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Nichts besser, als dorthin zu fahren, wo viel Wein wächst und es etwas Gutes zum Essen gibt. Der Captain, seit Wochen ohne Urlaub, schwärmt von einer Reise in die Vergangenheit. Die ideale Region hierfür: Das Elsass.
Frühjahr und Elsass. Früher gehörte das für den Captain zusammen. Nicht jedes, aber jedes zweite Frühjahr. Nichts schöner, als in eine Gegend zu fahren, wo Wein wächst und man gut kochen kann. Doch irgendwann war dem Captain das Elsass zu altmodisch geworden. Nur Greise, die sich in Bussen durch die engen Strassen karren lassen. Und Liebespaare in ihrem zweiten Frühling. Oder honeymooning mit dem zweiten Lebenspartner, nachdem der erste flöten und das alte Leben zu Ende gegangen war. Als der Captain das andere Elsass sah, fuhr er regelmäßig ins Friaul.
Doch das andere Elsass ist eben nur ein Teil des Elsass. Freunde des Captain riefen ihn an und sagten: Komm mit ins neue Elsass, zu den jungen und interessanten Köchen; zu den neuen und nachdenklich-reflektiven Winzern (wer bitte soll das sein?). Doch der Captain lehnte ab. Er war nun selber alt, er wollte in das andere Elsass zurück, sein Elsass, das mit den Schmorgerichten und den fetten gereiften Rieslingen, die Maat Mally früh ins Grab bringen werden. Also fuhr der Captain wieder in das Elsass. Um nachzusehen, ob sein altes Elsass nach wie vor für den Erhalt der Tradition kämpft.
Alles wie immer
Natürlich tut es das. Es steht noch da, das alte Elsass. Mit seinen guten Restaurants, die noch Gerichte kochen, die keine Modernisierung brauchen. Sie wollen gar nicht überraschen. Und sie wollen auch nicht Teil einer Show sein. Sie wollen nur satt machen. Und das Sattmachen soll schmecken.
Die meisten Deutschen, das muss man leider sagen, verstehen einfach nicht, warum sie für eine Terrine vom Fasan, einen Rinderschmorbraten mit Nudeln und einen Blätterteigkuchen mit Apfel und Vanille 46 Euro zahlen sollen. Und das schon zu Mittag. Dazu kommt noch der Riesling, der Gewürztraminer, der Grauburgunder. Wenn man zu zweit ist, wandern leicht 150 Euro über den Tresen. Kopfschüttelnd stehen die Deutschen dann vor den Aushängen der Restaurants und wundern sich über die Preise. Nach dem Kopfschütteln steigen sie in ihren Audi A6 und fahren minutenlang von einem Aushang zum anderen, bis sie ein Lokal gefunden haben, das ein Steak mit Fritten für zehn Euro anbietet. Dann ist der Deutsche glücklich, er hat den geldgeilen Wirten eins ausgewischt.
Arme Japaner
Also sitzt man im Elsass gemeinsam mit Franzosen im Restaurant. Die fahren einen Clio. Und Italiener. Die entdecken gerade die Gegend. Keine Ahnung, wer ihnen das Elsass eingeredet hat. Wahrscheinlich ein Reisemagazin von Berlusconi. Viele Japaner auch. Die starren das Essen an und stürzen sich todesmutig auf Leber, Niere und Zunge. Nach einem Glas Pinot Gris, auf alten Flaschen hier noch Tokay genannt, sind sie betrunken und werden müde. Der Chauffeur muss sie dann zum Bus bringen. Arme Japaner.
Der Captain will jetzt nicht viel über Wein reden. Denn bei seiner Frühjahrs-Elsass-Reise trinkt er immer die gleichen Weine. Neues aus dem Elsass, wenn es denn was Neues gibt, trinkt der Captain in Berlin. Oder in Wien. An diesen Orten wird man von der mittelalterlichen Schönheit des Elsass nicht geblendet. Und kann auch mal unfreundlich votieren.
Der Captain trinkt immer die gleichen Weine. Den Riesling Frederic Emile von Trimbach beispielsweise, ein traditioneller Wein, der vor allem in Paris einen gigantischen Namen besitzt. Oder die Weine von Ostertag, von Hugel, von Zind-Humbrecht. Und dann einen kalten Pinot-Noir, der dem Captain nur hier schmeckt. Und in der Paris Bar in Berlin. Das Elsass ist kein Ort, wo man etwas anderes haben will als gemütlich-verfressene französische Tradition, eingebettet in der Kulisse eines wohllebigen Bürgertums. Eine Reise nach Spießerland. Und Spießerland ist mitnichten abgebrannt.
