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Trinken für den BvB: Rote Erde

Frau Muhr und ihr Spitzerberg. Bitte auch den Blick in die Ferne richten...
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Hängemattenmaat Golenia trinkt heute Abend für Dortmund. Das dortige Stadion heißt "Rote Erde" und so heißt auch ein großartiger Rotwein aus Österreich. Weil sowieso Rotweinwetter ist, versammelt sich Schiff vorm Proll-Flachbild und hebt die Gläser.
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Im Schiffsarchiv blättere ich in den vielen Artikeln der letzten Jahre (Golenia-Sprech wie von Meister Yoda, murmelt der Zahlmeister beim Korrigieren des Textes).

Manches davon hat riesengroßen Spaß gemacht. Aber eine Person wurde vom Schiff sträflich vernachlässigt, vielleicht sogar bewusst übergangen (Quatsch! Anm. des Captain): Dorli Muhr, PR-Agentin und Weinmacherin.

Warum, das versuche ich herauszufinden und konfrontiere den Captain mit diesem Umstand. Aber der Alte bleibt merkwürdig stumm, obwohl er sonst wie hundert Wasserfälle plappert. Zum Thema Dorli Muhr verschließt sich des Captains Mund fest wie eine Auster. Besser, ich stochere nicht weiter herum, sonst rastet der Alte womöglich noch aus (Quatsch! Anm. des Captain).

Zuerst gar nicht an Österreich gedacht

Wie kommt eine Agenturinhaberin zum Weinmachen? Muhr erzählt, dass es lange ein Traum von ihr gewesen sei, einen eigenen Wein zu machen. Immerhin habe sie tagtäglich als Dienstleisterin mit Wein zu tun. Nur hätte sie damals – Ende der 90er – nicht geglaubt, jemals Wein ausgerechnet in Österreich zu produzieren, da ernst zu nehmender Rotwein für sie anderswo herkam. Nur nicht aus ihrem Heimatland.

Ihr habe zunächst ein eigener Rotwein aus südlichen Ländern vorgeschwebt. Beispielsweise Portugal, wo der Weinmacher und Muhrs Ex-Mann Dirk van der Niepoort zu Hause ist. Doch die heißen portugiesischen Sommer im Dourotal ließen sie zweifeln. Muhr: „Bei 45 Grad im Schatten ist es kaum möglich, Frische und Eleganz in die mächtigen Weine zu bekommen.“

Weingarten von der Oma

Es war ihre Zeit in Portugal, in der sie leichte Rotweine schätzen lernte. Ihr wurde aber klar, dass die bevorzugte Leichtigkeit dort nur schwer realisierbar ist. Warum in die Ferne schweifen, wenn Gutes so nah liegt? So besann sich Muhr auf einen kleinen Weingarten ihrer Oma am Spitzerberg, ganz im Osten Österreichs an der Grenze zur Slowakei.

„Der Spitzerberg Anfang der Nuller-Jahre hatte nicht den Stellenwert wie heute“, sagt Muhr. „Nur die alten Leute in den umliegenden Ortschaften wussten noch um die gute Qualität der Lagen. Der Berg war in Vergessenheit geraten.“

Im Jahre 2002 entschloss sich Dorli Muhr, zusammen mit Dirk van der Niepoort Weinbau am Spitzerberg zu betreiben.

Der Berg gehört zur Weinregion Carnuntum. Eine Region, die sich bis heute größtenteils mit dichten, modernen aber oft seelenlosen Rotenweinen aus mehrheitlich Zweigelt schmückt und damit eine Nische besetzt. Anders der Spitzerberg: Boden, Klima und Stilistik heben sich wohltuend vom austauschbaren restlichen Carnuntum ab. Ein Alleinstellungsmerkmal, das sich Dorli Muhr zunutze macht.

Ihre Lagen am Spitzerberg, den man zu den letzten Ausläufern der Kleinen Karpaten zählt, liegen etwa 150 Meter hoch, der karge Kalkboden ist trocken und heiß. Wasser speichert er nur ungern. Dank dieser Eigenschaften hat Muhr auch Rebsorten aus wärmeren Regionen angepflanzt, die extremes Klima besser vertragen können: Syrah, Merlot, Cabernet Franc, Petit Verdot, zeitweise sogar Tempranillo.

Dorli Muhr keltert daraus den Rotwein Rote Erde, ihr experimentellster Wein. Es ist eine klassische Blend im Stil des rechten Ufers. Ein Großteil Merlot, der Rest Cabernet Franc und etwas Petit Verdot wie auch Malbec. Allesamt nicht autochthon und damals wie heute unüblich am Spitzerberg.

Bordeaux für Arme

„Der Rote Erde ist ein Bordeaux für Arme“, witzelt Muhr. Er soll Frische und Trinkbarkeit bieten und an die klassischen Jahrgänge des Bordelais erinnern, bevor Parkers Punkte die Weine dort rund und pummelig werden ließen.

Doch auch der Rote Erde kommt mit nicht wenig Alkohol daher: 14 % vol. bringt er auf die Waage. Die große Kunst ist es, den Alkohol gut zu verpacken. Ihn zu integrieren, ohne dass der Wein breit und mollig wird. Dieser Drahtseilakt ist Dorli Muhr beim Rote Erde gelungen.

Im Glas dunkles Rot mit grauen Reflexen. Leichte Anflüge von gerade zermahlener Bleistiftmine, dazu alte Lorbeerblätter und rote Paprika. Auch zerquetschte rote Johannisbeeren mit leichten Nuancen von weißem Pfeffer aus der Mühle. Und die Kreidetafel meiner alten katholischen Grundschule. Insgesamt wenig aufdringliche Nase, trotz des Alkohols. Eher rau, ehrlich, direkt, schnörkellos, ungekünstelt.

Recht so, rechtes Ufer

Im Mund trockene Tannine guter Qualität, balanciert, würzig auf der Zunge tänzelnd. Die gewollte Nachbarschaft zum „rechten Ufer“ spielt plötzlich keine Rolle mehr. Ich schmecke sie nicht. Der Spitzerberg scheint dem Wein seinen eigenen Stempel aufzudrücken.

Der Wein ist wunderbar strukturiert, auf Haltbarkeit getrimmt. Besser, man würde ihm einige Jahre der Reife gönnen. Schön für die Weinfreaks mit Engelsgeduld und großem Weinkeller – schlecht für die Sofort & Lecker-Trinker. Dorli Muhr hat ganz klar die erste Zielgruppe im Visier. Aber einige werden ihn wohl heute Abend zum Finale der „Tschämpions Lieg“ trinken. Denn das Stadion des BvB trägt den gleichen Namen wie dieser Wein.

 

Datum: 25.5.2013 (Update 22.1.2015)
 

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