Es ist nicht immer einfach mit Sachsen, es ist nicht immer einfach mit dem sächsischen Wein. Aber, ich gebe es zu, ich mag ihn trotzdem. Meistens jedenfalls.
Bald 30 Jahre nach der Wende scheinen die Felle beim Wein verteilt, man optimiert. Intensiv erweiterte Landwirtschaft nannte man das unter Erich. Hier und da stagniert es etwas. Auf recht hohem Niveau. Auch preislich. Aber man stagniert.
Wo sind die Rebellen? Wo ist die Jugend? Wo sind hier die Gipfelstürmer?
Doch plötzlich, wie aus dem Nichts, taucht ein Name aus dem Nebel des Elb River Valleys auf: Tim Strasser. Rothes Gut Meißen.
Häh? Infos? Kaum. Ich muss da hin. Punkt.
Runter von der B6, durch’n Tunnel, dann gleich rechts und wieder rechts. Tschuldigung, kann nicht so gut sprechen, mein Weisheitszahn, nuschelt Strasser am Telefon. Oh, Mann.
Arschkalt, Nieselregen, Wind. Ich biege ein auf ein schick renoviertes Gut.
Tim Strasser kommt mir lächelnd entgegen. So weit das mit Troublemaker Zahn möglich ist.
Rein in den ehemaligen Schweinestall. 250 Jahre alte Mauern. Nebenan eine moderne Kellerei. Strasser und seine Leute haben sich durch 40 Zentimeter jahrzehntealten Schweinedreck gefressen. Edelstahltanks und Holzfässer, so stellt man sich das vor.
„Wollen wir was trinken?“ Das gefällt mir. Nur kein Verkosten. Während der Kollege den ersten Wein holt, gibt es etwas Geschichte.
Strasser hat eine Lehre auf Schloss Wackerbarth in Radebeul gemacht, dann eine Ausbildung in Würzburg, Studien in Österreich.
Und gleich danach, seit 2010, das eigene Weingut. Kaltes Wasser.
Besonders kaltes Wasser, denn 2010 war auch in Sachsen ein schlimmes Jahr. Hagelschlag im August, Murphys Law.
Aber Strasser hat genug Rebstöcke. Eine Menge sogar, um die zehn Hektar. Steil, aber keine gemauerten Steillagen wie in Radebeul um die Ecke. Das ist kein Zufall. Strassers Vorfahren stammen aus Ungarn und haben den Weinbau praktisch mit im Koffer gehabt. Das ist jetzt fünf Generationen her. Seitdem betreibt die Familie in Meißen Weinbau, bis vor einigen Jahren als Zulieferer für die örtliche Winzergenossenschaft.
Das hätte auch anders kommen können. Denn vor ein paar Jahren hatte der Prinz (genau, der aus Proschwitz) angeklopft und wollte den Weinberg haben.
„Der ist für meinen kleinen Prinzen“, sagte Papa Strasser „Aber ich könnte da was vermitteln.“
So blieb den Strassers Option auf ihr eigenes Weingut und der Prinz zur Lippe bekam seine neue linkselbische Lage Kloster Heilig Kreuz.
Zurück im Keller. Die Rebsortenvielfalt ist typisch für sächsische Verhältnisse. Goldriesling, muss wohl sein, auch hier. Dazu Müller-Thurgau, Helios, Hibernal. In homöopathischen Dosen auch noch Riesling, Traminer, Grau- und Weißburgunder, Scheurebe, Dornfelder, Spätburgunder, Regent.
Helios, ein Exot. „Keine Verlegenheitslösung. Die finden wir spannend“, sagt man im Keller.
Bei dem Namen macht es klick in meinem Kopf. So hieß die Zonenversion des Metaxa. Die älteren Leser werden sich erinnern.
Helios ist eine 1973 gezüchtete und pilzwiderstandsfähige weiße Rebsorte. Sie ist eine Kreuzung aus Merzlig, Syve-Villard und Müller-Thurgau.
Der Wein erinnert mich in der Nase an unreifen Pfirsich und Banane. Dann etwas Stachelbeere und weißer Pfeffer.
Im Mund sehr erfrischend und gleichzeitig stoffig. Interessant und tropisch. Maracuja, Banane, Litschi. Und die gute alte Birne. Alles sehr reif. Darüber feine Würzigkeit. Ein echter Leckerbissen.
Der griechische Sonnengott hieß Helios. Wenn Sonne, dann eher kühle Abendsonne. Zu Fisch würde ich den mögen.
Ich bin angetan. Auch von den Flaschen. Schönes Etikett, alle mit Schraubverschluss. Hier wirkt ein Team von jungen Leuten, die Lust auf etwas Neues haben. Das macht Mut und erinnert in Teilen an Markus Schneider. Wenn Tim Strasser es nicht vergeigen sollte, kann er der Weinregion sehr gut tun und Schwung in den Laden bringen.
war vor einigen Tagen, bei ähnlich düsterem Wetter, dort. Jetzt gibt’s die Weine auch in unseren beiden Läden. Das sind gute Jungs, ich freu mich das die beiden diese Mission begonnen haben. Da Könnte was schönes wachsen daraus, jenseits der arrivierten und stets bemühten Prinzen und Prinzessinnen.