Nur mittags essen
Der Captain geht nur mittags essen. Mittags groß essen gehen ist ein guter Tipp. Den hat der Captain von Wolfram Siebeck. Der hat ihm das richtiggehend eingetrichtert. „Nur mittags essen gehen. Verstanden?“ Verstanden.
Denn mittags sind die Sinne noch richtig wach. Und auch der Wein schmeckt völlig anders: floraler, mineralischer, frischer, jünger (selbst der alte Wein). Sicherlich eine Täuschung, der zehn hanseatische Weinblogger ein Konvolut avon Anti-Studien entgegensetzen können. Hauptsache sie haben irgendwie Recht.
Der Captain wohnt immer in Eguisheim. im Hotel Hostellerie du Chateau, das direkt am Platz liegt. Und da darf kein Auto fahren. Eguisheim ist nicht so überlaufen wie Riquewihr, das zentrale Ziel jeder Weintour. Nahe Riquewihr in Zellenberg liegt auch das Restaurant Maximilien, wo Jean-Michel Eblin eine moderne Elsässer Küche mit asiatischen Einschlägen kocht. Sehr gut. Aber nicht unser Ziel.
Fein in Eguisheim
Wenn man in Eguisheim aus der Tür geht, dann fällt man in das Geschäft von Leon Beyer, einen guten, aber nicht hervorragenden Winzer. Für einen kleinen Rausch reicht sein hervorragender Gewürztraminer 2009 auf jeden Fall. Sein Riesling Ecailliers ist aber kein Wein für den Captain. Fast 15 % Alkohol. Da geht die Birne aus.
Aber wie gesagt: Heute wenig über Wein. Dafür mehr über Essen. Und über jene Restaurants, die der Captain seit Jahren aufsucht, um sich aufzufetten. Etwa das À l’Aigle d’Or in Osthouse. Ein Paradies. Erstens: Kalbskopf mit Kartoffeln. Zweitens: Zander in Nussbutter mit Spargel und Nudeln. Drittens: Windbäckerei mit Vanilleeis. Viertens: Eine Weinkarte mit Raritäten. Und alte, gereifte Weine namhafter Produzenten bis zurück in die Neunziger Jahre.
Kulinarisch nicht viel einfallsreicher ist die Maison Kammerzell beim Strasbourger Münster. Ein Lokal aus 1572 (!), auf drei Etagen verteilt, mit vielen kleinen Zimmerchen und Nischen. Eine Märchengastronomie, selbstredend professionell geführt. Schlachtplatten mit Sauerkraut, Würste mit Sauerkraut, Enten mit Sauerkraut, Lachs mit Sauerkraut. Aber auch ganze Wachteln mit Morcheln und Spargel. Oder ein Fasan in Schokoladensauce. Dazu eine sehr facettenreiche Weinauswahl, die aber auf zwei bis drei traditionelle Produzenten zugeschnitten ist.
Günstig und gut
Etwas günstiger und schlichter ist das Muensterstuewel (muss man wohl nicht übersetzen), wo ein engagierter Koch einer etwas frischeren und marktorientierten Küche nachgeht. Soll heißen, es gibt etwas mehr Gemüse. Zum Beispiel zum mit Morcheln gefüllten Kalbsfuß. Oder zum geschmorten Kapaun im Topf. Sicher nicht zu Gugelhupf (hat hier Tradition), der wie ein Baba in Rum getränkt wird. Genial.
Einfach, günstig und auch im Detail präzise ist die Weinstube Brenner in Colmar. Offene Weine ordentlicher Qualität und einen exzellent gemachten Kalbskopf. Das macht den Captain glücklich, wenn er mal kein Sternerestaurant mehr sehen will.
Denn in „ein“ Sternerestaurant „muss“ der Captain seit Jahren. Das hat für ihn Tradition, wie ein Besuch in der als Nepplokal verrufenen Harrys Bar in Venedig. Der Captain muss in die Auberge de l’Ill in Illhaeusern, wo die Familie Haeberlin inzwischen in dritter Generation kocht. Etliche österreichische und deutsche Spitzenköche haben hier kochen gelernt. Alleine deswegen ist das Lokal so bedeutend.
Haeberlin: Ein Muss
Die Gerichte klingen völlig bedeutungslos. Etwa Gänseleber mit Brioche. Gäähn. Oder Froschschenkel in Blätterteig. Hummerragout mit Zitrone. Oder eine banale Lachsschnitte. Aber das Geniale steckt im Produkt. Die Haeberlins haben Generationen von Köchen das perfekte Produkt vermittelt. Und dass man es nur inszenieren und begleiten kann. Niemals verändern.
