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In Metropolen wie Berlin sind zu jeder Tages- und Nachtzeit stets unzählige Irre unterwegs. Letzte Woche tummelten sich Scharen von magersüchtigen Models in beheizten Zelten auf der Straße des 17. Juni, um die neuen Kollektionen der Modeindustrie auf einer Show namens Fashion Week zu präsentieren.
Kein Provinzpolitiker ist sich zu schade, dies als großartiges, wichtiges Event zu preisen. Ist doch geil, mal nicht über Flughafenpossen reden zu müssen. Einige Kilometer Luftlinie entfernt luden dagegen die Lebensmittelmafia und ihre Lobbyisten zur Grünen Woche, der größten europäischen Verbraucherfressmesse, zu Häppchen, vermeintlichen Schnäppchen und simuliertem „Bauernhof-Feeling“. Hier schwätzen dieselben Politiker dann über die tolle deutsche Nahrungsmittelwirtschaft.
„Wir haben es satt!“
Glücklicherweise gibt es inmitten dieses Wahnsinns meistens noch ein paar Leute, die in der Hauptstadt etwas Vernünftiges tun. Wie zum Beispiel jene rund 25.000 Menschen, die am Sonnabend unter dem Motto Wir haben es satt! angeführt von Treckern und Landmaschinen vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt zum Kanzleramt zogen.
Keine verbissene Bekenntnisdemo oder Trainingstour für militante schwäbische Jung-Autonome, sondern ein farbenfroher Umzug von Bauern, Natur- und Verbraucherschützern und frei schwebenden Zeitgenossen, die etwas gegen Gentechnik, Pestizidverseuchung, Massentierhaltung, permanente Antibiotika-Vergiftung und Ausplünderung der Nahrungsmittelressourcen in ärmeren Staaten durch Futtermittelanbau haben.
Korrektes Pflaumenkompott
Selbstverständlich war der Linkslotse trotz klirrender Kälte dabei. Und das auch mit einem ziemlich reinen Gewissen, denn am Vorabend hatte er sich einen mit garantiert gentechnik- und kunstdüngerfreien, selbst angebauten Kräutern gewürzten Wildlachs in die Röhre geschoben und diesen zusammen mit Brandenburger Bio-Kartoffeln verzehrt. Und zum Nachtisch vollkommen korrektes Pflaumenkompott, selbst gepflückt und eingeweckt.
Weiter auf Seite 2…
Auf der Demo gab es viele lustige Losungen. Schwer beeindruckt hat mich das Banner der örtlichen Sektion der Genießer-Guerilla von slowfood: „Vin Santo statt Monsanto“.
Schließlich sollte es jedem Menschen einleuchten, dass ein traditioneller italienischer Dessertwein allen Produkten, die etwas mit den Gen-Saatgut-Geschäften von Monsanto zu tun haben, vorzuziehen ist.
Natürlich sind Bezeichnungen wie Vin Santo für einen Linkslotsen etwas problematisch, denn mir ist eigentlich nichts heilig, außer vielleicht Johann Sebastian Bach, Miles Davis und Schalke 04.
Mandelplätzchen aus Moabit
Aber die Toskana ist nun mal stark katholisch geprägt, und dass der Klerus seine Lust am Genuss schon immer gerne mit Heiligenscheinen garniert hat, dürfte bekannt sein. Egal, die Demo-Parole hatte mich inspiriert, schließlich lag in meinem Regal noch ein Vin Santo, und dessen symbiotischen Begleiter konnte ich auf dem Rückweg noch bei dem Halbedel-Italiener in der gentrifizierten Markthalle meines Moabiter Kiez auftreiben. Dabei handelt es sich um trockene Mandelplätzchen namens Cantucci.
Selbstredend musste der Wein an so einem Tag aus einem nicht nur ökologisch, sondern möglichst sogar biodynamisch arbeitenden Betrieb stammen. Der Vin Santo del Chianti 2008 von der Fattoria La Vialla erfüllt diese Kriterien. Viel wichtiger: Er ist großartig.
Zum Schluß bleibt Marzipan
Grundlage sind hochreife Trauben der Rebsorten Malvesia und Trebbiano, die drei Monate getrocknet, dann vergoren und anschließend drei Jahre in Holzfässern gelagert werden. Heraus kommt ein (mit 16,5 % Alkohol) recht kräftiger Wein, der zunächst wie ein Rosinenextrakt schmeckt. Doch schnell öffnet er sich und schüttet sein Füllhorn voll von Datteln, süßen und bitteren Mandeln, Zuckerrohrsaft, Rosen und weichem, frischen Holz am Gaumen aus. Im Hintergrund tänzelt zarte Säure und beim Abgang bleibt reichlich Marzipan als Sinneseindruck zurück. Die Cantucci darf man gerne in den Wein tunken, dass machen sie vor Ort auch so. Die wissen kulinarisch was sie tun, wie ich des Öfteren mitbekommen habe.
So ein Fläschchen (0,375 Liter) ist irgendwann leer und dann hat man im besten Fall einen klitzekleinen, milden Rausch. Und träumt von möglichst vielen Demonstrationen, die einen zum Genuss inspirieren.
- Den Vin Santo del Chianti 2008 von der Fattoria La Vialla gibt es für 7,20 Euro.
Der Linkslotse entwickelt sich zum elenden Zeilenschinder. Ein Tick mehr Infos zum Wein und weniger Berlinaria. Bitte.
