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Pestizide: Frankreichs ewiger Rückstand

Reih und Glied konventionell: Weinbau Frankreich (Denner-Press, Greenpeace)
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In Frankreich wurden bedenkliche Mengen Pestizide im Wein gefunden. Das hat einen einfachen Grund: die Winzer dort haben mit Umweltschutz wenig am Hut. Ihre Rückständigkeit macht die Grande Weinnation zum Absteiger.
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Pestizide also. Jede Menge Pestizide. Nicht, dass es anderswo völlig anders wäre. Eine ähnliche Ansammlung von Schadstoffen wird man wohl auch in vielen europäischen Großanbaugebieten für Wein finden.

In Spanien sicher, in Italien auch. In Deutschland, Österreich, der Schweiz aber fallen diese Tests – so sie denn vorgenommen werden – dann doch völlig anders aus. Hier fehlen Latifundisten südeuropäischer Größenordnung und ihre Art der Bewirtschaftung großer Flächen. Doch halt! Was ist eigentlich geschehen?

Wir zitieren aus dem Portal Yoopress:

Mittels einer jüngst durchgeführten Studie weisen die überwiegende Mehrheit französischer Weine Rückstände von Pestiziden aus. Dabei waren nur zehn Prozent von 300 getesteten Weinen frei von Chemikalien. Die Studie, durchgeführt vom Laboratoire EXCELL in Bordeaux, bezog sich auf eine Auswahl von Weinen aus den Jahrgängen 2009 und 2010 aus den Anbauzonen Bordeaux, der Rhone und einem weiten Bereich der Aquitaine, einschließlich der Appellationen Madiran und Gaillac.

Die Weine wurden nach 50 verschiedenen Molekülen untersucht, bezogen auf eine Reihe von Rebanlagen, die mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wurden. Einige der Weine wiesen gleichzeitig bis zu neun verschiedene Moleküle auf. Die am häufigsten gefundenen Moleküle waren auf Behandlungen der Reben mit Fungiziden und Pestiziden in den späten Vegetationsperioden zurückzuführen.

„Auch wenn die einzelnen Molekühle die Schwellenwerte an Toxizität nicht erreichten, so ist deren Akkumulation besorgniserregend – keiner weiß, wie die Molekühle miteinander interagieren“, erklärt Pascal Chatonnet, leitender Direktor von EXCELL. „Es ist durchaus möglich, dass die Kombinationen von Molekülen schädlicher sind als es ein einzelnes Molekül sein kann.“

Die in Frankreich mit Rebstöcken bestellten Agrarflächen machen zwar nur drei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Grand Nation aus, aber die Weinindustrie setzt rund 20 Prozent der phytosanitären Produkte und 80 Prozent der Fungizide ein. Seit 2008 bemühen sich französische Behörden mittels des „France’s Ecophyto national plan“ (einschließend eine Studie zur Feststellung der Anpassung von Organismen an ihre Umwelt) die Verwendung von Pestiziden bis zum Jahr 2018 um 50 Prozent zu reduzieren.

Selbstredend waren die getesteten Weine keine Spitzenprodukte, sondern Supermarktware und Proben aus industrieller Massenproduktion. Darunter aber auch – verriet heute ein Gesprächspartner in Frankreich dem Captain am Telefon – ein paar namhaftere mittelständische Betriebe, die ein paar tausend Flaschen auch nach Deutschland und Österreich liefern. Doch keine Sorge, der geliebte Ausone oder ein Lynch-Bages sind nicht darunter.

Wer die Situation im Bordelais festmachen will, der braucht nur zwei gute Augen und einen Guide wie Stefan Graf Neipperg. Der fährt einem gerne durch die Region und hält dann auf der Landstrasse plötzlich an, mit dem Finger auf einen perfekten Weingarten zeigend, perfekt für Herrn und Frau Mustermann, die vom Weinbau kein Ahnung haben. Doch eines kann man gleich erkennen: das Gras rund um die Rebstöcke ist gelb. Und tot. Manche Güter schneiden es dann weg, es könnte das Bild stören, das die Öffentlichkeit vom Winzer bekommt. Wenn hier überhaupt noch ein Winzer am Werk ist.

