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Endlich ist dieser Mist vorbei. Die tollen Tage finde ich gar nicht toll. In Bochum, also Ruhrpott, sind die Auswirkungen nicht ganz verheerend wie im nahen Rheinland, aber immer noch nervig genug. Ich bin nämlich ein ausgesprochener Karnevalsmuffel. Der programmierte Frohsinn geht mir tierisch auf die Nerven, im Ernst! Die Kölschstangen und die Kümmerlingrädern, die aufgedrehten Büroangestellten mit Teddybärkrawatten und Feiglingfahne. Ekelhaft. Anzügliche ältere Frauen, provinzielle „Cougars“ mit idiotischen Kostümen, illuminieren das Stadtbild mit grellem Make-up und orchestrieren S-Bahnfahrten mit lauten Gesängen. Hilfe!
Karneval, eigentlich die beste Zeit, um zu fasten. Um nüchtern zu werden. Rosenmontag als Entschlackungstag. Zum Glück ist diese entbehrungsreiche Zeit vorbei. Antizyklisches Fastenbrechen ist angesagt. Mit bulgarischem Rotwein.
Brusthaar und Goldkettchen
„Mammuth“ heißt er. Meine Herren, wie kolossal das klingt. Unweigerlich denke ich an die bulgarische Fußballnationalmannschaft von 1994, viel Brusthaar, viel Gold am Handgelenk. Sorry, ich kann nichts gegen diese Gedanken tun. Die Etikettgestaltung trägt auch nicht gerade dazu bei, meine Bedenken zu zerstreuen.
Diese Vorurteile haben aber auch rationalere Gründe. Auf Messen habe ich in den letzten Jahren immer wieder mal bulgarischen Wein getrunken. Entweder waren mir die Bordeauxblends zu international und austauschbar. Dabei auch zu teuer. Oder die einheimischen Rebsorten zu ruppig und einfältig.
Na, dann will ich mal die Flasche aufziehen. Gut, er korkt schon mal nicht. Ist ein Anfang. Ziemlich dunkel im Bordeauxglas, granatfarbener Rand. Die erste Überraschung: nicht die Spur von Oxidation oder zu argen Alterungsnoten in der Nase. Würzig. Sehr vielschichtig. Hier ist kein plumpes, dickes Gesöff im Glas. Der „Mammuth“ hat Stil und Charakter, soviel kann ich jetzt schon sagen.
Perücke trifft Parfüm!
Der zweiter Schwenker. Herrlicher Mandel- und Feigenduft steigt aus dem Glas auf. Dreckige Pudrigkeit wie eine sehr, sehr lang getragene Barockperücke. Menthol. Pinienkerne.
Dann der erste Schluck. Dunkle Beeren, feines Zedernholz am Gaumen. Eine extrem anmachende Cabernetaromatik! Jetzt kommt gar eine weitere Geschmackswelle hinterher. Zimt und Rosmarin füllen den Mund aus. Langer Abgang. Eine feine Säure lässt den Speichel fließen und alle Sinne verlangen nach dem nächsten Schluck. Druck hat er immer noch.
Das Aromenkarussel dreht sich immer wilder weiter. Weihrauch und Patchouli stechen nun hervor, aber niemals plump, denn Bergamotte sorgt für Frische. Das Parfüm „Shalimar“ kommt mir da in den Sinn, aber ohne die lästige Penetranz des olfaktorischen Klassikers aufzuweisen.
Herrschaften, wir sprechen hier von einem grandiosen 2003er! Von der Stilistik her würde ich ihn wegen seiner exotischen Anklänge mit dem roten Château Musar aus dem Libanon vergleichen. Dem ein oder anderen Wein aus den spanischen Regionen Monsant oder Priorat ähnelt er sicherlich auch. Und wenn ich ganz tief buddel, ist auch ein winziger Hauch St.Julien, Bordeaux, dabei…
Mit runden Euro 30 ist er natürlich nicht günstig. Aber dafür ist es auch kein Allerweltswein, den der Erzeuger Weinkellerei Assenovgrad auf die Flasche zieht. Seine Lagerfähigkeit hat er schon mal durch seinen guten Auftritt heute unter Beweis gestellt. Kommen wir zu den Rebsorten.
Die Trauben für diesen Wein stammen aus der Oberthrakische Tiefebene. Genauer gesagt aus der Region um Assenovgrad, Südbulgarien, und auch weiter südlich gelegenen Gebieten (Rhodopen-Gebirge, Tal von Mariza). Da sind wir schon auf dem Weg Richtung Griechenland.
Rubin schlägt Robin k.o.
