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Meine T-Shirts haben ein Fair-Trade-Label, mein Gemüse kaufe ich auf dem Bauernmarkt, mein Handy nutze ich, bis es auseinanderfällt, Auto habe ich keins, ich nehme lieber den Zug als das Flugzeug. So Großstädtergutmenschentum halt. Aber immer noch besser als nix.
Dachte ich, bis ich neulich ein Interview mit Evi Hartmann las.
Hartmann hat eine etwas sperrige Berufsbezeichnung. Sie ist Professorin für „Supply Chain Management“ an der Uni Erlangen-Nürnberg. Hartmann hat ein Buch geschrieben mit dem Titel „Wie viele Sklaven halten Sie? Über Globalisierung und Moral“.
Dazu gibt es eine Internetseite, auf der jeder ganz einfach herausfinden kann, wie viele das bei ihm so sind.
Denn Sklaverei ist bei weitem nicht aus der modernen Welt verschwunden. Auch wenn das Wort archaisch klingt. Das stelle ich schon bald fest.
Ich gebe ein paar Daten zu meinem Lebenswandel ein (Essen, Kleidung, Wohnen und so weiter) und schon habe ich das Ergebnis. Bei mir kommt der Rechner auf 55 Sklaven. Erstaunt und mit schlechtem Gewissen sitze ich vor dem Bildschirm.
Wie kann das sein? Hartmann sagt, dass hunderttausende Menschen als Sklaven in afrikanischen Minen arbeiten. Dort bauen sie Rohstoffe ab, die zum Beispiel in unseren Smartphones stecken. Wie in dem, das neben mir auf dem Tisch liegt.
Es fühlt sich seltsam an, dass hinter der glänzenden Oberfläche Materialien verbaut sind, für die Menschen leiden mussten.
Die „neuen“ Sklaven wie Hartmann sie nennt, sind eigentlich normale Arbeiter. Sie bekommen 50 Cent pro Tag. Am Arbeitsplatz herrschen Temperaturen von 60 Grad Celsius, sie dürfen nicht trinken oder pinkeln. Sie werden von Wachen misshandelt und nachts schlafen sie in einem verschlossenen Bretterverschlag.
Je billiger ich irgend etwas einkaufe – sei es Elektronik, Kleidung oder Nahrungsmittel – desto größer ist die Gefahr, dass Menschen unter unwürdigen Bedingungen an ihrer Herstellung beteiligt waren. Das ist doch Mist. Das will doch keiner.
Versucht man das zu vermeiden, wird’s für die meisten Menschen wahrscheinlich schon zu anstrengend.
Hartmann schlägt bei allen Dingen, die man regelmäßig kauft, eine kleine Internetrecherche vor. Mal suchen nach „Produkt X, Hersteller Y, Nachhaltigkeit, Moral, Skandal, Fairness“. Dann finde man rasch heraus, wer zu den Guten gehöre und wer zu den Bösen.
Das mache ich jetzt mal. Aber dazu brauche ich Nervennahrung. Ich weiß auch schon was für eine: Rotwein von Sebastian Zaiß aus Württemberg. Der hat auch einen lustigen Namen: „one Zaiß fits all…“
Der Tropfen ist eine wilde Mischung aus den Rebsorten Dornfelder, Cabernet Mitos, Acolon, Merlot, Lemberger, Blauer Trollinger.
Er duftet so frisch und frei, das hebt meine Stimmung nach all den Schlechtigkeiten wieder etwas. Ich rieche Himbeere, Erdbeere und Süßkirsche.
Am Gaumen wirkt er trotz des niedrigen Restzuckers von fünf Gramm leicht süß. Das stört aber nicht, im Gegenteil. Das verleiht dem Wein einen netten Charme. Die Früchte stehen wieder klar im Vordergrund. Aber der Tropfen war für sechs Monate im Holzfass. Daher kommen noch warme Noten von etwas Torf und Pilzen.
Einfach zu trinken und doch komplex. Dieser Wein ist einfach gut.
Dazu möchte ich gerne eine Ratatouille oder Geflügelsalat essen.