Problemzone Bordelais

Das Bordelais kann man als die seltsamste Weinregion der Welt bezeichnen. Denn nirgendwo anders leben verarmende Masse und steinreiche Klasse auf engsten Raum zusammen. An Neippergs schonend gepflegte Gärten grenzen industriell zu Tode gedüngte Gärten an. Und zwar hektarweise. Und nicht nur auf dieser Seite der Gironde.

Der oft dramatische Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft ist vielen Franzosen schlicht egal. Unfassbar viele Zusatzstoffe finden sich in fast allen französischen Lebensmitteln.

Im stets knusprigen Brot von Hediard beispielsweise. Und in den leckeren Pasteten aus dem Elsass. Im Süßkram erst recht. Das ganze Zeug schmeckt verdammt gut. Das muss es in Frankreich. Wie es zu dem Geschmack kommt, ist den Franzosen egal.

Und so ist es auch beim Wein. Der muss lecker und einigermaßen erschwinglich sein. Mittelgute Bordeauxweine gibt es bei Nicolas (die größte Weinkette) schon für sieben Euro. Klar, dass da der Pflanzenschutz eine Rolle spielt. Verwerflich nur, dass sich viele französische Produzenten ganz ohne Nachzudenken auf die Herstellerempfehlungen verlassen.

Dieses schulterzuckende Handeln der französischen Winzer spielt der kleinen, aber agilen Bewegung biodynamischer Winzer in die Hände. Nicht umsonst kommt Nicolas Joly, der Papst des Vin-Naturel, aus Frankreich. Aus einem Land, das seiner Industrie vertraut, das keine Zweifel an der Atomkraft kennt und seine landwirtschaftlichen Produkte, egal wie sie entstehen, wie gottgegeben für die besten der Welt hält. Mit dem Glaube an die Nation und ihre Kraft fahren die Franzosen seit jeher gut.

Der Schmäh hat ein Ende

Doch dieser Schmäh droht zu vergehen. Französischer Wein ist im europäischen und auch amerikanischen Ansehen auf dem absteigenden Ast. Das gilt freilich nicht für ernste und gewissenhafte Spitzenproduzenten, die immer noch ein paar der besten Weine der Welt machen. Und diese auch weiter machen werden.

Doch die Pestizid-Studie belegt, dass allen Vorgaben und Reduktionszielen zum Trotz weiter schlicht auf Veränderung gepfiffen wird, wenn man weiß, dass vom Volk darob keine Empörung kommt. Egal, was die Konsumenten im Ausland denken.

Sicher spielt auch der Preisdruck eine Rolle, der andauernde Preisverfall durch Massenproduktion, der zur weiteren Industrialisierung zwingt. Doch ein Umdenken, ein nachhaltiges Handeln, findet nur in den seltensten Fällen statt. Und wenn , dann meistens an den beiden Polen Arm und Reich. Arme und reiche Winzer leisten sich das Umdenken. Die einen müssen. Die anderen können.

Keine önologische Moderne

Deswegen belegt die Studie nicht nur Pestizid-Rückstände. Sie belegt auch die Rückständigkeit Frankreichs, die Abkoppelung von der önologischen Moderne. Frankreich fehlen Hersteller wie Lageder, die Biodynamik im großen Stil betreiben. Und erschwinglich machen. Den meisten französischen Winzern fehlt die Einsicht, dass sich der Weinbau in ihrem Land zur Gänze reformieren muss. Deutschland und vor allem Österreich sind da weiter. Und in Italien gab es zumindest einen breiten Aufbruch, der nicht nur auf Sektentum beruht. Frankreich ist und bleibt der kranke Mann im europäischen Weinbau.

 

Datum: 24.2.2013 (Update 13.1.2015)
 

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