↓ Ähnliche Weine
↓ Ähnliche Artikel
↓
Österreich ist weinverrückt. Winzer werden hier wie Stars gefeiert. Und beim Kellergassen-Tag der verschiedenen Weinregionen reisen die Menschen von Nah und Fern in die Provinz, nur um einmal mit ihren Lieblingswinzern im Weingarten oder im Keller ein Wort wechseln zu dürfen. Österreich schwelgt in einer modernen Weinromantik. Und im Burgenland schwelgt man noch ein bisschen intensiver.
Diese seltsame Verehrung von Winzern und Weinmachern – letztere nicht selten Quereinsteiger – hat einen konkreten Grund: Österreichs Winzer (und hier wieder vor allem die burgenländischen) haben sich und ihre Branche vor fünfundzwanzig Jahren an den eigenen Haaren aus dem Sumpf des Weinskandals gezogen. Nach der so genannten „Glykol-Affäre“ von 1985, die im Burgenland besonders verheerende Auswirkungen hatte, gab kein Wirtschaftsexperte einen Deut auf die Erholung der österreichischen Weinwirtschaft. Und nachdem nahezu alle Großbetriebe pleite waren, mussten vor allem die kleinen und mittleren Winzer die Karre aus dem Dreck ziehen und auch das ruinierte Image wiederherstellen. Heute sieht man diese Zeit als überwunden an.
Damals geschah, was heute selbstverständlich ist: Die junge Generation übernahm Teile der Macht in den elterlichen Betrieben. Sie errang die Deutungshoheit und die Navigation. In den Achtziger Jahren ging im burgenländischen Weinbau noch Menge vor Qualität. Doch die Töchter und Söhne der alten Winzer wollten nach dem Weinskandal die Menge stark beschränken und die Qualität verbessern. Obwohl der Staat den Winzern in diesem Vorhaben Unterstützung zusagte, konnten sich manche alten Patriarchen von der Idee des Mengenertrags nicht lösen. Dass man Trauben abschneidet, um anderen Trauben ein besseres Wachstum zu ermöglichen, das erschien manchem traditionellen Winzer wie ein Verrat am Dasein.
Das Wunder von Mariental
Heute ist die Qualität erstes und wichtigstes Ziel. Dass sich die Weine des Burgenlandes in den letzten zwanzig Jahren im Schnitt um etwa 200 % verteuert haben, hat die Konsumenten nicht davon abgeschreckt weiterhin in großer Zahl zu kaufen. Guter Wein hat seinen Preis. Das ist inzwischen jedem klar.
In den Aufbaujahren sorgten zunächst unbekannte burgenländische Rotweine für Aufmerksamkeit. Etwa der Blaufränkisch Mariental 1986 von Ernst Triebaumer, der erste österreichische Rotwein von Weltgeltung. Bei einer Blindverkostung vor fünf Jahren in Berlin konnte dieses burgenländische Meisterstück problemlos mit großen und renommierten Bordeauxweinen ähnlichen Jahrgangs mithalten. Leider gibt es nur mehr ein paar hundert Flaschen davon. Keiner hatte den Erfolg kommen sehen. Auch Triebaumer hat kaum etwas weggelegt.
Die meisten burgenländischen Winzer begannen Anfang der Neunziger-Jahre die Erträge zu verringern und ihre Weine teilweise in Barriques auszubauen. Neben den alten Betontanks, den riesigen Kastanienfässern und den leicht angerosteten Stahltanks standen diese neuen, hellen Fässer wie Symbole für den Kulturbruch: Klein statt groß, Auslese statt Menge, Qualität statt Masse. Was für ein Wandel.
Erste Erfolge bei internationalen Messen und der damals aufkommende Boom der österreichischen Spitzengastronomie ließen die Nachfrage nach burgenländischem Wein stetig steigen. Vor allem der Inlandsmarkt schulterte den Erfolg. Und trägt ihn noch heute. Doch die internationale Stilistik der neuen burgenländischen Weine zeitigte bald auch erstaunliche Exporterlöse. Es war nicht mehr nur plumpe Imitation gemeinhin gültiger Keltertechniken; es war vielmehr das selbstbezogene Weinmachen, die Verbindung von neuer Infrastruktur mit alten Fertigkeiten, die diesen Weinen neue Märkte erschloss. Und auch der verpönte Süßwein war wieder gefragt; der früh verstorbene Illmitzer Winzer Alois Kracher wurde gar zum Lieblingsweinmacher von Robert Parker, dem international mächtigsten Verkoster der liquiden Börsenboom-Jahre. Nach Krachers Tod setze sein Sohn Gerhard diesen Erfolg mit einem eigenen eleganteren Stil fort.
