Das Wetter ist toll. Hier in Südtirol. Ich sitze auf meiner Terrasse mit Blick auf den Kalterer See. Vor meiner heutigen Abreise (morgen kommt der Captain) sprach ich beim Frühstück mit einem einheimischen Bekannten über Südtirol. Und wie sehr mir die Weine der Region gefallen.
Er ist schon etwas älter. Und seine Entgegnung kam lächelnd. Kalt lächelnd. „Was – Südtirol? Kalterer See?“ Er blickte über das Wasser. „Die haben hier mehr Wein, als der See Wasser trägt.“ Das räumte mir den Kitsch wieder vom Schrank. Denn das ist wohl die Wahrheit. Eine andere, als jene, die man wahrhaben will.
Massenware. Die Weine Südtirols sind vor allem bei der älteren Generation im Westen Österreichs und im Süden Deutschlands immer noch bekannt und beliebt. Meist billige Flaschen aus industrieller Fertigung. Plörre. „Plörre“, so reden viele über Weine aus Südtirol.
Dabei entspricht dieses Vorurteil – wie fast alle Vorurteile – gar nicht den aktuellen Tatsachen. Vor kurzem trank ich einen Wein aus Vernatschtrauben – einen ganz echten originalen Kalterer-See, so wie ich ihn noch vor Monaten nicht angerührt hätte – und hatte größten Spaß mit diesem herrlichen Tropfen. Einfach und köstlich. Gefehlt hat nur noch ein gegrilltes Stück Lamm.
Drei französische Regionen in Südtirol
Da sitze ich nun auf dieser Terrasse, vor meiner Abreise. Es ist 14:00 Uhr und ich habe eine Flasche Weißwein vor mir, die ich kurz davor vom Weingut Manincor bekommen habe. Geschenkt. Das nur so nebenbei. Falls einer fragt…
Es ist noch nicht so heiß, deswegen darf es ein etwas kräftigerer Weißwein sein. Der im Glas vor mir nennt sich „Sophie“ und ist ein ausgesprochen interessanter Saft, denn er vereint quasi die wichtigsten Weinbauregionen Frankreichs in einem alpinen Wiedergänger.
Sexy Sophies Basiswein ist Chardonnay (die Sorte hatten wir gestern schon etwas ausführlicher). Dann noch etwas Viognier und für den Duft und die Frische auch noch Sauvignon. Sophie vereint Burgund, Rhone und Bordelais. Eine seltsame Cuvée. Erst recht in Südtirol.
Sophie ist schön, schlank mit erotischen Kurven und einem großen Busen. Und sie hat keine Achselhaare. Ich weiß, das führt mich jetzt aufs Glatteis. Und der Captain hat mich auch gebeten, jede Art sexueller Anzüglichkeiten in der Weinbeschreibung zu vermeiden. Aber bei jedem Schluck Sophie, wird die Person deutlicher.
Die Trauben für Sophie kommen zur einen Hälfte aus Terlan und zur anderen aus Kaltern. Die Lage der Terlaner Reben ist nach Westen hin ausgerichtet und die Böden tragen Sand und Lehm. Die Weingärten in Kaltern sind die steilsten des Weinguts Manincor. Sie neigen sich nach Südwest und liegen auf einer Höhe von 350 bis 400 Meter. Ihr Boden ist lehmiger Löss.
Die entrappten Trauben für den Sophie blieben fünf Stunden auf der Maische. Vergoren wurde in verschiedenen Holzfässern und zwar ausschließlich mit Spontanhefe. Danach lag der Wein noch 9 Monate auf der Feinhefe. Eine fast einfache Machart, sehr klassische Neuzeit und zur Gänze biologisch. Hatte ich das noch nicht erwähnt? Na dann wird es Zeit.
Die Bühne: das Burgunderglas
Sophies Bühne ist das Burgunderglas. Diese Bretter bedeuten Entfaltung und epische Breite, sie erscheint in einem leuchtend gelben Kleid. Sophie versteht es zu strahlen und ihr unwiderstehlicher Duft erinnert an reifen Pfirsich, etwas Blütenhonig und Rosenöl. Vergisst man das Glas nach einer kurzen Standzeit zu schwenken und hält die Nase in den Kelch, so riecht man das volle Aroma nassen Bachsteins – faszinierende Mineralität!
Sophie trägt ein Korsett aus Seide, ganz eng geschnürt. Sehr dicht und stoffig – vielleicht sogar ein Hauch feinster Adstringenz und eine prickelnde, frische Säure, die diesen großen Wein viel feingliedriger erscheinen lässt, als er eigentlich ist. Ewig lange untermalt der mineralische Körper einen druckvollen Abgang. Ein seltsamer Wein aus einer Gegend, die immer noch und fälschlicherweise für langweilige und säuerliche Weine verrufen ist. Doch was ich hier im Glas habe, passt eigentlich nirgendwo hin. Auch nicht nach Südtirol. Es ist einfach die Kopfgeburt eines sehr guten Biowinzers. Das muss reichen.
wunderschöne geschichte zu einem umwerfenden wein – dass die gattin Sophie heißt, weißt eh?
Nein. Maat Mally offenbar auch nicht. Was ja jetzt für eine pikante Note sorgt..
