Das nötige Kleingeld hatte sie: Alexandra Lapostolle-Marnier, Urenkelin des Mannes, der einst den Grand Marnier-Likör erfand, und damit reich und berühmt wurde.
So konnte sich die Französin zu Beginn der 1990er Jahre ohne Weiteres den Traum vom eigenen Weinberg erfüllen.
Nur ein Urlaubsbesuch…
Lapostolle-Marnier war nach Chile gefahren, um Urlaub zu machen. Ein Abstecher führte sie ins Colchagua Valley, das bedeutendste Weinbaugebiet des Landes. In dieser Gegend stieß Lapostolle-Marnier auf ein paar verwilderte Weinberge, die sie sofort in ihren Bann zogen.
Gut, solche Dinge geschehen immer wieder. Die allermeisten Menschen fahren danach wieder nach Hause, träumen noch ein bisschen, vergessen den Traum irgendwann und machen weiter wie bisher.
Halo Monsieur Rolland…?
Lapostolle-Marnier griff zum Telefon. Da sie selber keine Ahnung hatte, wie sie im fernen Chile ein Weingut aufbauen soll, rief sie jemanden an: Michel Rolland. Der ist ein sogenannter flying winemaker, jemand, der verdammt viel Ahnung vom Weinmachen hat, aber kein eigenes Weingut besitzt. Er fliegt rund um die Welt (daher der Name) und berät Winzer. Rolland ist einer der bekanntesten, umstrittensten und teuersten in dieser Branche. Aber zweifellos auch einer der besten.
In wenigen Jahren an die Spitze.
Rolland hatte zu diesem Zeitpunkt schon viele der ganz großen Châteaux im Weinbaugebiet rund um Bordeaux beraten. Aber er hatte noch nie ein Weingut von Anfang an mit aufgebaut.
Lapostolle-Marnier steckte ihn mit ihrer Begeisterung und Entschlossenheit (und vielleicht auch mit ein bisschen Geld) an. Die beiden wurden Partner und gaben sich den Slogan Chilean by Nature, French by Design. Nach nur wenigen Jahren galten die Weine von Lapostolle-Marnier als Maßstab in Chile, inzwischen gehören der Französin dort 320 Hektar auf denen drei Kellereien mit Übernachtungsmöglichkeiten für Weintouristen in eindrucksvoller Landschaft herumstehen – siehe Fotos oben und hier unten.
Vor uns auf der Reling steht der Casa Lapostolle Carménère – Chilean by Nature ist der Inhalt schon mal, der Wein ist zu 100 Prozent aus Carménère.
Bitte sehr, der Herr: Carménère…
Nie gehört? Kein Wunder, in Europa wurde diese Rebsorte im 19. Jahrhundert von der Reblaus nahezu vernichtet. In Chile überlebte sie und ist heute eine der wichtigsten Trauben des Landes. Schauen wir mal, wie viel French by Design wir im Wein entdecken können.
Der Wein hat ein recht kräftiges Rubinrot mit violetten Anklängen.
Brombeersaft, Gewürze, dezente Süßlichkeit.
In der Nase duftet er nach frischen, schwarzen und roten Früchten. Die Brombeere dominiert, etwas Pflaume und würzige Noten kommen hinzu. Sehr gefällig, aber gut. Am Gaumen ist der Wein herrlich saftig, als ob man in eine Handvoll Brombeeren beißt. Dann rücken Noten von Pflaume und dunkler Kirsche nach, noch etwas exotische Gewürze und eine ganz dezente Süßlichkeit. Die Tannine sind weich und rund, der Wein ist wunderbar balanciert. Französisch-elegant, wenn man so will. Ein typischer Wein, wie ihn Michel Rolland macht: sehr angenehm und nicht herausfordernd.
Was für eine größere Runde.
Fazit: guter Wein zu einem guten Preis. Wer an einem Abend viele Leute einlädt und nicht weiß, was die gerne trinken – auf den Carménère von Lapostolle können sich alle einigen. Erst recht, wenn man dazu ein Feuerchen schürt. Denn mit rotem, gegrilltem Fleisch harmoniert dieser Wein ganz wunderbar.