Kultweine mit seltsamen Namen
Waren es, abgesehen von der Ausnahme Mariental, am Anfang nur weiße, süße und einfache rote Weine, die für das Burgenland standen, kamen in den frühen Neunziger Jahren eine Menge neuer roter Kultweine hinzu, teure Tropfen, die sich einen Platz auf den nationalen und internationalen Märkten sichern konnten. Etwa Pöckls „Admiral“, Umathums „Hallebühl“, Nittnaus „Commondor“, Prielers „Ungerberg“, Heinrichs „Gabarinza“, vom gleichen Winzer später der noch viel kultigere und enorm teure „Salzberg“, oder Krutzlers „Perwolff“. Und noch etwas können burgenländische Winzer besser als andere: Das Cuvéetieren; das Bestimmen, welche Weine in welcher Relation einen guten Rotwein ergeben. Blaufränkisch mit Cabernet und Merlot. Oder mit Merlot und Zweigelt. Oder mit St- Laurent. Und so weiter. Kaum eine Möglichkeit, die ausgelassen wurde.
Roland Velich ging den umgekehrten Weg. Weg von der Cuvée. Und zurück zum reinsortigen Blaufränkischen, der immer mehr als die bestimmende Rebe des Burgenlandes angesehen wird. Der ehemalige Croupier Velich kommt aus einer angesehenen Weinbaufamilie. Im Zuge des Generationenwechsels kreierte er gemeinsam mit seinem Bruder Heinz den Kult-Chardonnay „Tiglat“, eine burgundische Kreation, die schnell die höchsten Weihen erfuhr und auch heute noch als bester Weißwein des Burgenlandes gilt. Roland Velich bewies, dass man in Österreich Weine internationaler Qualität machen kann. Der Tiglat wurde zum Markenzeichen des österreichischen Weinwunders, ein Phönix aus der Asche.
Doch ist der Tiglat immer ein Fremder geblieben. Im Seewinkel hat Chardonnay keine große Tradition, in der Region um Neckenmarkt, vom Seewinkel nur durch den schmalen Soproner Korridor getrennt, gibt es ihn fast gar nicht. Hier dominiert der Blaufränkische die Rebgärten. Und Roland Velich, mittlerweile aus dem familiären Weingut ausgeschieden, hat es sich vor fast zehn Jahren zur Aufgabe gemacht, den Blaufränkischen an die Spitze der weltweit wichtigsten Wertungen zu führen.
Parker: 95 Punkte. Und das für Blaufränkisch
Das ist ihm gelungen. Seine Kreation „Moric“ wurde von Robert Parker knapp an die Höchstwertung herangeführt. Diese Auszeichnung ist ein Garant internationalen Interesses; der Moric steht nun auch in den Weinkarten prominenter Restaurants in Los Angeles oder Sydney, er ist Österreichs Rotweinbotschafter geworden. Nicht alle Kollegen Velichs können verstehen, wieso gerade ein extrem autochthoner, nahezu altmodisch gemachter und extrem fürsorglich vinifizierter Garagenwein derartig röhrend Platzhirsch sein darf.
Denn Roland Velich zwängt die Sorte in ein gewagtes Korsett, er zitiert das Burgundische im Blaufränkischen. Diese Verschlankung – ganz gegen die Mode der fetten Marmeladenweine – wurde nach der Rückkehr des Autochthonen zum Inbegriff eines modernen und zeitgemäßen Weinbaus. Velich hatte den Finger am Drücker als diese Welle losging. Und so sehr er gegenwärtig hinter seinem Konzept steht, so sehr ist es auch sicher, dass Velich den nächsten Trend vor den anderen entdecken und ausarbeiten wird – bei Tiglat und Moric hat er das schon bewiesen. Wie andere Quereinsteiger macht sich Velich mit seiner fordernden und oft selbstbezogenen Art nicht nur Freunde. Doch mögen die alteingesessenen Winzer auch die Nase rümpfen, für die Zweit- und Drittkreationen verpachten sie gerne jene Felder, die sie nicht mehr zu bewirtschaften imstande sind.
