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Siener: da gärt was

Peter Siener mit Amphore.
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Der Captain trinkt aufregenden Amphorenwein aus der Südpfalz, den ein Winzer mit Prinzipien zubereitete.
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Der Captain trinkt heute Wein, der sicher nicht jedermanns Sache und trotzdem einfach großartig ist. Es handelt sich um Riesling aus der Pfalz. An sich nichts Besonderes, obwohl Pfälzer da vermutlich anderer Meinung sind.

Dieser Wein vergor und reifte im Tongefäß, Amphore genannt. Das ist schon etwas spezieller, aber heutzutage auch keine Sensation mehr. Jetzt kommt der eigentliche Clou. Zum abgepressten und ungeklärten Most wurden vor der Spontanvergärung 25 Kilo Beeren beigegeben, also rund 5% des Gesamtvolumens. Er ist somit zum kleinen Teil Orange-Wein. Oder auch nicht. Winzer Peter Siener erklärt dem Captain: Das gibt dem Wein zusätzlich Würze und Struktur.

Und so schmeckt dieser Wein: Im Glas goldgelber Glanz. In der Nase Mandelgebäck, Kerngehäuse vom gelben Apfel, ein Glas Kölsch-Bier. Im Mund pflanzlich und anspruchsvoll durch edle Bitternoten mit dunklem Charakter. Ich schmecke Bitterorange, dunkle Kräuter, Walnusskern und spüre auf der Zunge rohseidige Textur. Dieser Wein ist eine andere Dimension und kann nicht nebenher getrunken werden, denn er benötigt Aufmerksamkeit, um genossen zu werden. Das ist Riesling wie von einem anderen und sehr dunklen Stern. Eindeutig nichts für Anfänger.

Was ist Amphorenwein? In Tongefäßen gereifter Wein ist in Mode. Doch die Technik ist uralt. Sie hat ihren Ursprung im heutigen Georgien (und nebenan in Armenien) vor 6.000 Jahren. Auch in anderen Regionen werden Tongefäße schon lange verwendet. Im portugiesischen Alentejo zum Beispiel glaubt man, dass Amphoren oder Talhas, wie sie im Land genannt werden, seit mehr als 2.000 Jahren benutzt werden, um Wein zuzubereiten.

Was sind die Vorteile des Ausbaus von Wein in Ton? Lehm kann als Kompromiss zwischen Stahl und Eiche betrachtet werden. Edelstahl ermöglicht eine sauerstofffreie Umgebung und gibt keine Aromen an den Wein ab. Eiche hingegen lässt reichlich Sauerstoff an den Saft. Aber die Tannine des Holzes beeinflussen den Geschmack des Weines. So wie Eiche ist Ton porös, sodass er etwas Sauerstoff durchlässt und dem Wein eine tiefe und reiche Textur verleiht. Gleichzeitig ist Ton ein neutrales Material wie Stahl, das keine zusätzlichen Aromen abgibt.

Der jüngste Trend begann mit Josko Gravner, einem italienisch-slowenischen Winzer im Anbaugebiet Collio, der natürlichere Weine herstellen und die Qualität der lokalen Weißwein-Rebsorte Ribolla Gialla herauskitzeln wollte. Er begann mit der Vergärung des Weins auf den eigenen Schalen und produzierte das, was heute als Orange-Wein bekannt ist. Gravner besuchte Georgien, wo Wein in sehr großen (1.200 bis 2.500 Liter fassenden) Tonamphoren, die mit Bienenwachs ausgekleidet sind, vergoren und gelagert wird. Er kaufte einige dieser Amphoren, vergrub sie im Boden unter seinem Keller und begann sie zum Vergären und Reifen seiner Weine zu verwenden und inspirierte damit auch andere Winzer der Gegend.

Als der Captain die Weine von Siener probierte, war er zunächst wie gelähmt. Was ist denn DAS? Die Kollektion durchzieht ein extrem eigensinniger Stil, den man erstmal begreifen muss. Siener-Weine sind so gar nicht zum Wegschlabbern gemacht. Ihnen ist eine eigentümlich-dunkle Spannung zueigen wie in einem guten norwegischen Krimi.Delikate Bitternoten und eine fast schon aufschreckende Vegetabilität, bei der man sich erstmal fragt: Ist das noch Wein? Ich bin begeistert von diesen Getränken und insbesondere vom Kastanienbusch Schiefer Riesling Amphore von Peter Siener, aber du merkst: Ich will dich auch warnen, denn dieser Wein verlangt von dir mehr als nur ein bisschen Trinkerfahrung. Ich denke an den Werbespruch für die Kräuterbonbons von Fisherman’s Friend: Sind sie zu stark, bist du zu schwach.

Sieners Instagram-Profil ist auf „privat“ gestellt. Heißt: Da darf nur reingucken, wer vorher brav angefragt hat.

Andere Winzer reißen sich ein Bein für jeden follower aus und engagieren Agenturen für Tausende Euro, die ihnen beim Aufbau von digitaler Reichweite helfen, von der sie sich mehr Absatz erhoffen. Peter Siener ist das egal. Oder besser: Er hat sich entschieden: Instagram muss man richtig und konsequent machen. Ich bin lieber in Weinberg und Keller. Das ist mir wichtiger. Vielleicht kümmern sich die Töchter Paula und Helena eines Tages darum, wenn sie etwas größer sind.

Wie kam es zum Siener-Style? Bodenständige Ausbildung und Fachschule in Neustadt. Die Karriere als Winzer begann eher lustlos. Oldtimer reparieren war interessanter. Im Jahr 2000 Eintritt in den elterlichen Betrieb, 2008 Übernahme und allmähliche Umstellung auf den „anderen“ Weinbau. Auf der Weinmesse in Landau habe ich mich durchprobiert. Alles schmeckte gleich. Daraufhin begann ich mit langen Maischestandzeiten und Spontanvergärung zu experimentieren. Es roch nach Brotkuste. Ich war erschrocken und holte Kollegen dazu, weil ich nicht wusste, was da passiert. Aber die fanden alles ganz toll und spornten mich an weiterzumachen.

Siener-Stöcke stehen in den feinsten Lagen von Birkweiler: Kastanienbusch, Dachsberg, Mandelberg. Insgesamt kommen 15,5 Hektar zusammen, die rund 100.000 Flaschen pro Jahr ergeben. Bitte wer trinkt das eigentümliche Zeug? Wir verkaufen viel nach Berlin, Hamburg, Köln. Aber generell am meisten ins Ausland. Dort versteht man unsere Weine besser. Vor allem in Holland, Norwegen, Taiwan und China.

Das ist schon eine lustige Mischung. Wenn man kurz überlegt, fällt folgendes auf: Überall dort wird gerne raffiniert zubereiteter Fisch verzehrt. Ja, diese edelbitteren und beinahe mystischen Getränke von Siener sind fantastische Speisebegleiter für die feine Küche.

Das komische Gerät auf Sieners Amphore im Foto oben nennt sich übrigens Gärstopfen, der Überdruck aus dem Behälter entweichen lässt, ohne dass Luft zuströmen kann. Um die Intensität des Gärvorgangs zu beobachten, sind diese Verschlüsse durchsichtig. Die Blasenbildung zeigt an, wie es im Wein zugeht. Bei Siener ist es gerade recht ruhig.

 

Datum: 14.7.2021
 

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