Na toll. Nachdem mein erster Vortrag an Bord schon reichlich spröde vonstatten gegangen war (Theoriebildung über die Zukunft der Spätlese oder – noch unveröffentlicht – die Frage nach der Sortimentsphilosphie des Fachhandels – beide Themen finden viele Matrosen sicherlich so spannend wie das Sexualleben der Blattläuse), hat sich der Captain als erste Aufgabe etwas Unterhaltsameres für mich einfallen lassen: „Einfache Spätburgunder“ trinken. Die aktuellen Jahrgänge. Bekannte Winzer, sichere Banken.
Als ob ich in meiner Studienzeit nicht schon genug einfache Weine hätte trinken müssen. Doch wenn am deutschen Rotweinwunder im Allgemeinen und dem Hype um deutsche Spätburgunder im Speziellen wirklich etwas dran ist, sollte das doch zu allererst die Basis der Weinkollektionen, die Weine für jedermann und jeden Tag, widerspiegeln. Gut möglich also, dass die Gelegenheit nie besser war, sich durch das untere Ende der deutschen Spätburgunderlandschaft zu trinken. Und da man gerade die großen Güter immer an ihren kleinen Weinen messen soll, mache ich – laut Auftrag – genau das. Was bekommt man also bei den großen Namen für kleines Geld?
Mal bei Salwey riechen
Beginnen wir mit einem Winzer, der am Schiff bereits vielfach Lob für kleine wie auch große Kreszenzen einstecken durfte und vor längerer Zeit meine erste Begegnung mit deutschem Spätburgunder darstellte. Vor mir stehen zwei Flaschen aus Baden. Vom Kaiserstuhl. Von Salwey. Der einfachere der beiden, der Spätburgunder Kaiserstuhl, ist mit einem Schrauber verschlossen. Warum dieser allerdings ein Dasein vollkommen ohne innere Dichtung fristen muss, erschließt sich mir nicht. Vielleicht kann das einer der Stelvin-Fanatiker erklären. Im Glas zeigt er ein helles Granatrot ohne merkliche Randaufhellung.
Der Wein ist unfiltriert, trotzdem fast vollständig klar. In der Nase vor allem eine erstaunliche, für das Alter doch verwunderliche Frische: Kirsche, Himbeere und weiße Johannisbeere. Im Mund fällt als erstes die jahrgangsbedingt straffe, alle anderen Eindrücke gliedernde Säure auf, in die sich eine klare Johannisbeerfrucht, die senfige Schärfe von Rucola und erstaunlich spürbare Tannine einhängen. Ein guter Start, ein geradliniger und gehaltvoller, aber auch einfacher Wein, der leicht gekühlt gut zu Geflügel passt. Und auch zu aromatischen Fisch.
Noch besser gefällt mir allerdings der zweite Wein von Salwey, diesmal mit Kork verschlossenen, der Spätburgunder Käsleberg. Im Glas blutrot und glänzend, in der Nase weniger frisch als sein „einfacher“ Vorgänger, dafür aber fokussierter auf Die Frucht: kleine süße Walderdbeeren begleiten eine balsamische Würze vom Ausbau in gebrauchten Barriques. Im Mund ist der Wein rund und zeigt wenig Säure, was sicherlich auch dem reifen Jahr geschuldet ist. Aromatischen Noten von weißem Pfeffer, schöne Balance und stringente Eleganz.
„Der Wein ist unfiltriert, trotzdem fast vollständig klar“
Wieso auch nicht?
Klar ist das für den „Profi“ nicht verwunderlich. Doch die meisten Matrosen hier sind keine Profis und denken bei unfiltrierten Weinen an Schwebstoffe..