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Silvaner & Spargel – so ein Quargel!

Im Weingut derer zu Löwenstein.
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Markus Vahlefeld trinkt einen alten, wunderbar gereiften Franken-Silvaner. Mit Spargel. Eigentlich hasst er Silvaner zu Spargel, denn die Kombination wird im Übermaß gehypt.
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Dieser Mär, dass der beste Wein zum Spargel der Silvaner sei, ist nicht beizukommen. Dabei passt fast jeder ordentliche Weißwein ohne übermäßigen Holzeinsatz zum Spargel. Ein frischer Riesling, ein Weißburgunder, ein Grüner Veltliner, selbst gutes Sprudelwasser á la Raumland Sekt oder Crémant de Loire von Aldi – alles gut. Ach, und den Silvaner hatte ich vergessen. Der geht auch.

Seit unsere Freunde aus dem Osten im Akkord die weißen Stangen wieder aus der Erde stechen, vergeht kein Tag, in dem ich nicht irgendwo – sei es im Supermarkt, Internet oder Genussmagazin – darauf aufmerksam gemacht werde, dass eben dieser oder jener Silvaner so perfekt zum Spargel passt.

Bekommt man den Silvaner sonst nicht an den Mann oder die Frau, dass er in den 8 Wochen Spargelzeit angepriesen werden muss wie weiland das Sauerbier? Muss denn der Silvaner immer nur mit diesem spargeligen Nichts-Geschmack kombiniert werden? Versaut man dem Silvaner denn nicht so den seriösen Auftritt bei einem nicht nach nichts schmeckenden Essen?

Ein Silvaner ähnelt in der Tat dem Spargel, das eigentlich ein völlig überschätztes Gemüse ist. Ähnlich wie der Spargel neigt der Silvaner zur Neutralität und zu nichtssagendem Geschmacksausdruck. Silvaner und Spargel sind beide ohne große Mühen zuzubereiten und beide stehen für regionale Authentizität á la „Lust am Landleben“. Das bittere Erwachen kommt bei beiden erst nach dem Verzehr entweder beim Kopfschmerz oder beim Urinieren. Ist Silvaner mit Spargel deswegen also die ideale Kombination?

Ich auf jeden Fall bringe es nicht übers Herz, ein Geschmacksnichts mit einem anderen Geschmacksnichts zu kombinieren. Zudem habe ich nicht eine einzige Flasche Silvaner im Keller, dachte ich zumindest. Aber da war doch noch diese eine flachbauchige Flasche, die in keinen Karton, keine Box und kein Regal passte und die ich die letzten 10 Jahre, in denen ich unzählige Male umgezogen bin, immer irgendwie mitgeschleppt und mich jedes Mal über ihre Anpassungsunwilligkeit an die Riesling-, Burgunder- oder Bordeauxflaschen geärgert habe. Richtig! Eine Flasche Silvaner aus dem Bocksbeutel.

Es muss 2002 gewesen sein, als ich diese Flasche käuflich erwarb. Ich erinnere mich noch genau mit Freunden das bekannte fränkische Weingut besucht zu haben und höchstselbst mit der Frau des Gutsverwalters durch eben jenen spektakulären Weinberg, den man in seiner ganzen Mächtigkeit sehr eindrucksvoll von der A3 zwischen Frankfurt und Würzburg zu Gesicht bekommt, gestakst zu sein. Es war Sommer und es war heiß. Aber in diesem Weinberg war es nicht nur heiß, es war unerträglich heiß. Die Hitze staute sich in den Terrassenlagen wie in einem Amphitheater, wodurch eine sehr eigene und eigentümliche Vegetation entstanden war. Eine seltene Lilienart, die eher in Indien heimisch ist, hatte sich in dem Weinberg breit gemacht und eben diesem Wein den Namen geschenkt: Asphodill.

