Ein Land wird an seinen Politikern gemessen. An seinen Fußballern. An seinen Künstlern. Was war es nicht für eine Erleichterung, als der Kriegsflüchtling Herbert Frahm alias Willy Brandt durch seinen Kniefall in Warschau Millionen Deutschen das Joch des nationalsozialistischen Erbes war. Was für ein Aufatmen der damals Jungen: Der anständige Deutsche war zurück.
Gleiches gilt für Lena Landrut, der Hüpfdohle aus Hannover. Kein verwegener Vergleich, denn Lena zeigt ein unbeschwertes Deutschland, ein Land, das nicht nur Dichter, Denker und Ingenieur sein will. Sondern auch mal gaga.
Und erst recht gilt das für die deutsche Nationalelf, die in Südafrika alles positive der Zuwanderung festgemacht hat, die ein neues Deutschland andeutet, ein Land, das sich seit 1968 in stetem Wandel befindet. Mehr Wandel, als in jedem anderem westlichen Land Europas, Spanien ausgenommen. Das kriegt man besser mit, wenn man, wie der Captain, als Ausländer in Deutschland lebt.
Aber neben den dramatisch Prominenten gibt es unzählige andere Deutsche, die ein positives Bild des Deutschen im Ausland prägen, ein Bild des Deutschen in der Fremde, das auf das Land zurückfällt. Ein so ein Deutscher ist Stephan Graf Neipperg.
Ein positives Bild des Deutschen, das auf das Land zurückfällt
„Sehen Sie mal“ sagt Neipperg und bremst das Auto auf der kleinen Landstrasse nahe St. Emilion abrupt ab, „sehen Sie mal hier, ich möchte gar nicht wissen, wie viel Chemie da im Boden liegt. Das hier ist leider alles kaputt.“ Neipperg selber hat solche Böden gekauft, als er in der Nähe von St. Emilion das Weingut Chateau d´Agiuhile erwarb. Es hat Jahre gedauert, die Erde wieder der Natur nahezubringen. Jahre. Und einiges an finanziellen Aufwand.
Stephan Graf Neipperg besitzt heute eine Gruppe bedeutender Weingüter im Bordeaux. Sein Vater Joseph Hubert von Neipperg hat mit dem Einkauf in der Region begonnen, als Deutschland in Frankreich noch unter dem Ruf des Nationalsozialismus litt. Stephan Neipperg studierte in Paris und erlebte die abebbenden Studentenaufstände der Mittsiebziger aus nächster Nähe. Etwas von dieser Zeit ist ihm heute noch anzumerken. Neipperg zeigt etwas hervorstechend Antiautoritäres. Hier bremst der Franzose in Neipperg den Deutschen aus.
Neipperg verfügt über die Chateaus Canon La Gaffeliere, Clos de l´Oratoire, Peyreau, d´Aiguilhe, Marsalette und La Mondotte. Er ist zudem Teilhaber beim Sauternes-Gut Chateau Guiraud und bei der bulgarischen Enira-Gruppe (sehen sie unserne gestrigen Beitrag). Der Landbesitz und die Beteiligungen werden von Wirtschaftsjournalisten inzwischen auf einen dreistelligen Millionenbetrag geschätzt. Neippergs Firma besitzt trotz freudiger Expansion keine wesentlichen Verbindlichkeiten. Der Mann kann offenbar gut wirtschaften.
Eine Gruppe bedeutender Weingüter, die alle Nischen besetzen
Und er hat die Firma gut aufgestellt, hat in der Region so gut wie alle Nischen besetzt. Marsalette und d´Aiguilhe gelten als kleine und gute Weingüter in weniger prominenten Regionen des Bordeaux. Sie sind exzellente Preis-Leistungs-Weine. Peyreau und Oratoire liegen im teuren St. Emilion und sind der Unterbau der Gruppe, perfekte Weine ohne großes Getue, die leicht Abnehmer finden. Canon La Gaffeliere ist das Gebäude der Gruppe, das größte und angesehenste Gut, regelmäßig an vorderer Stelle, wenn es um Wertung und Ranglisten geht. La Mondotte deckt das Segement der luxuriösen Garagenweingüter ab. Mit Giraud hat man auch einen teuren Süßwein im Programm, mit Enira ein preisgünstiges und hervorragendes Massenprodukt, das trotzdem keiner klassisch-industriellen Fertigung entspricht. Jede Flasche bei Niepperg ist irgendwie wertvoll; jede Flasche trägt Neippergs Handschrift.
Dazu gehört der Riecher rechtzeitig das Richtige zu tun und zu wissen, was angesagt sein könnte. Und auch zu erkennen, was andere nicht sehen. Neipperg fährt den Wagen wieder an die Seite und zeigt auf einige flachen Hügel in St. Emilion. „Sehen Sie, das ist durchschnittliches Land“. Der Captain kann das nicht erkennen, doch Neipperg erklärt es mit der Beschaffenheit der Böden. „Wenig wert“, sagt er.
Wir fahren ein paar hundert Meter nur und sind bereits in den Cotes de Castillion, einer Nachbargemeinde von St. Emilion. „Und sehen sie her“ sagt Neipperg, „viel besseres Land um viel weniger Geld. Hier kostet der Hektar etwa 30.000 Euro. Mit dem Sanieren der Böden und der Wartezeit kommst du auf 60.000 Euro. Nur weil es in den Cotes Castillion liegt.“
Neipperg macht seine Weine zu unaufdringlichen Kultgetränken
Natürlich könnte jetzt jeder kommen und ein Gut in den Cotes de Castillion aufbauen, ein paar gute Hektar gibt es hier immer zu kaufen, denn auch Bordeaux spürt extrem die Krise. Vor allem die vielen durchschnittlichen Weingüter. Doch es ist eben nur Castillion. Und nicht St. Emilion. Und deswegen wird es auch nicht gekauft. Ausser man heißt Neipperg und bringt seinen Namen ein. Neipperg, das ist auch La Mondotte und La Gaffeliere. Neipperg ist Luxus.
Mittag in St. Emilion. Stephan Graf Neipperg betritt ein bekanntes Bistro und wird mehrfach begrüßt. Er ist ein respektierter Weinmacher. Und anders, als andere wichtige Chateaubesitzer, lässt sich Neipperg auch bei den Leuten blicken. Neipperg ist ein populistischer Deutscher, das war vor Ort (neben der Sprachkenntnisse) wohl die Garantie des erfolgreichen Überlebens. Neipperg hat sich assimiliert. Und ist Deutscher geblieben. Einer der neuen Deutschen, Botschafter einer Republik im permanenten Wandel.
Ein toller und vor allen Dingen sehr sympathischer Mensch. Wenn der dann auch noch gute Weine macht – was will man mehr!
Da hat die PR-Agentur des Grafen wohl ganze Arbeit geleistet, derartige Lobhudeleien liest man derzeit überall. Nimmt der Captain für sowas Geld? Im Handelsblatt kommt übrigens der billigere Enira besser weg, als der teure.
Klar doch, der Captain hat ja auch ein Schiff und sie haben nichts außer der Anonymität hinter der sie sich verbergen.