Wer in Koblenz die Bahn besteigt und in Richtung Mainz fährt, der hat eine der schönsten Bahnstrecken Deutschlands, wenn nicht Europas vor sich.
Durch eine der wildesten Weinlandschaften der Welt. Und er kann einen letzten Blick auf die Arbeit vieler Generationen werfen. Denn die Weinberge wird es nicht mehr lange geben. Kaum ein Anbaugebiet ist so vom Schwund der Rebflächen betroffen wie der Mittelrhein.
Es ist das kleinste der deutschen Anbaugebiete. Und jenes mit der geringsten Reputation.
Fragt eure Freunde in Berlin, Hamburg oder München, ob sie Rieslinge aus Boppard, Bacharach oder St. Goar kennen. Ich vermute, wir kennen die Antwort. Obwohl es eine jährliche, öffentliche Verkostung der besten Weingüter gibt und obwohl die Gegend den Status des UNESCO-Weltkulturerbes besitzt, sind die feinsten Produkte dieser Winzer überregional kaum bekannt.
Eine Schande, ist doch gerade der Mittelrhein-Riesling unverwechselbar. Die feste Struktur, die rassige, markante Säure, die pikante Würze des Schiefers und eine herrliche Frucht prägen die typischsten Weine hier
Die alten Städte mit Wehrmauer, gotischer Kirche und Burgruine, der breite Rhein, das alles gibt eine wunderbare Kulisse ab. Aber genau unter all diesen Attraktionen hat der Wein am meisten gelitten. Oder anders: Unter den Touristen, die für einen Tag ins Tal einfallen, nach der Loreley noch einen Abstecher in einen der Orte machen und billig verpflegt werden wollen.
Noch dazu gibt es hier nur steile, schwer bewirtschaftbare Lagen, deren harter Fels nur die Anlage von Terrassen zulässt. Das macht es jedem Winzer schwer. Und viele Erben wollen das Erbe gar nicht antreten.
Doch es tut sich was. In den letzten Jahren hat sich auch die einheimische Gastronomie geändert. Mittlerweile gibt es in so gut wie jeder kleinen Stadt wenigstens ein interessantes Restaurant, das auf die lokalen Produkte setzt. Auf Wildschweinbraten statt Jägerschnitzel und auf heimischen Obstbrand statt industriellen Schnäpsen. Und auf Riesling aus der Ortslage statt auf unbestimmten Markenwein. Ein Lichtblick, gewiss. Aber es wird die Weinberge nicht retten.
Die Initiativen des Landes und auch der Deutschen Bahn, ehemals bedeutende Lagen wie den Oberweseler Oelsberg zu rekultivieren, tragen aber dazu bei, dass sich auch Winzer aus anderen Regionen für den Mittelrhein interessieren. Das Flurbereinigungsprojekt „Oelsberg“ beinhaltet auch die Querterrassierung der Lage. Das ist der Versuch, auch extreme Steillagen maschinell bearbeitbar zu machen, indem die Rebzeilen quer zum Hang angelegt werden.
Maschinell? Das klingt wenig romantisch. Aber die Handarbeit will sich keiner antun. Dann müssten die Rieslinge zumindest zwei Drittel mehr kosten (wie in Österreich schon jetzt der Fall). Aber der deutsche Konsument denkt nicht daran, für deutsche Weine mehr Geld auszugeben.
Winzer Axel Schweinhardt aus Langenlonsheim (an der Nahe), hat Anfang der 1990er Jahre mit ausgezeichnetem Weißburgunder von sich Reden gemacht. Nun wagte den Sprung an den Rhein und bewirtschaftet gleich drei großartige Hänge: Goldemund, Backofen und Oelsberg.
Insbesondere der markante, würzige Oelsberg macht seinem Namen alle Ehre. Der Wein steht mit einem satten Gelb im Glas, dem ein würziger Duft nach nassem Schiefer und Waldbeeren entströmt.
Reifer, roter Weinbergspfirsich lässt ihn fetter wirken als er tatsächlich schmeckt. Der moderate Alkoholgehalt von 11 Volumenprozent bei einem Restzucker von rund 8 Gramm pro Liter sorgt trotz der reifen, süßen Frucht für sehr guten Trinkfluss. Die ausgereifte, präsente Säure tut ihr Übriges dazu. Schwarze Johannisbeere, Küchenkräuter und eine Spur Vanille machen den Oelsberg mitunter zu einer zwiespältigen Erscheinung. Auf der einen Seite hat der Wein etwas kühl-mineralisches, auf der anderen Seite zeigt er diese runde, süßliche Frucht.
Axel Schweinhardt hat hier jedenfalls etwas getan, von dem ich hoffe, dass es Schule machen wird. Er hat sich auf Lage, Landschaft, und Tradition eingelassen, getrieben von dem Willen, alles erhalten und pflegen zu wollen. Und das ist viel in diesen Tagen. Denn in jedem Jahr stirbt am Rhein ein weiterer Weinberg. Bald stehen nur mehr die Terrassen. Und sie stehen leer.
Den Oelsberg kann man übrigens auch durchwandern. Das würde ich aber bei soviel Schnee wie auf dem Bild nur Leuten mit alpiner Erfahrung raten. Im Herbst oder im Sommer aber ist es eine atemberaubende Tour mit atemberaubend schönen Blicken auf den Fluß. Vielleicht nicht ganz so spektakulär wie der Steig durch den Calmont aber doch ein Erlebnis. Mehr dazu hieroder hier.
