Preußen, das Land mit dem alten Fritz. Preußen, das wissen nur wenige, langte einst bis an die Nahe. Und an der Nahe, dem Weinbaugebiet, erinnert man sich mitunter noch an das preußische Erbe. Erinnern darf man wieder; spätestens seit den ersten Tagen der neuen und dem alten Preußen so völlig entglittenen Berliner Republik.
Wie von einer Aussichtswarte blickt man von diesem Ort inmitten wohlarrondierter Weinberge in das enge Tal und den kleinen Ort Niederhausen. Die bizarre Steinwelt der Kupfergrube, der steile Steinberg, die sanft geschwungene Hermannshöhle – eine Perlenschnur der besten Lagen. Mittendrin und obendrüber residiert eine Institution im deutschen Weinkosmos, das VDP-Weingut Gut Hermannsberg.
Königlich-preußische Weinbaudomäne, dann staatliche Weinbaudomäne, zwischendurch Gutsverwaltung Niederhausen-Schloßböckelheim. Die Zahl der Namensvarianten ist lang und Legion. Die Zahl der dort erzeugten Spitzenrieslinge ebenfalls.
Immer auf den Boden hören
Nach einer langen, unglücklichen Phase der Irrungen und Wirrungen will der neue Besitzer von Gut Hermannsberg, der Unternehmer Jens Reidel, mit seinem Team (Geschäftsführung: Oliver Müller, Kellermeister: Karsten Peter) an die Glanzzeiten der Domäne anknüpfen. Um diesen Anspruch gleich doppelt zu unterstreichen, kommt mit dem Jahrgang 2009 eine moderne Interpretation des alten preußischen Etiketts (mit preußischem Hoheitsadler) auf die Flasche. Die neuen Macher von Hermannsberg sagen, man wolle den Potentialen der einzelnen Weinbergslagen die Möglichkeit geben, sich zu entwickeln.
Die Böden in den beiden Gemeinden Niederhausen und Schloßböckelheim sind extrem heterogen. Von Porphyr und Schiefer bis zu Verwitterungssandstein und Löss findet man hier alles, was ein Geologenherz begehrt. Und erst Recht ein Winzer, dem es nicht Vielfalt genug sein kann. Die Lage „Schlossböckelheimer Kupfergrube“ beispielsweise ist überwiegend von Vulkangestein geprägt und das lässt die dort erzeugten Weine auf eine besondere Art strahlen.
Der Schraubverschluss knirscht zum Ende seiner kurzen Karriere
Mit dem 2009er Schlossböckelheimer Riesling trocken, dessen Traubenmaterial zu 100 % aus der Kupfergrube stammt, aber dank VDP-Klassifikation nur als „Ortswein“ deklariert wurde, kelterte das Weingut folglich einen trockenen Riesling von Format aus einer grandiosen Lage. Und das zum Preis eines besseren Gutsweins. Der blütenweiße Drehverschluss knirscht zum Ende seiner kurzen Karriere.
Im Glas liegt satt ein kraftvoller, würziger Riesling, der trotz seiner Jugend einen eindringlichen Duft verströmt. Die Weine aus der Kupfergrube waren schon unter den Vorgängern des jetzigen Kellermeisters Karsten Peter immer Säfte, die schon in ihrer Jugend vor saftiger Fülle kaum laufen konnten. Also eigentlich etwas zum Aufheben.
Auch der 2009er ist ein Naheriesling von außergewöhnlicher Saftigkeit. Hier findet man die kühle Würze nasser, frisch gehackter Küchenkräuter. Auch ein weißer Pfirsich liegt angeschnitten auf einem nicht mehr ganz neuen Hackbrett, der Stahl des Messers tropft vor süßem Saft. Ein Biss in den Pfirsich, eine Cremeschnitte hinterher.
Pfirsich auf Stahl
Die fast stahlige, durch den Jahrgang in ihrer Schärfe gerundete Säure sorgt für die nötige Balance. Kraftvoller Alkohol (13 %), den man aber nur spürt, wenn man ihn auf dem Etikett gelesen hat. Der Wein hat Spannung, Frucht, Saft. Kurzum alles, was einen seriösen Riesling von der Nahe ausmacht. Nur leider, leider findet man diesen Typus immer seltener. Auf dem Hermannsberg ist man allem Anschein nach auf die Suche gegangen und fündig geworden. Wir sind im ersten Jahr. Und dieser Wein ist eine Steilvorlage. Alles weitere wird die Zeit weisen.
Die von dem Autor so benannte Phase der „Irrungen und Wirrungen“ dieses Weingutes in den zurückliegenden Jahren kann ich so nicht nachvollziehen – die Weine unter der Ägide des Kellermeisters K. Gabelmann (mittlerweile bei einem Rheingauer Weingut tätig) und anschliessend des jungen Kellermeisters Voigt (der ab 2009 die Weine des renommierten Ruwer-Weingutes Karthäuserhof verantwortet) boten keine gleichmässig hohe Qualität- gleichwohl liessen sich immer wieder vorzügliche Weine mit ausgezeichnetem Preis-Leistungs-Verhältnis finden; sehr lagendifferenziert. Genau das vermisse ich bei den neuen Eigentümern und Weinmachern.
Von Promotion verstehen diese Herren augenscheinlich mehr als ihre Vorgänger ….
ay, ay captain, dieser Wein ist wirklich klasse.
