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Plädoyer für Portugal, Folge 1.

Geiles Anbaugebiet. Muss man sagen...
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Das Land war jahrelang nur für Spritwein und Billigfusel bekannt. Doch hat es mehr zu bieten, als es selber weiß: Nämlich eine unfassbar große Zahl autochthoner Rebsorten. Captains Maat Sigi Hiss über die Vielfalt Portugals.

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Portugal ist pleite. Portugal ist reich. Denn Portugal steht bei Weinenthusiasten für Portwein, Korkindustrie, Madeira & Mateus. Portwein gibt es oft in Topqualität. Die Korkindustrie steht unter Druck. Matteus ist ein billig erzeugter Massenträger. Und Madeira ein Top-Nischenprodukt, dem momentan etwas Drive und Anerkennung fehlt.

Und dann gibt es noch etwas, das nur wenige kennen. Trockene Weiß- und Rotweine aus Sorten, die man kaum aussprechen kann, autochthonen Sorten in einer Vielfalt, die man weltweit suchen muss. Sorten mit seltsamen Namen wie Tinta Carvallha, Gouveio, Rufet, oder Bastardo. Portugal hat hier etwas in Reserve, für das es von anderen Weinbaunationen beneidet wird: Richtige Bandbreite.

Die autochthonen Sorten Portugals sind der Weinwelt noch unbekannt. Keiner kennt sie und manche Sorten werden auch immer im Schatten bleiben. Von jenen gibt es nur ein paar hundert Rebstöcke. Irgendwo von irgendwem gepflanzt.

Viele Sorten sind noch nicht einmal identifiziert. Man weiß schlichtweg oft nicht, was in den Rebbergen herumsteht. Denn die Rebberge wurden einst als gemischter Satz gepflanzt, ein bewusst geschaffenes Chaos, das ein Erntegut sichern sollte, in welchem zumindest zwei bis drei Sorten ordentlich ausreifen.

Das ist übrigens die derzeit kontroversiellste Diskussion unter den lokalen Winzern, Weinfunktionären & Marketingfachleuten: Soll man eine rote Leitsorte – in diesem Fall Touriga Nacional – als Ochs vor den portugiesischen Karren spannen? Oder ist die Cuvée, also der gemischte Satz, die Laterne, die den Weg zu höheren Sphären trockener Weine ausleuchtet?

Kurzer Rundflug übers Land.

Weinbau wird in ganz Portugal betrieben. Vom Norden bis in den Süden. Leicht provokant kann man festhalten, dass im nördlichen Teil des Landes das Qualitätsniveau am höchsten ist. Ausnahme ist da nur die DOC Alentejo zwischen Lissabon und der Algarve, die stark im Kommen ist.

Das Klima Portugals ist massiv vom Atlantik beeinflusst. Die Rebfläche beträgt etwa 250.000 Hektar, Portugal verfügt also über ungefähr doppelt soviel Anbaugebiet wie Deutschland. Auf 70 Prozent dieser Fläche werden rote Trauben angebaut, auf 30 Prozent weiße. Das Qualitätssystem lehnt sich an das traditionelle französische AOC-Konstrukt an.

Warum Portugal?

Ganz einfach: Sucht man etwas anderes, als Merlot, Cabernet Sauvignon und Sarah, so ist Portugal das neue Eldorado der Vielfalt. Denn eines sind die portugiesischen trockenen Rotweine sicher nicht: internationaler Einheitsbrei.

Aber die portugiesischen Rotweine sind nicht unkompliziert. Wer Tannine scheut wie eine Fahrt mit der Deutschen Bahn zur Winterszeit, der sollte einen Bogen um Portugals trockene Rote machen. Denn da schwappt ein maskuliner, eigenwilliger aber mit Charakter und Rückgrat vinifizierter Saft im Glas. Und kein Weichspüler.

Zwei Stilrichtungen.

Ein Teil der portugiesischen Rotweine verfügt über ein dichtes und anfänglich sehr massives Tanningerüst. Und über eine oft sehr klare Säure, die den Weinen das frische und „knackige“ mitgibt – „crispy“, wie es die Engländer so passend ausdrücken. Traditionell ausgebaut, brauchen auch diese neuen portugiesischen Weine einige Jahre, um sich etwas zu besänftigen. Eine Reserva darf gerne noch mehrere Jahre im Keller reifen. Wenn das nicht sein kann, dann helfen ein paar Stunden in der Dekantierkaraffe. Nie war diese so notwendig wie bei diesen Weinen.

Doch es hat sich inzwischen auch ein anderer Stil etabliert. Weine, die weicher sind, Weine, deren Tannine eine Tarnkappe aufhaben. Wie das?

Diesem anderen Teil portugiesischer Rotweine wurde während des Ausbaus Luft zugeführt. Das ergibt einen sehr dichten, samtig-konzentrierten Fruchtextrakt. Wie eine Waage bringt die Frucht das Tannin ins Gleichgewicht. Das dunkle erdige, das komplex fruchtige, umspült die kompakten, noch leicht harschen Tannine. Und das schmeckt einzigartig, das ist ein sofort erkennbares Merkmal portugiesischer Weine.

Keine leichte Angelegenheit.

Man findet hier zudem keine Fruchtaromen, die an internationale Sorten erinnern. Da ist Tiefe, Komplexität und ein eigener Stil. Vor allem aber hohe Qualität. Und Auseinandersetzung. Soll heißen: Portugiesische Weine sind keine einfache Angelegenheit. Und vielleicht auch keine vergnügliche. Aber sie zeigen eine Palette, von der man jede Menge Farbe auf die Leinwand streichen kann.

Diese Welt erschließt sich jedoch immer noch nur einigen wenigen. Denn die Beschäftigung mit portugiesischem Wein erfordert einen ähnlichen Zeitaufwand, wie die Beschäftigung mit den Weinen aus dem Burgund. Und eventuell wird man auch niemals schlau daraus.

In der nächsten Folge: Ein paar der wichtigsten autochthonen Sorten Portugals, wie sie schmecken, was sie können und wer die besten Weine keltert.

 

Datum: 30.1.2011 (Update 15.8.2013)
 

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