Das Loblied auf die einheimische Gastronomie kann ich übrigens bestätigen: die Historische Weinwirtschaft (mit sehenswerter regionaler Weinkarte) ist rundweg empfehlenswert.
Link fehlt, oder?
Nee, tun sie nicht. Aber das Design des Captains Schaluppe läßt an dieser Stelle leicht zu wünschen übrig. (Hint: einfach mal oben im Post auf „hier“ oder „hier“ oder „Historische Weinwirtschaft“ klicken!
Aber, wo wir gerade beim Thema „Links“ sind. Hier noch einer zum Stichwort schönen Blick auf den Fluß“ (auf den „schönen Blick“ klicken, isklar, ne)?
Stimmt, ich werde das vorbringen..
Übrigens, falls der Captain anstelle des verschneiten Symbolbilds lieber den echten Oelsberg abbilden möchte, wie wäre es denn HIERMIT (do I need to say…)?
Ich erbäte nur einen – idealerweise aufs Blog verlinkten – Credit (Marqueee/Allem Anfang…) im Gegenzug
Diesmal nicht, denke ich (jetzt stehts schon), aber wenn ich mitunter auf Ihr Archiv zurückgreifen könnte, wäre ich sehr verbunden. Selbstredend mit allen Verlinkungen und Nennungen..
„Mitunter“ ist da ein gutes Stichwort. Generell Carte blanche würde ich nämlich nicht erteilen wollen (von einem Teil der Bilder möchte ich, dass sie exklusiv bleiben) – aber ich stehe höflichen Anfragen prinzipiell wohlwollend gegenüber…
So. Probepäckchen bestellt. Und wehe, wenn Sie nicht die Wahrheit sagen, Herr Eschenauer.
http://www.weinlagen-info.de/?lage_id=120
Ich habe 2010 ein Probepaket von Schweinhardt geordert – leider ohne Freude an den Weinen (ein Mittelrhein-Wein fiel dabei auch durch das Trinkgenuss-Raster). Mein Eindruck: einer der vielen Produzenten, die sich nichts trauen und bloss kein Risiko eingehen wollen; also Restzucker stets an der oberen „trocken-Grenze“, gefällig-geschmeidige Frucht, Säure im Hintergrund, keine Ecken und Kanten.
Vielen Stammkunden wird das entgegenkommen (wirtschaftlich kann ich diese breite Schicht der Winzer mit lobenden Erwähnungen in den Weinführern, aber ohne Chance auf Teilhabe an der lukrativen Spitzenbewertungsmaschinerie gut verstehen), aber Neugier auf die Weine und besondere Erlebnisse damit sind damit leider kaum möglich.
Ich glaube, Maat Eschenauer erwähnte explizit die Weißburgunder. Und die Rieslinge aus dem Rheingau. Ich glaube aber, sie sind bei St. Anthony, Dreissigacker, Battenfeld-Spanier, Wagner-Stempel, Neiss, Molitor oder Van-Volxem besser aufgehoben.
Wie jetzt „Weißburgunder“? Maat Eschenauer empfiehlt doch am Ende diesen hier und schreibt von dieser Lage:
2009 Oberweseler Oelsberg Riesling trocken, Weingut Bürgermeister Willi Schweinhardt, für 8,50 Euro ab Weingut.
???
Den Text bitte genau lesen..
Bei dem Oelsberg halte ich den Restzucker am oberen Anschlag für sehr gelungen. Ansonsten, das kann man hier lesen (der Karl Schaefer Artikel z.B.) bin ich wenn trocken, dann für konsequent trocken. Mittelrhein schmeckt mir aber mit etwas RZ am besten, die schönsten Rieslinge sind meistens die halbtrockenen mit 3, 4 Jahren Reife. Schweinhardt-Weine sind sicher keine hochkomplexen Tropfen, allerdings ging es hier auch vorrangig um einen tollen Riesling, der dazu beiträgt, dass eine große Lage nicht brachfallen wird. Mehr nicht.
Für seine Weißburgunder bekannt, schrieb ich. Empfohlen wird der Riesling vom Mittelrhein.
Lieber Marienkäfer, nicht ärgern – der Captain hat kurzzeitig die Orientierung verloren, seine Navigationshinweise für mich sind gut gemeint, aber treffen nur hinsichtlich Molitor und van Volxem auf geschmackliche (nicht unbedingt preisliche) Resonanz. Die Rheinhessen (+Neiss) sind entweder sehr gewollt (Antony) oder zu kraftstrotzend-alkoholisch (bei allem Respekt vor Substanz und Lagen). Mir dürstet eher nach alkoholärmeren und gleichwohl individuell- ausdrucksvollen Weinen – mag zu anspruchsvoll sein.
Na bitte. Der Feierabend schlägt also nicht auf mein Leseverständnis.
Lieber Disberg,
ich glaube, ich entdecke gerade den Riesling, nach Jahren des Fremdgehens in österreichischen GV-Betten, wieder für mich. Ich hab einfach keine Lust mehr auf weiße 13,5 % vol. Veltlinerbomben ohne Spur von Säure, wie aus 2009 jetzt dauerhaft im Glas gehabt.
Der Restzuckerwert von Schweighardts Riesling vom Oelberg hört sich bei diesen Säurewerten schon mal toll an. Freue mich auf das Päckchen.
*Und falls der Captain nun wieder ob der Freaksprache rummotzt: GV steht für „Grünen Veltliner“ und nicht für „Geschlechtsverkehr“.