Zehn Jahre hatte mich also diese Bocksbeutelflasche begleitet und wäre sie irgendwo in meinem Keller ordnungsgemäß einsortiert gewesen, sie hätte schon früher dran glauben müssen. So aber hatte sie sich im Reich des Vergessens versteckt und war nur zu den Umzügen an die Oberfläche gekommen, um kurz nach Luft zu schnappen und wieder abzutauchen. Dass ich sie jetzt zu packen bekam, war reiner Zufall. Irgendeine Unachtsamkeit hatte sie vor wenigen Wochen stehend in ein Holzregal befördert, das just neben dem Lichtschalter steht. Und ich schwöre, ich hatte schon den Riesling WinWin 2011 in den Händen, den ich unbedingt nachprobieren wollte, als ich den Lichtschalter zu betätigen gedachte und mein Blick auf diese alte und verwaiste Einzelflasche im Bocksbeutel fiel: 2001 Homburger Kallmuth Silvaner Spätlese trocken Asphodill vom Weingut Fürst Löwenstein.

Die Löwensteins bewirtschaften neben dem Weingut in Franken auch noch ihr Weingut im Rheingau. Es sind allesamt keine spektakulären Weine, die hier wie dort produziert werden, nichts das völlig aus dem seriösen Rahmen fallen würde. Ihre adlige Herkunft tragen sie nicht wie eine Marketing-Monstranz vor sich her und unweigerlich muss ich an den grundsympathischen Eigentümer und Gutsverwalter Carl Friedrich Löwenstein denken, der 2010 im Alter von nur 43 Jahren mit seinem Aston Martin auf dem Nürburgring verunglückte. Ich kannte ihn gut genug, um sagen zu können, dass Dünkel und adliges Getue seine Sache nicht waren. Trotzdem merkte man ihm an, dass ihn 1.000 Jahre Geschichte umwehten, die sein Leben und seinen Alltag bis ins Kleinste prägten. Nicht aufgesetzt, sondern selbstverständlich. Und diese souveräne Selbstverständlichkeit findet sich auch in diesem über Jahre gereiften Silvaner wieder. Große Herkunft ohne Schnickschnack.

Fast golden läuft der Wein ins Glas, schon die Farbe ist ein Genuss für die Sinne. In der Nase hat dieser gereifte Silvaner eine wunderbar duftende Süße im Verbund mit Kräutertönen und erdigen Noten. Allein vom Duft erinnert der Wein vielmehr an einen gereiften Grünen Veltliner Smaragd als an einen Silvaner, was sicher auch an diesem eigentümlichen Geruch liegt, den ich nicht anders umschreiben kann als mit „feuchte Walderde nach einem Sommerregen“. Das ist kein Kellerton, das ist kein Fehler, das ist kein schlechtes Holz – dieser etwas gewöhnungsbedürftige Duft kommt mit der Reife des Silvaners. Interessant ist er allemal. Im Mund wirkt die Säure restlos abgeschmolzen, ohne dass der Wein überreif oder fett wäre. Weder Granate, noch Bubiweinchen. Er hat einfach eine innere Harmonie und Lässigkeit, die man als Silvaner wohl nur nach Jahren in der Vergessenheit erreicht.

Natürlich gibt es den Fürstensteinschen Silvaner aus dem Kallmuth immer noch. Inzwischen heißt er Grosses Gewächs und trägt kein Prädikat mehr. Der Bocksbeutel, diese fürchterlichste aller Flaschen, hat er als Ummantelung behalten. Auf den Umstand, dass die Flasche sich nicht stapeln lässt, weil sie statt rund flachbauchig ist, sind die Verteidiger dieser Flaschenform sogar noch stolz, soll sie doch vor vielen hundert Jahren bei der Feldarbeit oder im Krieg entstanden sein und ihr damaliger Vorteil war, dass sie sich leicht am Körper tragen ließ und nirgends hinunterrollte. Alles Vorteile, die heute etwas antiquiert anmuten. Aber auch sinnlos gewordene Traditionen scheinen irgendwie ein Wert für sich zu sein.

Serviert habe ich mir den Silvaner Kallmuth 2001 zu ganz klassisch gekochtem Spargel mit Kartoffeln und Sauce Hollandaise. Die Üppigkeit des Weins und die Fettleibigkeit der Sauce haben ausgezeichnet zusammen gepasst. Alles gut, alles lecker, pure Sinnesfreude. Nur den Spargel, den braucht kein Mensch. Für den war der Wein einfach zu gut, zu individuell, zu stark, zu gereift.

 

Datum: 23.5.2019
 

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