Im Sommer wird eine „grüne Lese“ durchgeführt, in deren Verlauf die Trauben vor ihrer Verfärbung ausgedünnt werden. Die eigentliche Ernte erfolgt später ausschließlich per Hand. Der Wein wird in Barriques für 12-15 Monate ausgebaut. Er hat nur 13,2% Alkohol. Ein Knaller!
Die einheimische Rebsorte Mavrud ist ungefähr zur Hälfte im Verschnitt vertreten. Dickschalige, kleine Beeren ergeben einen kräftigen, gerbstoffbetonten Wein. Es ist die berühmteste Rebsorte Bulgariens. Aber ein Großteil seiner Magie stammt, so tippe ich, aus der Rebsorte Rubin.
Rubin ist eine bulgarische Kreuzung der Rebsorten Syrah und Nebbiolo. Die ich übrigens beide sehr schätze. Sie bringt Farbe, Säure und hochkomplexe Aromen ins Spiel. 1961 wurde sie in Bulgarien zugelassen. Sie gelangt einige Wochen früher als Mavrud zur Reife. Weine aus dieser Rebsorte stehen bei mir ab sofort unter schärfster Beobachtung! Das letzte Viertel besteht aus Cabernet Sauvignon. Bringt unverkennbar Rasse und Stil mit in die Cuvée.
Omar Sharif als Flaschengeist
Orientalische Üppigkeit und osteuropäisches Feuer, reife Gerbstoffe und ganz feine Säure, irrwitzige Aromen und straffe Ernsthaftigkeit zeichnen diesen Omar Sharif der Rebensäfte aus. Natürlich geht der „Mammuth“ auch gut zur rustikalen, herzhaften Küche. Es darf aber ruhig auch feines Fleisch sein.
Endlich mal ein Wein, der sich nicht leicht schubladisieren lässt. Einfach trinken und staunen.
Ich schenke mir großzügig nach, schnappe mir Christian Krachts verrückten neuen Roman „Imperium“ und mache es mir gemütlich. Zur Sicherheit nehme ich die angebrochene Flasche mit unter Deck. So wird die Nase von ganz allein zur Clownsnase.
- Mammuth, Cuvée aus Mavrud, Rubin, Cabernet Sauvignon, (13,2% vol.), Weinkellerei Assenovgrad, für € 29,90.
Also ehrlich, ich finds grds. gut, dass auch mal über Nischen-Weine geschrieben wird – aber 30 Euronen für einen Wein aus Bulgarien, der schmeckt wie „…Château Musar aus dem Libanon…“?
Lieber Herr Hofer,
Chateau Musar ist zumindest für mich eine ziemlich hohe Messlatte und eine ordentliche Referenz. Das ist natürlich abhängig von persönlichen Vorlieben, Jahrgang etc….Musar ist stilistisch sehr unterschiedlich, mal Richtung Rhone, mal eher eine andere frz. Weinregion…Zumeist ist er seinen Preis wert, auch die Weissweine konnten mich schon überzeugen.
Sehr gerne hätte ich auch einen günstigeren bulgarischen Wein beschrieben, doch z.B. ein interessanter Wein der Rebsorte Melnik war nicht sehr stabil und deutlich diffuser als der „Mammuth“.
Verstehe ich sie richtig, dass Sie eher nicht bereit sind, soviel Geld für einen libanesischen Wein auszugeben? oder einen bulgarischen?
Gruß Maat Dutta
Und ich dachte aus Plowdiv kommen nur bulgarische Schwarzarbeiter und Damen des Gewerbes (siehe Dortmund und deren Problematik mit Einwanderen aus dieser Region).
Da bin ich allerdings eines Besseren belehrt worden. Auch mir hat der Wein ausnehmend gut gefallen. Ich würde ihn sogar in meine Jahrgangshighlights für das Jahr 2012 aufnehmen, dass zugegeben zur Zeit an Highlights noch arm ist. Aber das liegt ja an mir. Muss ich einfach mehr trinken.
Ich habe mir bei der Verkostung notiert Libanon meets Priorat. Das war für mich die beste Assoziation.
Auch Luft bekommt dem Wein gut. Nach 24 Stunden Luft hat er mir viel besser geschmeckt und keine Spur von Oxidation.
Luft, lieber Robin, tat auch dem Uwe Schiefer gut – aber das ist ja ein anderes Thema….
Auch mich hat dieser Wein neugierig auf Bulgarien gemacht, obwohl der Preis sicherlich schon eine Ansage ist.
