Es gibt Spitzenwinzer, über die wird in den deutschen Weinhipsterkreisen kaum schwadroniert.
Das Weingut Selbach-Oster in Zeltingen an der Mosel gehört dazu, obwohl es Weine aus weltberühmten Weinbergslagen liefert: Zeltinger Sonnenuhr, Zeltinger Schlossberg, Graacher Domprobst und Wehlener Sonnenuhr.
Die Selbachs ernten ihre Trauben in unmittelbarer Nähe jener Baustelle, wo derzeit Deutschlands größte Brücke gespannt wird. Ein umstrittenes Projekt.
Doch Familie Selbach macht keinen Lärm, weder gegen das Betonmonster, noch für sich selbst. Im Weingut packen zwei Generationen mit an, die Senioren Barbara und Johannes, sowie Tochter Hannah und Sohn Sebastian. Die Familie ackert diskret vor sich hin und beliefert die ganze Welt. Sogar im Flugzeug bekommt man Rieslinge aus dem Betrieb serviert, der nicht mehr als 100.00 Liter Wein im Jahr ausstößt. Business-Reisende von Qatar Airlines, United Airlines und anderen Fluggesellschaften nippten schon an Rieslingen aus dem Hause Selbach-Oster.
Genau diese Zurückhaltung hat mich neugierig gemacht und ich habe mich einen eher einfachen und sehr leistbaren Wein von Selbach-Oster kommen lassen. Einen feinherben Riesling ohne besondere Lagenbezeichnung. Es sind ja meistens die Basisprodukte eines Winzers, die besser Auskunft über sein Können geben, als die umhätschelten Herzeigeflaschen.
Flasche auf und eingeschenkt. Ich rieche an der glitzernden Pracht: In der Nase Pfirsich und Aprikose, dazwischen dezente Stiche von Zitrus und ein Büschel Gartenkräuter. Das ist Riesling, wie man ihn gerne hat.
Im Mund schöner, reifer Pfirsich, der nach Abendsonne schmeckt und eine rasiermesserklingenfeine Säure, die dem Restzucker sehr elegant den Schneid abnimmt.
Da ist es wieder: dieses federleichte süß-saure Riesling-Pingpong, um das uns die ganze Welt beneidet. Wohlgemerkt: hier walten lediglich 11 Volumenprozent Alkohol. Das ist die große Kunst des deutschen Riesling, die süchtig macht und immer wieder nachschenken lässt und dann traurig stimmt, weil die Flasche schonl leer ist. Genauso erging es mir auch.
Wollen wir mal hoffen, dass uns nicht bald der Klimawandel einen Strich durch die Rechnung macht. Denn zu viel Wärme kann unsere Nationaltraube gar nicht leiden.
Vielleicht bereiten sich die Selbachs schon darauf vor. Seit 2013 ziehen sie gemeinsam mit ihrem Partner Paul Hobbs, Sohn eines Apfelbauern in Niagara, der in Napa im Valley, Sonoma und Argantinien Wein anbaut, ein Rieslingweingut mit 20 Hektar Rebland im US-Bundesstaat New York hoch.
Genauer gesagt in der Region Finger Lakes, der man größtes Qualitätspotenzial beim Riesling nachsagt. Hobbs ist in den USA ein bekannter Winemaker, der seine ersten Erfahrungen im Team von Opus One gesammelt hat.
Übrigens, die Selbachs verwenden zum Vergären natürliche Hefestämme und packen einen Teil ihrer Weine in alte Fuderfässer aus Eiche, die keine Holznoten mehr abgeben. Oder in Stahltanks.
Welches Essen passt? Aufgrund des bipolaren Aromenspiels kann man diesen Wein ohne weiteres auf deftigere Sachen loslassen: Käsespätzle oder eine würzige Quiche. Der packt das alles.