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Silvaner von Rothe: das Gegengift

Bio-Winzer Manfred Rothe.
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Alle reden über Pestizide, aber beim Trinken interessiert das keinen. Trotzdem gibt es Winzer, die seit langem darauf verzichten. Einer von ihnen ist Silvaner-Meister Manfred Rothe.
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In der deutschen Weinbranche macht in diesen Tagen ein Zeitungsartikel die Runde, der auf dem Portal der linken „taz“ erschienen ist und dafür sorgt, dass auch Leute jenseits der Kernzielgruppe dieser Medienmarke den Inhalt aufsaugen wie die Besucher des Berghain das Koks. Naja, zumindest manche. Vor dem ersten Lockdown. Heute gehen ja eher kulturnahe Menschen in das ehemalige Industriegebäude, weil dort die Berliner Künstlerszene eine Werkschau abhält. Dass es zwischen beiden eine Schnittmenge gibt, schließt der Captain nicht aus. Zurück zur „taz“, die der Captain für die handwerklich bestgemachte überregionale Tageszeitung hält, die in Deutschland hergestellt wird, obwohl er sich nicht der anvisierten Leserschaft zugehörig fühlt.

In diesem Artikel geht es um den Gebrauch von Pflanzengiften im Bordelais. Wieder mal. Man kann die Uhr danach stellen. Die Kombination von Bordeaux und Pestizide gehört zur Spezies des jährlichen Pressemurmeltiers. Genauso wie der Vorstoß von Friedrich Merz an die Parteispitze und sein sicherer Tritt in die Scheiße. Jedes Jahr dasselbe Schauspiel. Der „taz“-Artikel ist lang. War der Artikel in der „Süddeutschen“ letztes Jahr auch. Überschrift der „taz“: Schmutziger Tropfen. Überschrift der „Süddeutschen“: Die Trauben und der Tod.

Es geht um krebserregende Substanzen, die auf Weinberge versprüht werden, und Menschen, die an Krebs erkranken, weil sie in der Nähe leben. Die Story ist wahr, aber nicht neu. Und wiederholt in der Essenz folgende Aussage: Der mitteleuropäische Weinbau im wirtschaftlich relevanten Umfang ist ohne Spritzmittel nicht möglich, denn Weinpflanzungen sind Monokultur und perfektes Biotop für Parasiten und Schädlinge. Ganz schrecklich für Leute, die dort atmen. Nicht schrecklich für Leute, die das austrinken, was aus den bespritzten Trauben hergestellt wird. Wein, der in die ganze Welt exportiert wird, auch nach Deutschland, wo offenbar noch keiner daran gestorben ist. An den Pestiziden, meine ich, nicht am Alkohol, denn daran sterben Tausende, Zehntausende, ich weiß es nicht, denn ich habe die Statistik gerade nicht bei der Hand. Es ist wie bei der Supermarktwurst. Alle lesen mindestens einmal im Jahr, welcher Dreck bei Laschet-Freund Tönnies in die Pellen gestopft wird und sind kurz schockiert. Drei Tage später landet die Billig-Mett wieder im Warenkorb.

Warum stehen solche Stories wie die aus der „taz“ eigentlich nie in den bunten Weinzeitschriften, die man in Deutschland kaufen kann und deren Verkoster bestens über die Umstände Bescheid wissen? Man muss nicht lange nachdenken. Denn die Gebietsvermarkter des Bordelais und ihre deutschen Agenturen liefern in den Weinverlagen dicke Geldbeträge ab, damit dort Geschichten über Biodiversität gedruckt werden. Macht der Captain natürlich niemals. Nicht aus überlegener Moral, sondern weil er noch nie ein Angebot dieser Sorte bekam. Weinbaufunktionäre sind bekanntermaßen noch nicht im Internet angekommen. Das wird schon.

Als der fränkische Winzer Manfred Rothe im Jahr 2002 den Sprung vom Kochtopf für Feinschmecker in die Selbstständigkeit als Bio-Winzer mit 2,8 Hektar Rebland wagte, war für ihn klar, dass der Griff zur Giftspritze nicht in Frage kommt. Die Situation des fränkischen Weinbaus damals spielte ihm in die Hände. Flurbereinigung und die Segnungen der konventionellen Bewirtschaftung hatten die Erträge in die Höhe getrieben, sodass Übermengen produziert wurden und der Weinpreis verfiel. Rothe zum Captain: In dieser Kultur begann ich Wein zu machen.

Rothe, der mit einer Begabung zur feinen Selbstironie gesegnet ist, blieb gar nichts anderes übrig, als es komplett anders zu machen. Und aus diesem Grund stehen 18 Jahre später traumhafte Rothe-Weine auf dem Verkostungstisch des Captain. Zum Beispiel der maischevergorene Silvaner Indigenius, der innerhalb weniger Jahre zur aufregenden Weinlegende geriet und 25 Euro kostet. Schmeckt großartig! Oder der leistbare Silvaner Grande, der Rothe zu Beginn seiner zweiten Karriere in den Fokus der Sommeliers schoss. Das ist für den Captain der Inbegriff des neuen alten Silvaners: erdig, ein bisschen speckig, rauchig und zugleich trocken-frisch-gelbfruchtig. Für 12 Euro high quality und ein grandioses Schnäppchen. In der Nase dezent gelbfruchtig, etwas Pfirsich, ganz wenig milder Räucherspeck. Im Mund herrlich rauchig, vegetabil nach kalter Minestrone, dann gelber Apfel und ein bisschen Haselnuss. Sehr eleganter und dabei fruchtiger Wein, der eine beeindruckende Ruhe verströmt, wenn man ihn im Mund hat, wo er mit feinwürzigen Gerbnoten den Gaumen krault, was von einem amtlichen deutschen Weinprüfer so kommentiert wurde: bitter. Ja, das ist bitter.

Manfred Rothe hat (noch) keinen Online-Shop, weshalb man ihm eine nette E-Mail schicken muss. Schöne Grüße vom Captain! Und nochmal: Kein Gift im Wein wirkt so gefährlich wie Alkohol und das völlig legal.

 

Datum: 7.12.2020
 

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