Und selbstredend ist die Auberge eines der teuersten Lokale der Welt. Völlig unbeeindruckt von der Krise muss man hier nicht einmal die Preise senken, wie viele Spitzenrestaurants in Paris es tun. Auch das ist Botschaft dieses Elsass: Vieles kommt, vieles geht. Aber wenig kann uns beeindrucken. Wir bleiben, wie wir sind. Und deswegen fährt der Captain jedes Jahr gerne hin. Und trinkt die immer gleichen Weine. Dafür gibt es einen Fachausdruck: Gepflegte Langeweile.
- À l’Aigle d’Or
14 r. de Gerstheim F – 67150 Osthouse
Telefon: +33(0)388980682
- Maison Kammerzell
16 pl. de la Cathédrale F – 67000 Strasbourg
Telefon: +33(0)388324214
- Muensterstuewel
8 pl. Marché-aux-Cochons-de-Lait F – 67000 Strasbourg
Telefon: +33(0)388321763
- Wistub Brenner
1 r. Turenne F – 68000 Colmar
Telefon: +33(0)389414233
- Auberge de I´lll
2 r. de Collonges-au-Mont-d’Or F – 68150 Illhaeusern
Telefon: +33(0)389718900
In Sachen Haeberlin’scher Auberge de l’Ill hat der Captain einen kleinen Hinweis vergessen: den auf Serge Dubs, auf einen der besten Sommeliers dieses Planeten (war 1989 Weltmeister in Paris, ich hab‘ seine Performance dort staunend mitverfolgt), der übrigens auch austriakische Weine kennt und schätzt (auch wenn er in Illhaeusern keine verkauft) – und obendrein ein echter alter Freund.
Ich kann dem Captain zu seiner Einleitung nur zustimmen. Wir deutschen geben Geld für Autos und Küchen aus, sparen aber beim Essen. Beim Geldausgeben für Küchen sind wir sogar Weltmeister, obgleich wir im Nationenvergleich am wenigsten selbst kochen. Hauptsache die Deko stimmt. Paradox und peinlich.
Mein kulinarischer Tipp für das Elsass: Alle unter 35-jährigen bekommen in ausgewählten Restaurants im Elsass (auch der Auberge de l’Ill) bis einschließlich 31.05.2011 Menus inkl. Champagner, Wein, Wasser und Café für einen im Vergleich zu einem „normalem“ Restaurant-Besuch zwar preisintensiven, im Verhältnis zur Qualität aber wirklich günstigen Preis.
In der Auberge de l’Ill kostet das Formule Jeunes Menu z.B. 95 Euro (wie gesagt inkl. Champagner, Wein, Wasser und Café) und ist richtig gut (natürlich nicht ganz so gut wie das normale Menu oder à la carte). Es werden auch keine Schrottweine und Restposten serviert. Mitmachen tun u.a. auch das Au Cygne in Gundershoffen, La Fourchette des Ducs in Obernai, die Auberge du Cheval Blanc in Lembach, und – besonders gut – das Au Crocodile in Strasbourg.
http://www.etoiles-alsace.com/nos-offres/formule-jeunes.html
Für den Lunch zwischendurch auch empfehlenswert: Die Wistub du Sommelier in Bergheim und das L’Ami Fritz in Ottrott.
Ich kann die Begeisterung des Captain für die „gepflegte Langeweile“ im Elsass sehr gut nachvollziehen. Ich finde das herrlich.
Das hat er so richtig nett geschrieben der Captain. Mal endlich wieder ein nicht so gepresst auf Provo getrimmter Artikel. Ja das Elsaß und seine Kulinarik vermag selbst den Herrn Klimek auf Sanft zu stimmen, aufdaß er sein ewig Lamento über die „Rückständigkeit“ der elsässer Winzer für einen Augenblick vergisst und sich auf das beschränkt was er so richtig gut kann: die Vermittlung einer kulinarischen Momentaufnahme. Ach wie gern wär ich dabei gewesen.
feine geschichte, danke, ich freue mich immer sehr, wenn ihr kulinarische geschichten bringt, gerade bei auberge de I´lll gerät 5Terre ins schwärmen, es ist genauso wie ihr schreibt … für sehnsuchtsbekämpfung wird einmal heute die wäsche gewechselt, im kasten liegt eine schöne frühlings-tischdecke aus den frühen 90igern aus dem kleinen merchandising-programm der auberge
Gut.
Machen Sie es wie die Elsässer, fahren sie nach Baden.
da werden Erinnerungen wach!
baden bei wien?