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Silvaner für Dummies

Carolin Meyer, fränkische Weinkönigin.
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Franken-Liebhaber Rainer Balcerowiak erklärt kurz und bündig die Rebsorte Silvaner.
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Silvaner? Ja, bestimmt schon mal gehört, irgendwo am Rande. Denn während die ganze Welt in Chardonnay und Sauvignon Blanc ertrinkt und der Riesling unverdrossen als die einzige große deutsche Weißwein-Nummer angepriesen wird, fristet die 1659 erstmals von Zisterniensern nach Franken gebrachte Sorte ein gepflegtes Nischendasein. Die Anbaufläche dümpelt bei 4.700 Hektar herum, das sind knapp fünf Prozent der bestockten Rebfläche. 1995 waren es noch 7.500 Hektar.

Sogar in Franken, wo der Silvaner trotz Rückgängen knapp den 1. Platz in der Anbaustatistik verteidigt, galt die Sorte lange Zeit als ziemlich uncool. Scharen von beflissenen PR- und Marketing-Beratern marodierten durch die fränkischen Anbaugebiete in dem Bestreben, der Region ein modernes Image zu verpassen. Schluss mit Silvaner, fränkisch trogge aus dem bauchigen Bocksbeutel. Silvaner lasse sich außerhalb Frankens und vor allem im Ausland nur schwer kommunizieren, sagten die Experten. Und empfahlen die Pflanzung von Riesling, Sauvignon Blanc und Rotwein. Wenn schon Silvaner, dann fülliger und ausgewogener (also mehr Alkohol und mehr Restzucker), um den Geschmacksvorlieben der neuen Weintrinkergeneration zu begegnen.

In der Tat begaben sich einige Winzer auf gruselige Geisterfahrten, doch allzu viel passiert ist glücklicherweise nicht. Im Gegenteil. Allmählich begriffen die trutzigen Franken, dass der Silvaner das große Pfund ist, mit dem es zu wuchern gilt. Und zwar als Leitrebsorte der Region.

Die fränkischen Weinbaugebiete sind von drei recht unterschiedlichen Bodenformationen geprägt: Muschelkalk, Buntsandstein und Keuper. Entsprechend verschieden präsentieren sich die Weine. Aber wie schmeckt Silvaner eigentlich? Die verblüffend einfache Antwort: Mal so, mal so. Das hilft auch nicht weiter.

Charakteristisch für Silvaner ist sein feiner Duft, der an Kräuter oder auch Stachelbeeren erinnert und manchmal von Noten frischen Heus begleitet wird. Es sind in der Regel leichte Weine mit dezent-duftigem Aroma. Oft findet man auch Anklänge an Quitte, Birne, Hollunder und Orangenschale. Vor allem auf schweren Böden kann sich Silvaner zu einem ausgesprochen körperreichen, opulenten Wein entwickeln. Dazu kommen einzelne Lagen mit sehr ausgeprägter individuellen Stilistik. So ist der Escherndorfer Lump bekannt für Weine, die stets leicht rauchig und manchmal auch speckig daherkommen.

Die Qualitätspalette und somit auch das Preisniveau umfasst alle Stufen. Vom deftigen Guts- und Ortswein über lagentypische Spitzengewächse bis hin zu edelsüßen Schätzen mit vollreifer Birne und Karamell am Gaumen. Im Vergleich zum Riesling gilt Silvaner als säurearm, doch viele Winzer haben realisiert, dass ihm auch ein anständiger Säurekick gut zu Gesicht steht.

Trinken kann man Silvaner eigentlich immer. Sagen zumindest die Würzburger, die sich im Frühjahr, Sommer und und Herbst bei entsprechender Witterung in Scharen auf der Alten Mainbrücke versammeln, um ihrem identitätsstiftenden Leitgetränk zu huldigen.

Bekannt ist Silvaner als weit über Franken hinaus geschätzter Begleiter für Spargelgerichte. Doch auch zu gebratenem Binnenfisch, Räucherfisch, Geflügelgerichten und sogar einer Brotzeit macht er eine ausgesprochen gute Figur – wenn man das jeweils passende Exemplar auswählt. Nur bei der Bratwurst sollte man eher eines der vielen würzigen fränkischen Biere einschenken. Ansonsten: Silvaner first.

Vor allem jüngere Winzer sind mächtig am Experimentieren. Mit offener Vergärung in Holzbottichen, mit dem Ausbau in Betoneiern, mit Maischestandzeiten und spontaner Vergärung ohne den Zusatz von Reinzuchthefen. Selbstverständlich braucht so eine traditionsreiche und jetzt wieder aufstrebende Weinregion wie Franken auch Leuchttüme. Betriebe wie Rainer Sauer, Rudolf May, Zehnthof Luckert, Max Müller I, die Ethos-Gruppe oder das ehrwürdige Bürgerspital sorgen mittlerweile auch international für Furore, und Jahr für Jahr machen wieder neue Winzer auf sich aufmerksam.

Wer wissen will, in welche Höhen sich die Rebsorte Silvaner erheben kann, sollte mal ein Spitzenprodukt kosten, zum Beispiel den etwas kompliziert benamsten aber köstlichen Eschendorf Am Lumpen 1655 Silvaner Großes Gewächs von Horst Sauer, den der Captain trank: Im Glas strahlendes sattes Gelb. In der Nase schmelzige Fruchtnoten mit mineralischem Biss. Ich rieche Apfel, Birne, Reneklode, jodige Töne wie bei Nordsee-Algen, ein Hauch Grapefruit-Fruchtfleisch, erste Aklänge von Reife. Im Mund herrlich fruchtig, saftig und ein wenig rauchig nach Ananas. Mineralik, schöner Schmelz und etwas Salz. Viel mehr ist da nicht, aber dafür umso dichter und das ist gut so. Geradliniger, charaktervoller, großartiger Wein, den man nicht so schnell vergisst.

Bevor jetzt die rheinhessischen Winzer mit Forken und Mistgabeln das Schiff entern, um es wutentbrannt zu versenken, muss erwähnt werden, dass der Silvaner auch dort nach langen Jahren der Agonie wieder verstärkt gehegt und gepflegt wird. In absoluten Zahlen ist seine Anbaufläche in diesem größten deutschen Anbaugebiet (mehr als vier Mal so groß wie Franken) auch deutlich größer als in Franken. Doch in der Rebsortenstatistik belegt er nur Platz 4 – hinter Dornfelder, der Geißel des deutschen Weinbaus. Auf der linken Rheinseite gibt es halt „auch“ Silvaner, und am Main ist er das Maß aller Dinge, obwohl die Massensorte Müller-Thurgau dort mengenmäßig die Nase vorn hat. Noch. Falls die Franken das mit ihrem komischen neuen Bocksbeutel (den kaum jemand haben will) in den Griff bekommen, steht einer glänzenden Zukunft des Silvaner nichts mehr im Weg.

 

Datum: 26.8.2020 (Update 20.11.2020)
 

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