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Nein, ich hacke nicht auf dem Rheingau herum. Heute ausnahmsweise nicht. Denn was ich neulich aus dieser Region getrunken habe, war erstaunlich und ungemein selten.
Die Rebsorte und der Weintyp allerdings könnten häufiger kaum sein. Ein Erstes Gewächs.
Ein Riesling. Noch dazu aus dem hier an Bord so heftig umstrittenen Jahrgang 2010, der in der Breite mittlerweile zu vergessen ist, in der Spitze dafür gerade zur Höchstform aufläuft um den in Sachen Spannung und Gesprächspotenzial vermeintlich besseren Jahren wie 2009 und 2011 eins auszuwischen.
Was war nun aber an besagtem Ersten Gewächs so besonders? Ganz einfach: Es konnte so nur in einem Jahr wie 2010 entstehen, das mitunter auch einen Winzerstil bricht, wenn ihm danach ist.
Der Wein, von dem die Rede ist, stammt vom Domdechant Werner’schen Weingut in Hochheim. Den Stil des Hauses, und damit auch des Ersten Gewächs aus der Hochheimer Domdechaney, darf man getrost als üppig, geradezu mollig bezeichnen.
Überbordend mehr
Viel Struktur, viel Frucht, von allem überbordend und manchmal noch ein bisschen mehr. Eleganz und Finesse sind zwar im Ansatz erkennbar, müssen aber letztlich hinter der Idee vom großen gehaltvollen, mit Nachdruck überzeigenden Ganzen zurückstehen. Das kann in fetteren Jahren gerne mal etwas zu sättigend daherkommen. Wer das nachvollziehen will, kann ab Hof ein paar ältere Jahrgänge kaufen, die ihre Zeit brauchen, um in Schwung zu kommen.
Auftritt 2010 Hochheim Domdechaney Riesling Erstes Gewächs. Der Jahrgang, der dem Stil in die Parade fährt. Freilich nicht so, wie es in anderen Gütern passiert ist. Also nicht in dem Sinne, dass man jahrgangsbedingt die eigene Stilistik überdenken musste. Im Gegenteil. Beim Domdechanten hat man genau das getan, was man immer tut. Und in 2010 war das genau richtig, denn das Jahr selbst bildet innerhalb des Hausstils gewissermaßen eine Insel, die den Wein mit dem nötigen Schliff, der präzisen Eleganz ausstattet, die zum großen Wein bisher fehlte – eine Symbiose, wie sie vermutlich nicht beabsichtigt war und die dennoch faszinierend ist.
Der Wein fließt mit einem kräftigen Gelb in die Karaffe – unbedingt nötig – und zeigt eine hohe Viskosität. Aus dem Burgunderglas – unbedingt nötig – strömt eine betörende Mischung von Grapefruit und Limette, dazu Maracuja und noch warme, leicht geröstete Haselnüsse.
Dann macht sich der opulente Körper bemerkbar und zeigt sich cremig, leicht sahnig und leicht herb. Nichts davon ist auch nur entfernt jener neuen, schlanken, frischedominierten Rieslingstilistik zuzuschreiben, die man derzeit so sehr schätzt. Das streitbare Ausnahmejahr 2010 gibt dem Wein aber etwas ganz anderes: Burgundische Züge.
Wenn man das Erste Gewächs aus der Domdechaney denn so trinken will, sollte man das zu einem ganzen und konservativen Menü tun, denn genau das ist das Umfeld, in dem dieser Wein vollends zuhause ist. Bedingt durch die kräftige Stilistik kann dieser Riesling auch schwereren Speisen standhalten. Die Frische, die aus Säure und Jahrgang kommt, steuert Animation und Abwechslung bei. So ist es gut, so soll es sein – und so wird es unter demselben Etikett vielleicht nie wieder. Ein Wein, der ein Versehen war. Und genau deshalb so gut.
Experiment gelungen
Umso erfreulicher, dass dieses seltene Experiment von einem Riesling noch zu bekommen ist. Und das für vergleichsweise wenig Geld. Ein Weinerlebnis also, das sich ausnahmslos jeder leisten kann und sollte. Wer 2010 kennen, be- und vielleicht sogar verurteilen will, muss diese Facette des Jahrgangs ohnehin probiert haben. Denn so sehr das Jahr auch polarisiert – wenn der eine Pol auf den anderen trifft, entsteht mitunter Großartigkeit. Über den heimlichen Rest kann man dann ja großzügig hinweg schauen.
- 2010 Hochheim Domdechaney Riesling Erstes Gewächs für moderate 24,00 Euro.
das ist ja auch der fette, lehmige Teil vom Rheingau http://www.weinlagen-info.de/#lage_id=1492
„Nichts davon ist auch nur entfernt jener neuen, schlanken, frischedominierten Rieslingstilistik zuzuschreiben, die man derzeit so sehr schätzt.“
Me too, der einfache Gutsriesling von Keller, Rheinhessen kostet ab Weingut 7,50 EUR – kaufen, die Frische und die gekonnte Eleganz und Leichtigkeit genießen. Wie kommt es nur, dass mir das schmeckt? 😉
Wie kommt es vor allem, dass dieser Wein als „teuer“ empfunden wird..
Kann man nicht beides mögen? Immer nur klare Brühe ist doch auch langweilig, ab und an darf es dann auch mal eine Cremesuppe sein.
Schöne reife Stachelbeere … Gestern und heute konnte ich den Wein endlich bei uns auf dem Weinfest probieren und ich bin begeistert. Nach mehreren Versuchen bei dem Weingut war ich eigentlich schon so weit zu sagen „nicht meins“. Mag sein, dass das noch immer so ist, aber dieser Wein gefällt mir echt und konnte auch gut mit dem deftigen Spießbraten danach mithalten. Danke für den Tip. … werde ich wohl mal in Kaufabsicht den Berg hochstapfen.