Neben den wenigen Spitzenwinzern, die dem Burgenland internationales Renommee bringen, gibt es inzwischen auch einen breiten Mittelbau; Winzerfamilien, wie die Familie Kirnbauer, die in Deutschkreuz mehr als 300.000 Flaschen im Jahr keltert und davon einen großen Teil erfolgreich exportiert. Vom einfachen Blaufränkischen bis zum teuren Merlot: Die Kirnbauers sind der Barrique-Kultur treu geblieben. Und der Markt honoriert es.
Doch die Kirnbauers sind nicht das einzige Weingut, das Klasse und Masse zusammenbringt. Da gibt es noch die Pfneihsls, die im Mittelburgenland eine Art kalifornisches Weingut hingestellt haben, dann die Familie Wachter-Wiesler, die gemeinsam mit Erich Krutzler, Uwe Schiefer und einer Handvoll weiterer Winzer für den Aufstieg der südburgenländischen Region Eisenberg verantwortlich zeichnet. Da gibt es die Markenweingüter vereinigter Winzer, wie etwa Arachon oder Zantho. Und dann gibt es noch größere Betriebe, richtige Riesen, wie jener von Leo Hillinger (Eigenmarke: „Hill“), oder das Weingut der Fürsten Esterhazy.
Von anderen Feldern holen und eigenes keltern
Die Weine bei Esterházy keltert der Önologe und Kellermeister Josef Pusch, der bei der Cuvéetierung und der Kreation von einem Team französischer Önologen beraten wird. Esterházy produziert jährlich etwa 600.000 Flaschen Wein. Vom einfachen, extrem trinkfreudigen Welschriesling oder Weißburgunder bis hin zu elaborierten Lagenweinen, die auch in internationalen Verkostung überzeugen. Etwa der Weißburgunder der Lage „Tatschler“, der letztes Jahr zum dritten Mal in Serie die Burgunder-Throphy des Fallstaff-Weinführer gewonnen hat. Falstaff kürte auch den Merlot „Schneiderteil“ aus dem Jahrgang 2006 zum Sieger einer anderen Verkostung.
Pusch und seine Geschäftsführerin Elisabeth Kamper gehen den gewagten Weg der Dualität. Sie wollen in einem großen Weingut zwei Betriebe vereinen. Einerseits das Weingut der geradlinigen und fruchtig-perfekten, einfachen Weine; andererseits das Weingut der ehrgeizigen und bei Verkostungen und Prestigetrinkern beliebten Garagen- oder Boutiquenweine.
Der Vorteil eines kapazitätsorientierten Betriebes wie Esterházy ist, dass sich die gut kalkulierte Infrastruktur des großen Weinguts auch begleitend für einen keinen Prestigebetrieb verwenden lässt, ohne gleich in die Miesen zu taumeln. Anders gesagt: Ein kleiner Betrieb muss für Flaschen gleicher Qualität mehr Geld verlangen.
Und es gibt im Burgenland auch Exoten; Exoten mit Konzept, wie jenes von Heribert Bayer. Bayer ist kein Winzer, sondern ein Weinmacher. Der ehemalige Partnerschaftsvermittler, ein Heiratsstifter traditionellen Zuschnitts, begann seine zweite Karriere nach dem Vorbild großer Handelshäuser, die jedes Jahr Tonnen von Trauben kaufen und daraus mit Hilfe erfahrener Önologen eigene Kreationen keltern. Bayer hat sich in der Nähe von Neckenmarkt ein sehr funktionelles Wirtschaftsgebäude hingestellt, das nun gar nichts mehr mit alter Winzerromantik zu tun hat. Hier feilt er partnerschaftlich mit seinem Sohn an den gemeinsamen Weinen. Seine bedeutendsten Kreationen sind auch seine besten Weine: „In Signo Leonis“ , „In Signo Sagittarii“ und „In Signo Tauris“ – wie hat man anfangs über diese anmaßende Namensgebung gespottet.
Doch Bayer war das Gerede Dritter egal. Als Beweis der Richtigkeit seiner Ignoranz findet er seinen reinsortigen Pinot Noir unter den besten Weinen des Landes gelistet. Bayer hätte es sich gewiss einfacher machen können, denn diese Sorte zählt zu den kompliziertesten Trauben, die man anbauen kann. Gerade diese Herausforderung aber stachelt den Quereinsteiger an, hier Großes zu leisten; Großes, das der gewöhnliche Winzer oft nicht leisten will, da er lieber in seinem traditionellen Bild gefangen bleibt. Zudem haben Quereinsteiger wie Bayer mit ihren Spitzenkreationen nicht nur ökonomische Interessen. Es geht auch darum, das Prestige zu festigen, das Können zu beweisen, das man den einst Außenstehenden nicht zutraut.
