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Saar: der unbekannte Loch

Winzersohn Johannes Loch steht im Schodener Herrenberg und blickt ins Saar-Land.
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Der Captain trinkt Riesling von einem Weingut, das ihm völlig unbekannt war: Weinhof Herrenberg in Schoden an der Saar. Was für eine Entdeckung!
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Eigentlich wollte der Captain heute Blau machen. Einfach nur ein bisschen Wein trinken ohne Notizen zu machen. Netflix oder Amazon Prime anschalten und dann für den schnellen Schlaf ein wenig in den Weinzeitschriften blättern. Er nahm sich eine der Flaschen, die gerade kühl sind, machte auf und goss sich ein. Das war es dann mit dem Feierabend-Idyll.

Denn nach dem ersten Hineinriechen ins Glas war klar: Das muss ich meinen Lesern erzählen! Wie heißt der Winzer? Wo steht das Weingut? Von beiden noch nie gehört. Kein Wunder. Winzer Manfred Loch aus Schoden an der Saar ist der (gar nicht seltene) Gegenentwurf zum modernen Eigenvermarkter. Der Captain greift zum Handy, ruft an und fragt: Warum habe ich noch nie von euch gehört? Antwort von Loch: Wir sind mehr im Wingert als am Rechner.

Ein Loch ist da, wo etwas nicht ist, schrieb Kurt Tucholsky 1931 in seinem brüllkomischen Text Zur soziologischen Psychologie der Löcher. Sehr witziger Satz, stimmt aber nicht. Ein paar hundert Meter weiter keltern Roman Niewodniczanski (Van Volxem), Egon Müller und Günther Jauch (Von Othegraven) ihre Weine. Wahrscheinlich ist der Captain schon ein paar Mal an Manfred und Claudia Loch und ihrem Weinhof Herrenberg vorbeigerast. Das kommt davon, wenn man ohne Muße durchs Land hetzt.

Die Lochs waren Quereinsteiger, als sie 1992 das Abenteuer Weinbau anpackten. Zunächst nur hobbymäßig. Manfred arbeitete als Verwaltungsbeamter und versteigerte ausgemustertes Bundeswehr-Zeug. Vom Kochgeschirr bis zum Funkgerät. Weil wir gerne gut getrunken haben, wollten wir selber Wein machen.

Das ist über die Maßen gelungen, findet der Captain, nachdem er den nicht gerade günstigen, aber ergreifend guten Ockfener Bockstein Steinmetzrausch Riesling (was für ein Name!) getrunken hat und den würzigen Saft immer noch auf der Zunge spürt. Ein rassiger, präziser und konzentriert-eleganter Tropfen. Das ist das Ergebnis extremer Mengenreduzierung, sagt Loch. Also Rebschnitt, grüne Traubenlese, späte Ernte. Gemessen an der vielen Arbeit müsste diese Flasche mindestens 50 Euro kosten, schiebt Loch nach und macht eine Pause, als ob er über seine eigenen Worte erschrocken ist. Nur 13.000 Flaschen füllten die Lochs vom Jahrgang 2019 ab. Der Großteil geht in den Export, hauptsächlich nach Dänemark in die dortige Gourmet-Szene.

Saarwein (überwiegend Riesling) wird auf knapp 800 Hektar oft in Steillagen angebaut und ist unter Kennern begehrt. Schuld daran sind die klimatischen und geologischen Verhältnisse im unteren Saartal. Vor dem ersten Weltkrieg war es noch wärmer und der Weinbau florierte, wovon prächtige Villen zeugen. Dann versetzte eine Kältephase die Region in den Winterschlaf. Winzer, die durchhielten oder erst in den 1990er-Jahren mit dem Weinbau begannen, zählen heute zu den Gewinnern. Der teuerste Wein Deutschlands wird hier hergestellt. Es ist die Trockenbeerenauslese von Egon Müller, die auf einer Auktion über 12.000 Euro erlöste.

Egon Müller: das geklaute Weingut

Und so schmeckt der Ockfener Bockstein Steinmetzrausch Riesling: Im Glas sattes und glänzendes Gelb. In der Nase die legendär-pikante Saar-Mineralik mit viel Schiefer-Anmutung und fruchtiger Würze. Ich rieche Apfel, Reneklode, Ananas, Banane. Im Mund konzentriert mit irrem Säurezug und das, was Weinschnösel neuerdings „nervig“ nennen, wenn sie rassig meinen, aber nicht wollen, dass jeder versteht. Ich schmecke saftiges Süße-Säure-Spiel und kaltes Fruchtmark von eingekochten gelben Früchten. Die da wären: Aprikose, Pfirsich, gelber Apfel und ein bisschen Quitte. Grandioser, kerzengerader und sinnlich-schöner Wein von einem völlig unbekannten Winzer und deshalb umso erfreulicher.

Dieser Riesling kommt aus einer der besten Lagen des Anbaugebiets. Im Boden sorgen Grauschiefer und Grauwacke (Sandstein mit hohem Feldspat-Anteil) für ausgiebige Mineralik. Vor kurzem ist Sohn und Geisenheim-Absolvent Johannes in den Betrieb eingestiegen. Und Corona? Wir kriegen unsere Flaschen auch dieses Jahr gut verkauft. Der Most vergor im 600-Liter-Stahltank. Nichts Besonderes, meint Loch und erschrickt schon wieder, denn die Pause danach ist auffällig lang. Ganz sicher dachte er: Vielleicht sollte man dem Captain etwas selbstbewusster gegenübertreten, weil dann ein Spruch kommt, der den würdigen Schlusssatz für diesen Text liefert: Das ist High End. Viel mehr geht nicht.

Natürlich haben die Lochs KEINEN Onlineshop. Wer hier klickt, kann der Familie eine Nachricht schreiben. Schöne Grüße vom Captain.

 

Datum: 6.11.2020 (Update 10.11.2020)
 

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