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Sauv-Gris von Welt

Das Schlossgut des Baron von Hobe-Gelting. Mit Baum- und Moselblick.
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Schon wieder BUNTE-Tag. Das Schiff wird zum Klatschkutter. Sturmlotse Balcerowiak berichtet untertänigst von der seltenen und köstlich-trockenen Sauvignon Gris-Auslese des Barons von Hobe-Gelting.
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Am vergangenen Sonnabend heiratete das sogenannte Oberhaupt der Hohenzollern in Potsdam irgendeine blaublütige Dame. Angeblich waren alle wichtigen Adelsgeschlechter vor Ort. Dr. Georg Baron von Hobe-Gelting war aber nicht dabei. Der hat für derlei Mummenschanz wohl auch kaum Zeit – schließlich muss er sich um seine Weinberge kümmern.

Auf einem seit 1534 im Familienbesitz befindlichen Stammsitz Schloss Thorn an der Mosel, südlich von Trier, bewirtschaftet der Baron 20 Hektar Weinberge mit den für die Gegend typischen Muschelkalkböden. Sein Sortenspiegel fällt dabei etwas aus der Reihe. Natürlich nimmt der Elbling eine zentrale Rolle ein, und die Abfüllungen des Barons gehören seit langer Zeit stets zuverlässig zu den Besten ihres Jahrgangs.

Doch während sich viele Winzer der Region zunehmend auf weiße Burgundersorten konzentrieren, geht Hobe-Gelting einen anderen Weg. Nicht nur, dass er auch Riesling anbaut. Dem fehlt zwar die Dichte und Mineralik seiner Schiefer-Brüder nordwestlich von Trier; mit ihrem ausgesprochen weinigen Geschmack sind seine meist feinherben oder edelsüßen Muschelkalk-Riesling-Exoten aber dennoch eine interessante stilistische Facette dieser Rebe.

Mit einem Wein schießt der Baron allerdings den Vogel ab. Der Sauvignon Gris ist ein selten vorkommender naher Verwandter des weit verbreiteten Sauvignon Blanc. Die sehr alte Rebe stammt aus Frankreich und wird dort im wesentlichen im Bordelais und dem Gebiet Loire-et Cher angebaut. Über ihre Entstehung streiten die Önologen: Möglicherweise ist sie ein Abkömmling des Traminers, oder aber eine Mutation des Sauvignon Blanc. Die rötliche bis rotschalige Sorte gilt in Deutschland als Weißwein, in einigen anderen Ländern unter den Bezeichnungen Sauvignon Rouge oder Sauvignon Violet aber als Rotwein.

Die mit 12 Prozent Alkohol erstaunlich schlanke 2010er Sauvignon Gris-Auslese trocken aus Schloss Thorn brilliert mit einem dichten, blumigen Bukett. Am Gaumen dann Edelpflaumen, Stachelbeere, ein wenig Pfeffer und eine spritzige pikante Säure. Viel zarter Schmelz auf der Zunge und ein Abgang, der erst mit der Zeit die für einen „trockenen“ Wein nicht eben geringe Restsüße von knapp neun Gramm offenbart. In der Tat erscheint eine enge Verwandtschaft zu der klassischen Bukettsorte Traminer naheliegend. Doch trotz aller Komplexität kommt der Wein unkompliziert daher und vermittelt eine angenehme Frische und Leichtigkeit – Muschelkalk lässt grüßen. Für milde bis pikante Currys ist er ein hervorragender Begleiter, und eine besondere Affinität entwickelt der Wein zu Zitronengras. Aber auch mit edleren Meeresfrüchten wie Hummer und Scampis harmoniert dieser Sauvignon Gris bestens.

Der Baron lernte die Rebsorte bereits vor Jahrzehnten während seiner önologischen Wanderjahre in Frankreich an der Loire kennen und schätzen. Zwar ist eine derartige Neuanpflanzung immer ein Wagnis; schließlich kostet sie pro Hektar bis zu 50.000 Euro. Doch Parallelen der Böden und des Mikroklimas machten dieses Risiko für Hobe-Gelting einigermaßen kalkulierbar. Und nach Jahren des Versuchsanbaus und der damit verbundenen Bürokratie erhielt der Sauvignon Gris schließlich die Sortenzulassung an der Mosel. Nachahmer gibt es bislang nicht.

Mittlerweile betrachtet der Baron seine damalige Entscheidung als „absoluten Glücksfall“. Diese Sorte passe hervorragend zum Terroir der südlichen Mosel. Entsprechend pfleglich wird sie auf dem Gut behandelt:

Strenge Ertragsreduzierung, entsprechend vollreifes, gesundes Lesegut, Spontanvergärung, eine Filtration, Abfüllung – that’s it! Hobe-Gelting bedauert ein wenig, dass die alte Bezeichnung „Naturwein“ für derartige Produkte seit der Weinrechtsnovelle von 1970 nicht mehr zulässig ist. Und lässt die – nun ja – gewöhnungsbedürftig hässlichen Flaschenetiketten sein wie sie sind.

Der Baron ist überzeugter Europäer, und das auch in seiner Weinphilosophie. Für ihn sind seine Weine nicht „deutsch“ und auch nicht nur „Mosel“ sondern Produkte einer geologischen Formation, die unter dem Namen Pariser Becken auch Luxemburg, Lothringen und die Champagne umfasst.

Der Standort des Schlosses und seine bewegte Geschichte befördern diese Denkweise: war der Baron in seiner Kindheit noch von Staats- und Zollgrenzen zu Frankreich und Luxemburg umzingelt, thront sein im Laufe der Jahrhunderte mehrfach okkupiertes, geplündertes und zerstörtes Schloss jetzt als Symbol einer neuen Zeit über dem Moselufer, in der man die Nachbarn ohne Schlagbäume und Kontrollen besuchen kann. Und auch als Symbol eines neuen Weinzeitalters, denn die südliche Weinmosel, wie viele örtliche Winzer die Region gerne nennen, ist dank Pionieren wie Baron von Hobe-Gelting seit einiger Zeit auf dem Weg, sich als bemerkenswertes Anbaugebiet mit unverkennbarer eigener Stilistik zu profilieren. Zwar nicht in der Breite, aber in der Spitze, und das auch in Lothringen und in Luxemburg.

  • Den 2010er Schloss Thorn Sauvignon Gris Auslese trocken gibt es für 10 Euro
 

Datum: 30.8.2011 (Update 17.9.2014)
 

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