X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

So ist´s gut, Genosse Mavrud

Dutta begeht hier gerade Fastenbruch mit bulgarischem Rotwein.
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Indermaat Robin Dutta stänkert, denn die vergangenen Karnevalstage lagen dem Jammerlappen nicht. Eine besondere Flasche aus Bulgarien weckt ihn aus seiner feindlichen Lethargie und lässt ihn schwärmen. Ausgerechnet Bulgarien!
Anzeige

Endlich ist dieser Mist vorbei. Die tollen Tage finde ich gar nicht toll. In Bochum, also Ruhrpott, sind die Auswirkungen nicht ganz verheerend wie im nahen Rheinland, aber immer noch nervig genug. Ich bin nämlich ein ausgesprochener Karnevalsmuffel. Der programmierte Frohsinn geht mir tierisch auf die Nerven, im Ernst! Die Kölschstangen und die Kümmerlingrädern, die aufgedrehten Büroangestellten mit Teddybärkrawatten und Feiglingfahne. Ekelhaft. Anzügliche ältere Frauen, provinzielle „Cougars“ mit idiotischen Kostümen, illuminieren das Stadtbild mit grellem Make-up und orchestrieren S-Bahnfahrten mit lauten Gesängen. Hilfe!

Karneval, eigentlich die beste Zeit, um zu fasten. Um nüchtern zu werden. Rosenmontag als Entschlackungstag. Zum Glück ist diese entbehrungsreiche Zeit vorbei. Antizyklisches Fastenbrechen ist angesagt. Mit bulgarischem Rotwein.

Brusthaar und Goldkettchen

„Mammuth“ heißt er. Meine Herren, wie kolossal das klingt. Unweigerlich denke ich an die bulgarische Fußballnationalmannschaft von 1994, viel Brusthaar, viel Gold am Handgelenk. Sorry, ich kann nichts gegen diese Gedanken tun. Die Etikettgestaltung trägt auch nicht gerade dazu bei, meine Bedenken zu zerstreuen.

Diese Vorurteile haben aber auch rationalere Gründe. Auf Messen habe ich in den letzten Jahren immer wieder mal bulgarischen Wein getrunken. Entweder waren mir die Bordeauxblends zu international und austauschbar. Dabei auch zu teuer. Oder die einheimischen Rebsorten zu ruppig und einfältig.

Na, dann will ich mal die Flasche aufziehen. Gut, er korkt schon mal nicht. Ist ein Anfang. Ziemlich dunkel im Bordeauxglas, granatfarbener Rand. Die erste Überraschung: nicht die Spur von Oxidation oder zu argen Alterungsnoten in der Nase. Würzig. Sehr vielschichtig. Hier ist kein plumpes, dickes Gesöff im Glas. Der „Mammuth“ hat Stil und Charakter, soviel kann ich jetzt schon sagen.

Perücke trifft Parfüm!

Der zweiter Schwenker. Herrlicher Mandel- und Feigenduft steigt aus dem Glas auf. Dreckige Pudrigkeit wie eine sehr, sehr lang getragene Barockperücke. Menthol. Pinienkerne.

Dann der erste Schluck. Dunkle Beeren, feines Zedernholz am Gaumen. Eine extrem anmachende Cabernetaromatik! Jetzt kommt gar eine weitere Geschmackswelle hinterher. Zimt und Rosmarin füllen den Mund aus. Langer Abgang. Eine feine Säure lässt den Speichel fließen und alle Sinne verlangen nach dem nächsten Schluck. Druck hat er immer noch.

Das Aromenkarussel dreht sich immer wilder weiter. Weihrauch und Patchouli stechen nun hervor, aber niemals plump, denn Bergamotte sorgt für Frische. Das Parfüm „Shalimar“ kommt mir da in den Sinn, aber ohne die lästige Penetranz des olfaktorischen Klassikers aufzuweisen.

Herrschaften, wir sprechen hier von einem grandiosen 2003er! Von der Stilistik her würde ich ihn wegen seiner exotischen Anklänge mit dem roten Château Musar aus dem Libanon vergleichen. Dem ein oder anderen Wein aus den spanischen Regionen Monsant oder Priorat ähnelt er sicherlich auch. Und wenn ich ganz tief buddel, ist auch ein winziger Hauch St.Julien, Bordeaux, dabei…

Mit runden Euro 30 ist er natürlich nicht günstig. Aber dafür ist es auch kein Allerweltswein, den der Erzeuger Weinkellerei Assenovgrad auf die Flasche zieht. Seine Lagerfähigkeit hat er schon mal durch seinen guten Auftritt heute unter Beweis gestellt. Kommen wir zu den Rebsorten.

Die Trauben für diesen Wein stammen aus der Oberthrakische Tiefebene. Genauer gesagt aus der Region um Assenovgrad, Südbulgarien, und auch weiter südlich gelegenen Gebieten (Rhodopen-Gebirge, Tal von Mariza). Da sind wir schon auf dem Weg Richtung Griechenland.

Rubin schlägt Robin k.o.

Im Sommer wird eine „grüne Lese“ durchgeführt, in deren Verlauf die Trauben vor ihrer Verfärbung ausgedünnt werden. Die eigentliche Ernte erfolgt später ausschließlich per Hand. Der Wein wird in Barriques für 12-15 Monate ausgebaut. Er hat nur 13,2% Alkohol. Ein Knaller!

Die einheimische Rebsorte Mavrud ist ungefähr zur Hälfte im Verschnitt vertreten. Dickschalige, kleine Beeren ergeben einen kräftigen, gerbstoffbetonten Wein. Es ist die berühmteste Rebsorte Bulgariens. Aber ein Großteil seiner Magie stammt, so tippe ich, aus der Rebsorte Rubin.

Rubin ist eine bulgarische Kreuzung der Rebsorten Syrah und Nebbiolo. Die ich übrigens beide sehr schätze. Sie bringt Farbe, Säure und hochkomplexe Aromen ins Spiel. 1961 wurde sie in Bulgarien zugelassen. Sie gelangt einige Wochen früher als Mavrud zur Reife. Weine aus dieser Rebsorte stehen bei mir ab sofort unter schärfster Beobachtung! Das letzte Viertel besteht aus Cabernet Sauvignon. Bringt unverkennbar Rasse und Stil mit in die Cuvée.

Omar Sharif als Flaschengeist

Orientalische Üppigkeit und osteuropäisches Feuer, reife Gerbstoffe und ganz feine Säure, irrwitzige Aromen und straffe Ernsthaftigkeit zeichnen diesen Omar Sharif der Rebensäfte aus. Natürlich geht der „Mammuth“ auch gut zur rustikalen, herzhaften Küche. Es darf aber ruhig auch feines Fleisch sein.

Endlich mal ein Wein, der sich nicht leicht schubladisieren lässt. Einfach trinken und staunen.

Ich schenke mir großzügig nach, schnappe mir Christian Krachts verrückten neuen Roman „Imperium“ und mache es mir gemütlich. Zur Sicherheit nehme ich die angebrochene Flasche mit unter Deck. So wird die Nase von ganz allein zur Clownsnase.

  • Mammuth, Cuvée aus Mavrud, Rubin, Cabernet Sauvignon, (13,2% vol.), Weinkellerei Assenovgrad, für € 29,90.
 

Datum: 25.2.2012 (Update 1.12.2014)
 

Aktuelle Weinempfehlungen