X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Mein Spargelkönig

Winzer Daniel Sauer.
Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel
Weintester Rainer Balcerowiak kürt den Spargelkönig: Deutschlands besten Spargelwein. Und er kostet nicht viel.
Anzeige

Man schreibt das Jahr 2018. Die Spannung steigt. Am Wohnzimmertisch sitzen ein Sommelier, ein Koch, ein Journalist und zwei wein- und spargelaffine Konsumenten. Serviert wird Kremmener Spargel mit Linda-Kartoffeln und zerlassener gebräunter Butter. Fünf Probiergläser stehen vor jedem Teilnehmer, denn aus rund 50 trockenen fränkischen Silvanern des Jahrgangs 2017 mit maximal 12,5 Volumenprozent Alkohol und vier Gramm Restzucker pro Liter hatten sich in diversen Vorproben fünf Finalisten qualifiziert.

Zum nunmehr vierten Mal galt es den Spargelkönig zu küren, also den Wein, der dieses zarte saisonale Edelgemüse optimal umspielt und ergänzt.

Große Gewächse oder andere konzentrierte Weine haben da keine Chance. Jedenfalls wenn der Spargel nur mit Kartoffeln und zerlassener Butter gereicht wird, also ohne Hollandaise und ohne Beigaben wie Schinken, Schnitzel oder (hallo Franken!) Bratwurst. Dann sähe die Sache etwas anders aus, denn reichlich Salz braucht auch mehr Power im Glas.

Und so war es nicht verwunderlich, dass sich in den Vorrunden etliche Gutsweine gegen eigentlich höherwertige Konkurrenten durchsetzen konnten. Was die alte These untermauert, dass Güte und Wertigkeit eines Weines selten absolut, sondern meistens im Kontext seines Genusses zu bestimmen ist.

Auch im Finale fiel das Votum einstimmig aus: Unser Spargelkönig 2018 ist der Silvaner 2017 vom Weingut Rainer Sauer. Ein ganz normaler Gutswein.

Irgendwas macht Daniel Sauer anders. Gute Lagen haben schließlich viele Winzer in Escherndorf an der unterfränkischen Mainschleife. Und an Know-how und Erfahrung mangelt es den Kollegen wohl auch nicht, wovon auch die hohe Dichte von Prestige-Betrieben in dem Ort zeugt. Doch das Weingut Rainer Sauer, in dem Sohn Daniel nach der Beendigung seines Weinbaustudiums in Geisenheim voll eingestiegen ist, hat so etwas wie eine ganz eigene, unverwechselbare Stilistik entwickelt. Einen ersten kleinen Hinweis gibt ein Statement von Daniel Sauer in einem Interview. Er freue sich, dass die Weine vom Körper weggekommen sind und fliegen.

Das klingt auf den ersten Blick arg esoterisch, erschließt sich aber spätestens bei einer etwas intensiveren Beschäftigung mit seinen Silvanern, die rund zwei Drittel der bestockten Fläche von insgesamt 15 Hektar einnehmen. Jedenfalls ein bisschen. Zum einen ist Sauer kein sogenannter Leuchtturm-Winzer, dessen in homöopathischen Mengen erzeugte Großen Gewächse die Fachwelt verzücken, während die anderen Qualitäten bestenfalls Kopfnicken ernten.

Bei Sauer ist die Kollektion der Star, vom Gutswein über den biodynamisch kultivierten Ortswein Escherndorf Muschelkalk bis hin zu den Großen Gewächsen und spannenden Experimenten unter anderem durch Ausbau im Betonei.

Es sind vergleichsweise leichte, mineralisch geprägte, frische Weine mit meistens zurückhaltender Primärfrucht. Mal mit zarten Anklängen an gelbe Früchte, Birnen oder Quitte, mal mit deutlichen pflanzlichen und kräutrigen Noten oder leicht rauchig. Aber immer kristallklar und gradlinig. Halt Weine, die fliegen.

Doch es geht bei der Ausprägung dieser Stilistik nicht um Geheimwissen, sondern um einige recht einfache Prinzipien. Bei Sauer wird in der Regel etwas früher gelesen als bei den meisten Kollegen. Genau in jenem sehr kleinen Zeitfenster zwischen der physiologische Reife und dem Beginn der Voll- oder auch Überreife, die den modernen Weinstil seit einiger Zeit zunehmend prägt.

Angesichts des Klimawandels, der in manchen Jahren für deutlich höhere Durchschnittstemperaturen als früher sorgt, sei dies die einzige Chance, durchweg trockene Weine (unter vier Gramm Restzucker pro Liter) mit moderaten Alkoholwerten, stabiler Säure, zurückhaltender Frucht und kühler Aromatik abzufüllen. Die auch nicht die die geringste Spur von Edelfäule aufweisen sollen. Lieber sammle er ein paar edelfaule Trauben separat und mache eine Beerenauslese daraus, als dass auch nur eine davon im Lesegut landet, sagt Sauer.