Natürlich gab es unter der Vielzahl an Weinen, die Herr Gabelmann oder auch Christian Vogt(!) zu verantworten hatten, den einen oder anderen sehr gelungenen Jahrgang, keine Frage! In den 90ern waren das 95 und 98 z.B. und in der jüngeren Geschichte 06 und 07. Aber das, was Sie Promotion nennen, ich nenne es eine klare Linie, das fehlte und bei einem Gut dieser Größe, kann das nur schief gehen. Ob die Weine mit Reife halten, was die Macher versprechen, das wird die Zeit weisen. Ob jeder Jahrgang so glanzvoll wird wie der 09er, ebenfalls.
Herr Eschenauer, klare Linie heisst doch wohl vor allem satte Preiserhöhung um tw. mehr als 100 % – nur noch die Zitrus-Basisvariante beomme ich unter 10 EUR. Bislang bekam ich zu dem Preis die Kabinett-Qualität-Vielfalt geboten. Mag sein, dass Ihre Einkommens- bzw. Vermögenverhältnisse hinreichend preisunsensibel sind, meine sind es nicht.
Sehen Sie, es ist doch ganz einfach. Wem der Wein seinen Preis wert ist, der wird ihn zahlen. Ich werde mir den 09er Schloßböckelheimer sicher nicht kistenweise in den Keller legen. Sie haben den Konflikt, der sich durch das Preisgefüge ergibt, im letzten Satz angesprochen – und mir geht es nicht anders.
Und was die Kabinett-Qualität angeht: Sie haben völlig recht. Nur mit dem Unterschied, dass der Gutsriesling, folgt man den Anforderungen des Prädikatssystems, jetzt eine satte Spät-bzw. Auslese ist. Dass Sie jetzt einen „QbA“ statt eines Kabinetts bekommen, liegt nur an der gutsinternen bzw. VDP-Klassifikation, die alle trockenen Weine als QbA deklariert wissen will. Die Prädikate sind den rest- und edelsüßen Weinen vorbehalten.
Sie mögen den Stil nicht und die Preiserhöhung passt Ihnen auch nicht. Ersteres ist Geschmackssache und da gibt es Abhilfe, letzteres entscheidet der Markt. Und der scheint es zuzulassen.
Hallo Felix,
danke für den interessanten Artikel. Da ich ja Fan der Kupfergrube bin, interessiert mich das Gut sehr.
Mal schaun, was das Gut Herrmannsberg in Bad Kreuznach zeigt.
Viele Grüße
Marc
Felix,
schön was von dir zu lesen. Auch dass die alten Prestigegüter wieder performen ist wunderbar, denn sie haben oft die besten Lagen, die schönsten Gutshäuser (weil Schlösser), die tiefsten Keller und die coolsten Etiketten. Ich mag diesen Schauer der Ehrfurcht.
Der Etikettentrinker in mir fragt sich, wie die Weine den Vergleich mit Dönnhoffs und Crusius‘ aushalten. Stilistisch und in Sachen Qualität.
Und die Lagen kann man sich auch hier anschauen:
Hermannsberg:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=704
Hermannshöhle:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=705
Kupfergrube:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=762
Kertz:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=706
Bastei:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=785
Rotenberg:
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=570
Gruss, Charlie
Ich hab‘ die Kollektion mehrfach probiert, und nachdem ich jetzt auch die Großen Gewächse von Gut Hermannsberg im Glas hatte, bleibe ich bei meiner Einschätzung: hier schmecke ich nur „Langeweile und uninspiriertes Weinmachen“, um in Worten des Captain’s zu sprechen. Umso verwunderlicher, wenn man von beruflichen und privaten Verbindungen des neu engagierten Kellermeisters zu einem mittlerweile zur absoluten Spitze, und das nicht nur an der Nahe, aufgestiegenen Betriebs weiß.
Klar, das sind keine „wilden“ Weine, ich finde sie aber elegant und lagentypisch.
So verschieden ist die Wahrnehmung: Warum Schäfer-Fröhlich zu den ersten Betrieben der Nahe zählt, hat sich mir leider noch nie erschlossen. Im trockenen Bereich spielen Diel und Emrich-Schönleber eine ganze Klasse höher, von den restsüßen Weinen ganz zu schweigen.
| riesling|blog |
Bis zum letzten Jahr ich auch nicht der SF-Fan, aber was Tim heuer auf die Flasche gebracht hat, ist beieindruckend. Zumindest für mich. Hab‘ ganz bewusst die GG’e von S-F und E-S parallel getrunken, S-F Weine leben, haben phantastisches Mundgefühl und leben nicht nur mehr von der Frucht. Der ‚Felseneck‘ (95/96) ist für mich der beste trockene deutsche Wein 2009, die beiden ‚Halenberg‘ ebenbürtig (93) aber das darf ich ja erst in 4 Tagen sagen. Und zu den beiden GGen von Gut Hermannsberg sag‘ ich lieber nichts. Aber tolle Ausstattung.
GG=Großes Gewächs; S-F=Schäfer-Fröhlich; E-S=Emrich-Schönleber
Danke, ich bin gespannt und lass mich gerne immer vom Gegenteil überzeugen.
Nachdem sich heute die Möglichkeit einer Verkostung der Weine bot (ergänzt um Worthülsen des Kellermeisters, wirkten wie auswendig gelernt), schliesse ich mich Peter V.`s Meinung an – nette , brave (überteuerte) Weine, die niemand braucht.
Eine kleine Fussnote in der Nahe-Historie, die vergehen wird. Anders gesagt: Ärgerlich, was Herr Peter dargestellt hat.