O.K., also wenija Berlinaria willste haben. Wat willste denn noch so wissen über det lecker Tröpfchen?.
Ansonsten jilt: Die eenen sagen so und die andern so. Ick schreib numa jerne Jeschichten rund um den vergornen Most. Sehr jerne ooch assoziativ, wie die jebildeten Pinkel sagen würden. Det jibt welche, denen jefällt det, sind natürlich nich alle.
Nischt für unjut, und immer ’n jutet Glas in Reichweite wünscht
Der Berliner Linkslotse
Apropos, Berlinaria – wieso schreibt der Captain heute bei Würtz nach überstandener OP und Aufwachen aus der Narkose und nicht hier mal ein kurzes „Hallo!“?
Gute Besserung, Captain – Hauptsache alles ist gut gegangen! 🙂
Was mich interessiert:
Ist der Wein gespritet oder nicht? Wie bekommen die 16,5 % alk hin? Werden Hefen zugesetzt? Sind die Trauben vorher mit Botrytis befallen oder nicht? Wie werden die Trauben getrocknet? Was ist das für ein Weingut (abgesehen, dass die Vin Santo erzeugen und im Chianti Gebiet sind)? Wie süß ist der Wein? Wie kann man sowas für 7,2 € die Halbflasche herstellen? Gibt es den Wein regelmäßig? Sind das die weißen Traubensorten, die z.t. auch im Chianti landen? Ist sowas lagerfähig?
etc…
(den Rest dieses Dialekt-Epos ignoriere ich einfach mal)
Die Operation war schon Donnerstag, aber es gibt tatsächlich noch Nachwirkungen der Narkose. Samstag zB kam sie unter Tags wie ein Flash zurück – völlig absurd. Außerdem machen die Medikamente ein bisschen gaga (nicht, dass ich das nicht schon vorher gewesen wäre). Vielen Dank für die Wünsche und Grüße.
Ich warte noch auf den Lotsen, wenn er es nicht tut, beantworte ich die Fragen später.
Vielleicht sind nach der Rückkehr ein paar „Captain’s Life“ Halsbonbons zur Erfrischung hilfreich?
Gibt’s auch in Berlin in dem Markt mit dem blauen „A“.
🙂
Den Hals lasse ich mal in Ruhe. Er hat einen schönen Schnitt, der ihn ein Leben lang zieren wird..
Mein letzter KH-Aufenthalt war Ende Oktober letzten Jahres. Vor dem Gebäude stand ein Gerüst
mit einem Baustellenaufzug. Die Arbeiter klebten Isolierungsplatten an die Fassade.
“Marrr-gooo! Mach moo noch an Äimoooo – midd Kläää-booo!”
Auf Deutsch: Lieber Kollege Marco, bitte mische für mich einen Eimer mit Kleber an.
Der Äimoooo mit Kläää-booo verfolgte meinen Zimmergenossen und mich von Morgens bis Abends, zwischendurch versammelten sich die Bauarbeiter ausgerechnet auf dem Gerüst vor unserem Fenster um Zigarettenpause zu machen – hust, hust! 😉
Von den angebotenen Getränken gefielen mir der schwarze und der rote Früchte-Tee am besten. 🙂
Wir hatten einen Vin Santo bei Freunden zu einem tollen Dessert – Milchreiskuchen. Das war genial!
Einige Antworten kann ich geben.
1.) Vin santo wird nicht gespritet. Wenn doch, muss der den Zusatz „liquoroso“ auf dem Etikett tragen.
2.) Kein edelfaules, sondern hochreifes Lesegut mit enormem Zuckergehalt wird verwendet. Deswegen gibt es dort auch nicht in jedem Jahr einen Santo
3.) Die Rebsorten sind in der DOC-Definition enthalten
4.) Herstellung basiert auf drei Monate trocknen auf Stroh, anschließend pressen und dann Vergärung und Ausbau in Holzfässern (mindestens drei Jahre). Ob Reinzucht- oder Wildhefen weiß ich nicht, vermute aber letzteres.
5.) Der Alkoholgehalt ist wohl schlicht und ergreifend das allerhöchste Limit, was die Hefen noch mitmachen.
6.) Der Preis ist in der Tat erstaunlich – entspricht aber dem ohnehin sehr moderaten Preisniveau des biodynamisch arbeitenden Familienbetriebs. Ein Faktor ist sicherlich, dass der Vertrieb ausschließlich direkt an Endkunden erfolgt.
So, dann hol ich mal meine Infos zusammen, die – zugegeben – nicht vollständig sind.
Gespritet: nein. 16,5 geht sich auch so aus (mein Merlot erreicht auf Stroh problemlos die 16,1)
Botrytis: nein.
Trocknen: Stroh
Zucker: keine Ahnung, die meisten Vin Santo sind moderat süß
Herstellungskosten: Problemlos. Es ist quasi ein Abfallprodukt.
Weißweinsorten: Ja
Lagerfähig: Ja. Bis zu 10 Jahren
Vielen Dank für die Antworten. Die 16,5 % schrecken mich aber doch ab.
Amaretto di Saronno hat 28% – und wird gerne als Schuß im Espresso als Caffè corretto verwendet und zur Zubereitung von Tiramisu. Den Vino Santo nehme ich doch mit eingestippten Mandelgebäckstücken Cantucci zu mir, da dürften 16,5% auch kein Problem sein.