komplett verkneifen. Denn wer braucht schon ein Getränk ohne Seele. Das hier hat Seele. Kein Wein. aber Saft mit Charakter. Und eine Zwischenstufe, die jeder Weintrinker gekostet haben sollte.

Den Riesling Premium Traubensaft 2011 gibt es für 7,90 Euro, den Spätzburgunder Premium Traubensaft 2011 für 8,90 Euro.

 

Datum: 24.4.2012 (Update 16.12.2014)
 

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