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Der verrückteste Irrtum der Wein-Geschichte

Müller weiß nicht, wohin er als nächstes rennen soll.
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Wie kann ein Irrtum so gut schmecken? Die Geschichte des Rivaners ist ein bizarres Desaster. Trotzdem schafft ein Winzer aus Rheinhessen, guten Wein daraus zu machen.
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Am Anfang stand eine schöne Idee: Hermann Müller aus dem Schweizer Kanton Thurgau wollte in den 1880er Jahren das Beste aus zwei bekannten deutschen Rebsorten machen.

Die Qualität des Rieslings mit der frühen Reife des Silvaners kombiniert muss ein Bombenerfolg werden. Dachte Müller. Er kreuzte in der deutschen Weinbauforschungsanstalt Geisenheim die beiden Sorten (glaubte er zumindest) und gab dem Ergebnis den Namen Müller-Thurgau. Heute ist die Rebsorte häufig unter dem klangvolleren Namen Rivaner anzutreffen.

Schon immer gab es Zweifel daran, ob Müller (der sich im Laufe seiner Karriere ganz unbescheiden Müller-Thurgau nannte) wirklich Riesling und Silvaner gekreuzt hatte oder etwas schief gegangen war.

Gegen Ende des 20. Jahrhunderts gelang mit einer DNA-Analyse der Beweis: Müller hatte wohl aus Versehen Riesling mit Madelaine Royale gekreuzt, einer Tafeltraube. Diese Sorte ist zum Essen da. Aber nicht, um Wein aus ihr zu machen.

Typisch für die Weine sind ein leichter Duft nach Pfirsich und ein fetter, dabei kraftloser Eindruck am Gaumen. Trotzdem pflanzten Winzer nach dem Zweiten Weltkrieg die Rebsorte häufig an. In diesen schwierigen Zeiten war der Geschmack nicht so wichtig, Hauptsache das Zeug gedeiht. Rivaner wächst überall, reift früh und bringt große Erträge, manchmal doppelt so viel wie Riesling.

Während der 1980er Jahre war er sogar die meist angebaute Rebsorte in Deutschland. Die meisten Tropfen waren allerdings von keiner guten Qualität.

Inzwischen ist längst Riesling wieder die Nummer Eins. Winzer, die Rivaner trotz seines schlechten Rufs immer noch anbauen, müssen Mut und Geduld aufbringen. Denn um aus dieser Rebsorte einen guten Wein zu machen, ist einiges an Arbeit nötig.

Das weiß auch Nicolas Michel aus Kettenheim in Rheinhessen, der das Weingut Schlossmühlenhof betreibt. Seit 1846 ist der Betrieb im Besitz der Familie. Ihre Rivaner-Reben stehen in der exzellenten Lage Wartberg auf Lössboden. Löss enthält Kalk. Und Kalk gibt dem Wein Struktur.

Ich habe von den Michels eine Flasche Rivaner bekommen, der aus Trauben von alten Reben gekeltert wurde.

Die Nase ist schon mal alles andere als langweilig. Reife, gelbe Birne schmeichelt mir, unterstützt wird sie von einem gelben Apfel und ein wenig reifer Aprikose. Dazu kommt eine leichte Würze wie von frisch geschnittenen Küchenkräutern.

Am Gaumen fällt zunächst wieder die reife Birne auf, die mit leichter Cremigkeit über die Zunge gleitet. Aprikose und etwas Stachelbeere kommen hinterher, wieder schmecke ich frisch geschnittene Küchenkräuter. Der Tropfen hat gerade mal 12,5 Volumenprozent Alkohol und eine wunderbar ausbalancierte Säure. Sie verleiht ihm Frische, ohne ihn zu dominieren.

Dies ist ein Rivaner, der alle Menschen Lügen straft, die sagen, aus dieser Sorte könne man keine guten Weine machen. Ein sehr ehrlicher, würzig-fruchtiger Weißwein, der für diese Qualität ganz wenig kostet.

Dazu passt ganz wunderbar eine Forelle blau oder eine Gemüsequiche.

 

Datum: 1.12.2017