Zweifellos macht das Weingut Manincor gute Weine. Allerdings passt für mich die Bio-Natur-Schiene, die gefahren wird, nicht ganz mit dem Beton-Monster-Keller zusammen, den der Graf in den Weinberg hat knallen lassen. Ebenso die doch sehr selbstbewußte Preispolitik, die bereits ab Hof gilt.
Interessant wäre vielleicht ein Vergleich des Cuvees Sophia mit dem Mitterberg Trias (ebenfalls aus drei Rebsorten – ich glaube, Chardonnay, Weißburgunder und Sauvignon?) von Ignaz Niedrist (Girlan, eine Ortschaft weiter), dessen Weine ich insgesamt (insbesondere den Lagrein Berger-Gei) wärmstens empfehlen kann.
vielleicht ist madame ja entzückt! ich hatte den namen sophie in meiner südtirol-biodyn-verkostunggeschichte fälschlicherweise einer tochter zugeschrieben – deshalb weiß ich’s nun 😉
beton ist nicht per se böse, und die doppelte hülle unter dem weinberg – von außen sieht man eh nix von dem „monster“ – hat enorme klimatische vorteile. biodynamische arbeit muss ja nicht wie birkenstock ausschauen! und warum bitte darf bio nicht geld kosten?
Sehr geehrte Frau Deutsch,
es ist richtig, dass bio auch Geld kosten darf. Insofern hatte ich den Text missverständlich formuliert. Ich wollte eigentlich nur anführen, dass Manincor im Verlgeich zu den anderen Weinmachern in Kaltern mit Abstand das teuereste ist, was ich insgesamt – trotz der guten Qualität der Weine – für nicht gerechtfertigt halte. Kann man selbstverst. auch anders sehen.
Der Keller ist ein Monster – und dabei bleibe ich. Unter Bezugnahme auf den neuen Keller proklamiert der Graf auf seiner homepage: „…in landschaftlicher Hinsicht ein höchst schützenswertes Ensemble, in das nur sehr behutsam eingegriffen werden sollte…“. Angesichts der Baustelle, die ich vor ein paar Jahren mit eigenen Augen sehen durfte – der halbe Weinberg wurde abgetragen – blanker Hohn.
Lieber Herr Gast, die Baustelle ist Geschichte, über dem Keller wachsen wieder die Rebstöcke, und so ist es allemal augenverträglicher als gewisse mitten in die Landschaft gestellte neue Kellereibauten. Aber auch das, selbstverständlich, Ansichtssache. So wie die Weinqualität, die ich bei Manincor deshalb – und da gehe ich mit Maat Mally konform – für außerordentlich halte, weil sie eben nicht gängigen Südtirol-Beschmacksmustern entspricht. Weshalb auch ein „gut“ nicht ganz greift.
Leibe Frau Deutsch,
ob der Wein von Manincor nun als gut, sehr gut oder herausragend einzustufen ist, liegt im Auge des Betrachters. Sie können das sicher besser beurteilen als ich – und das meine ich nicht zynisch. Ich will die Weine von Manincor auch gar nicht schlecht reden, sie gehören sicherlich zu den besten in Südtirol. Ich weiss auch, dass die Weine Maat Mally wegen der spürbar mineralischen Note gefallen. Beim Lagrein Rubatsch meine ich aber beispielsweise, dass zuviel Holzeinsatz im Spiel ist. Das nur nebenbei.
Sofern Sie auf weitere „Bausünden“ in Kaltern anspielen, meine ich zu wissen, worauf Sie hinauswollen. Von dieser Kellereigenossenschaft gibt es aber eine recht ansehnliche Höfe-Linie, die Qualität zu verbraucherfreundlichen Preisen liefert. Mich würde im Übrigen Ihre Meinung zu dem bereits erwähnten Winzer Niedrist sowie Manni Nössing interessieren, die zu meinen persönl. Favoriten in Südtirol zählen.
Lieber Gast, mit den „Bausünden“ meinte ich nicht einmal Kaltern…
und was Ihre Vorschläge betrifft: gerne, meine Südtirol-Reise steht an, nur wann? Manni Nössing ist mir geläufig, aber seit es meinen Lieblingswirten nicht mehr gibt, hab ich auch den Wein nimmer vor der Haustür. Überhaupt mag ich Eisacktal-Weine in ihrem so viel kühleren Ausdruck.
ich war letztes jahr am weingut und von deren philosophie und der technischen ausstattung (geld spielte anscheinend nur eine untergeordnete rolle) sehr beeindruckt. ich fand die weine gut, die stars im Alto Aldige waren aber die weine der cantina terlan! Sauvigon Quarz und Lagrein Porphyr waren ein Traum!
Den Bau schlicht als ein Betonmonster zu bezeichnen, ist wohl etwas zu einfach – zumindest dann, wenn man sich mit der architechtonischen Philosophie dahinter beschäftigt hat.
Ich hatte das Glück vor 3 Jahren intensiv schnuppern zu dürfen, habe viele Geschichten, zu den jeweiligen Materialien etc. erhalten, konnte mit viel Zeit die neuen und alten Gemäuer erspüren und nein, ein einfaches Betonmonster findet sich hier nicht wieder. Im Gegenteil!