2003 war übrigens in Bulgarien gar nicht so heiß wie bei uns. Woher ich das weiß? Der liebe Matze, der sich ja gerade irgendwo in Indonesien rumtreibt, war 2003 in Bulgarien zelten – und er wurde sehr nass und hat sehr gefroren…
Robin mit solchen Weinen kannst Du mich öfter überraschen!!!
Jau,
ich tu mein Bestes! 😉
Sehr spannend finde ich, was diese Rebsorten können.
Danke Jens für Deine Ergänzungen.
Teilweise steckt übrigens schwedisches Know how hinter der Vinifizierung.
Bin mal gespannt, was die ProWein für Überraschungen bringt.
und: ob in näherer Zukunft ähnliche Qualitäten aus Indien kommen könnten. Genau, Indien. Vielleicht noch nicht 2012, aber wer weiss das schon so genau.Da werde ich sehr genau hinschauen und auch hier berichten…bald dazu mehr!!!
Schwedisches Know-How?
Ich dachte immer, Schweden können ganz tolle Möbel bauen, vielleicht noch robuste Autos. Aber ist deren Mitwirken im Weinbau jetzt ein Qualitätsmerkmal?
Ich meine, sie machen ja so furchtbar viel Wein.
Ahoi und Hicks Co-Maat Golenia,
ich liefere gerne skandinavische Aufklärung in die rheinischen Gefilde. V und S ist eine int. Firma mit schwedischem Hauptsitz, welche alkohol. Getränke erzeugt und vertreibt. Sie gehört heute zu Pernod und Ricard. Meinen dürren, papiernen Unterlagen zufolge hat der bulgarische Erzeuger des „Mammuth“ gemeinsam mit schwedischen Fachleuten von V und S die technischen Gerätschaften zur Traubenverarbeitung entwickelt. kollegialen Gruß ausm Pott.
Lieber Maat Dutta,
ich bin grundsätzlich bereit, auch mal 30 € für einen Wein aus dem Libanon, Bulgarien oder einem ähnl., weniger etablierten Herkunftsgebiet auszugeben, falls der Geschmack den Preis rechtfertigt. Allerdings sind 30 € eine Ansage und für ein eher unbekanntes Weinbaugebiet äußerst selbstbewußt. In dieser Preiskategorie konkurriert der Wein mit sagen wir mal sehr guten Brunellos. Der durchschnittlich ignorante Weintrinker dürfte hier ins grübeln kommen. Ein solcher Vergleich mit der etablierten Weinwelt muß erlaubt sein und läßt mich am Verkaufserfolg des Super-Bulgaren stark zweifeln. Wie gesagt, ich finde es dennoch gut und interessant, auch mal etwas über solche Nischen-Weine zu lesen.
Herr Hofer,
ich stimme mit Ihnen überein und gehe noch weiter. Der durchschnittliche Weintrinker, der nicht einmal ignorant sein muss, wird auch keine Eur 15 ausgeben für einen bulgarischen Wein. Das sage ich mit Einzelhandelserfahrung.
Ob man um die Eur 30 sehr gute Brunellos / Brunelli bekommt, sei dahingestellt. Nächste Woche verkoste ich die Drei-Gläser Gambero Rosso Weine, darunter auch Brunello etc. Bin mal gespannt, was da so ganz aktuell abgeht.
Aber solche Artikel bringen Weinregionen auf den Schirm, die man sonst eher vernachlässigt. Die Qualität war wirklich überzeugend.
Ist sicher ein Wein für Freaks und als Pirat bestens geeignet, um Verkostungen aufzumischen.
Also Herr Dutta,
ich meine, es gibt sehr wohl sehr gute Brunelli für um die 30 €, zum Beispiel von Baricci. Ob die dann auch tre bicchieri im Gamberomafia haben, weiß ich allerdings nicht. Oder noch billiger, aber nicht schlechter, Vino Nobile, vielleicht von Boscarelli.
Guten Abend,
Baricci ist allerdings sehr, sehr gut. aber eher die brunelloausnahme, die nicht die regel bestätigt.
vino nobile ist auch nett. da stimme ich gerne zu. war vor einigen jahren vor ort und hab mich dort intensiv umgeschaut.
der bulgare ist meiner meinung nach kompromissloser und facettenreicher als das meiste aus der toskana in dieser preisklasse.
und die“mafia“ lassen wir „mafia“ sein. ich bediene mich da mal Ihrer Terminologie. Bin gespannt, was in 1 Woche ins Glas kommt. Sicherlich richtig ist, dass eher kantige, sperrige etc. Weine weniger Chancen haben… Richtig ist auch, dass ich kantige, sperrige Weine eher gut finde…Zumeist.