Sonderlinge ohne Esoterik
Sonderlinge des burgenländischen Weinbaus sind auch Stefanie Eselböck und Eduard Tscheppe, die mit ihrem Gut Oggau einen strikt biodynamischen Weg gehen und Weine keltern, die keinem Mainstream zugehörig scheinen. Doch genau mit dieser brutal betonten Eigenständigkeit stehen die beiden Jungwinzer für die derzeitige Mode im internationalen Weinbau. Rückbesinnung auf teils archaische Techniken (Baumpresse, großes Holzfass), nachhaltiger An- und Ausbau, lange Lagerfähigkeit der Weine. Ähnlich, wenngleich eine Spur weniger konsequent, denken auch Winzer wie Markus Altenburger in Jois oder der schon vorhin erwähnte Uwe Schiefer.
Das Burgenland ist also im Weinbau extrem gut aufgestellt. Vor allem bei Rot- und Süßweinen. Bei all dem Jubel und der Freude über stabile Betriebe hört man skeptische Stimmen eher selten. Die meiste Kritik gilt der Preisentwicklung. Der heimische Konsument, so sagen die Händler, wird weitere Preisanstiege nicht mitmachen. Und die burgenländischen Winzer brauchen den Inlandsmarkt, denn für den Export fehlt ihnen Prestige. Die teure Cuvée Salzberg von Gernot Heinrich kann noch so viele Flaschen verkaufen, sie wird kein Le Pin oder Chateau Petrus werden. Das gilt auch für andere große burgenländische Weine. Der Weltmarkt teurer Prestigeweine ist weiterhin fest in der Hand von Frankreich, Italien und ein wenig noch Spanien und Kalifornien. Wenn dem österreichischen Konsumenten irgendwann die Lust vergeht, mit jeder Flasche Wein auch ein klein wenig Nationalstolz abzugelten, dann kommen schwere Jahre auf die burgenländischen Winzer zu. Noch ist keine Rede davon. Die meisten Winzer sind sicher, dass ihnen schwere Jahre noch lange erspart bleiben. Grund zur Sorge findet man im Burgenland nicht. Es klingt ein wenig trügerisch.
Die Burgenländischen Weine sind einfach zu teuer. Das Burgenland wird niemals Burgund oder Napa sein. Aber Ihr dürft träumen, das Aufwachen wird bitter
Im ersten fall ja leider, im zweiten gott-sei-dank!
Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dieselbe Entwicklung auch ohne Skandal passiert wäre, weil die jungen Winzer eine gute Ausbildung und Praktika im Ausland hatten. Das ewige Aufwärmen nach mehr als einem Vierteljahrhundert sollte wirklich endlich aufhören.
Und 200% in zwanzig Jahren? Naja, Captain, hoffentlich rechnest die Heuer anders. Vor zwanzig Jahren kostete ein Doppler 30,- Schilling, heute kostet eine Bouteille 30,- Euro.
Aber eines ist lächerlich, sorry, Burgund und Napa als Vergleich herzunehmen. In der Qualität gibts da wie dort genauso Gutes, wie Schwaches, nur dass das Schwache in Burgund immer noch 200,- Euro kostet und in Napa 100,- Dollar.
Und bei uns regen sich die Leut auf, wenn ein Winzer betriebswirtschaflich kalkuliert und 18,- Euro verlangt. Wollt ihr wirklich, dass alle zusperren, wenn einmal zwei Ertrags-schwache Jahrgänge hintereinander kommen?
Der Günther Farnleitner sperrt gerade zu – weil er eben nicht genug verlangen konnte.
Für Ausländer jeden Preis zahlen – für gute Österreicher nicht – wieder mal typische Kleinkrämer-Ansicht. Sorry.
tolles foto von dem herren kracher!! man beachhte die nicht vorhandene begrünung.. so weht der wind bei den vermeintlich besten süßweinen des landes
Abgesehen davon gibt es von fast allen im Artikel erwähnten Winzern ziemlich sehr gute Weine um die zehn Euro herum.
Schöner Artikel, allein mir fehlt die entfernte Verwandtschaft meinerseits: FEILER-ARTINGER.
Ruster Ausbruch ist unter den Edelsüßen eine Wucht. Und wer hat schon mal einen Solitaire getrunken?
Wenn nicht – nachholen!
Viele Grüße
Dr. S.Feiler
bei twitter: Halluxinfo