Nach Maischestandzeiten von 12 bis 36 Stunden tritt die Schwerkraft in Aktion. Der Most wird filtriert und läuft abwärts in die Gärbehälter, wo teils spontan und teils mit Reinzuchthefen vergoren wird. Der Ausbau erfolgt fast ausschließlich in Stahltanks, was der angestrebten Frische und Mineralität sehr zugute kommt. Nur bei den Großen Gewächsen kommen Holzfässer zum Einsatz, allerdings keine neuen Barriques. Und 900 Litern gehen in das Betonei rein. Für Sauer eine spannende Erfahrung, da der dort ausgebauten Wein sich deutlich weg von der Gelbfruchtigkeit hin zu Kräuternoten entwickelt.

Da fragt man sich natürlich, was Sauer eigentlich bei seinem neunmonatigen Praktikum in Kalifornien gemacht hat. In einem sehr großen Weingut, wo hauptsächlich Chardonnay, Merlot und Cabernet Sauvignon im internationalen Stil“produziert wurden. Fett und mit viel Holz. Seine Antwort ist verblüffend einfach. Er habe dort „hauptsächlich die Sprache gelernt“.

Vier Hektar werden von Sauer mittlerweile biodynamisch bewirtschaftet, doch eine Zertifizierung kommt für ihn noch nicht in Frage. Zwar verzichte man bereits auf Herbizide, aber beim Pflanzenschutz könne man das noch nicht komplett realisieren. Auch aus arbeitsökonomischen Gründen.

Ohnehin hat das Weingut nach kontinuierlichen Erweiterungen mit 15 Hektar allmählich eine Schwellengröße erreicht. Noch ist die gesamte Arbeit vom Weinberg über den Keller bis hin zum Vertrieb gut im Rahmen eines Familienbetriebs zu bewältigen und verantwortlich zu kontrollieren. Aber ab einer bestimmten Größe geht das nicht mehr. Derzeit kommen nur der Erwerb einzelner kleiner Parzellen in besonders guter Lage in Frage und natürlich nur direkt im Eschendorfer Lump.

Ich komme zum Silvaner Gutswein von Daniel Sauer, meinem Spargelkönig 2018. Bei Sauer ist dieser Wein alles andere als eine jener lieblosen, flachen oder aufgeblasenen Massenabfüllungen, die leider viel zu oft auch mit dem stolzen VDP-Adler am Flaschenhals auf den Markt geworfen werden. Für den Gutswein lesen wir einen Teil der Trauben noch früher, um ihm eine ganz leicht grüne Aromatik und etwas mehr Frisch zu verleihen, erläutert Sauer die Idee für diesen Wein.

Ansonsten kaum ein Unterschied: Aus Weinbergen in Escherndorf mit Muschelkalk und geringen Keuperanteilen, rigorose Vorlese, Maischestandzeit, teilweise Spontanvergärung, etwas kürzeres Hefelager, Ausbau im Edelstahl. Im Glas dann leicht und frisch, mit pflanzlichem Duft, zarten Anklängen an Kernobst und stabiler Säure. Schon hat man ein bisschen besser verstanden, was Sauer mit „fliegenden Weinen“ meint. Und nicht zuletzt genau das gefunden, was einen würdigen Spargelkönig ausmacht.

Natürlich ist das für einen Winzer, der seit einigen Jahren mit Ehrungen, Jubelarien und wahren Punktekaskaden nur so überschüttet wird, keine große Sache. Gefreut hat er sich trotzdem. Gerade weil es der Gutswein war, der meistens nur in einer Randnotiz Erwähnung findet. Immerhin ist das mit rund 15.000 Flaschen pro Jahr der größte Einzelposten auf seiner Weinliste.

Ein Winzer, der in der Fachwelt inzwischen so was wie everybodies darling ist, könnte allerdings versucht sein, da mal ein bisschen an der Preisschraube zu drehen, denn mit unter 10 Euro ist dieser Wein immer noch zurückhaltend kalkuliert. Doch er will auf dem Teppich bleiben. Das soll schließlich auch ein Wein sein, von dem man gerne mal zwei Flaschen trinkt, meint Sauer.

Jetzt verstehe ich endgültig, was Daniel Sauer mit „fliegenden Weinen“ meint.

 

Datum: 2.4.2020 (Update 3.4.2020)
 

Ähnliche Weine

 

Ähnliche Artikel