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Oh nein! Deutschland findet Gammelwein

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Darauf haben alle gewartet: Deutschland findet den Gammelwein. Ein Winzer im Rheingau hat gegen alle hygenischen Vorschriften verstoßen. Das freut die Angstmacher und Hysteriker. Nun hat auch der Weinbau wieder einen Sündenfall.

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Der Winzer galt als Sonderling. Er ließ Fristen verstreichen und antwortete auf kein Schreiben der Behörden. Also kam der Staat zu Besuch.

Doch was die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Darmstadt, des hessischen Landeslabors und der Polizei in dem Betrieb vorfanden, sucht in Deutschland seinesgleichen. 130.000 Liter Wein in teilweise verrottetem Zustand, die Fässer und Tanks mit widerlichen Schimmel überwuchert, die Traubenpresse fingerdick mit toten Fruchtfliegen verunreinigt. Bei dem Schimmel handelte es sich zudem nicht um den das Kellerklima fördernden Kellertuch-Pilz, den alle Weinliebhaber kennen und lieben. Nein, es waren gesundheitsgefährdende Sporen von Schwarz- und Blauschimmelarten, die sich hier breit machten. Deswegen musste Atemschutz angefordert werden. Ein Skandal.

Deutschland hat seinen Gammelwinzer. Wie er heißt, wird nicht bekanntgegeben. Wo er wohnt, wo sein Betrieb steht, auch nicht (man weiß, er seht im Rheingau). Festgenommen wurde der Übeltäter ebenso nicht. Er ist unbekannten Aufenthalts. Also abgetaucht. Und das wohl schon länger.

Angeklagt wird er wegen Betrugsverdacht. Der unbekannte „Sonderling“ hat wohl versucht, seine Gammelweine mit einer falschen Prüfnummer in den Verkehr zu bringen. In den Verkehr gebracht hat er seine Weine wohl nicht. Es wurde also kein Konsument geschädigt. Es gibt keine Vergiftungen, kein Toten.

Das ist aber egal, denn die deutsche Presse, der deutsche Konsument und die aufgeregte deutsche Gesellschaft hat wieder einen Fall von Lebensmittelbetrug. Das liest man gerne im Land der Schnäppchenjäger, in dem man gerne „preisbewusst“ einkauft. Der Gammelwinzer bestätigt wieder, dass die Produzenten Betrüger sind, die keine Skrupel kennen, Dreck an den Mann zu bringen. Da nickt der deutsche Michel.

Dass der gleiche deutsche Michel mit seinem europaweit unvergleichlichen Sparwahn, Schnäppchenjägertum und der Geizgeilheit hier aber seinen Teil dazu beiträgt, dass wird gerne übersehen. Es ist auch nicht einsichtig, warum die Behörde den Fund gleich laut in die Öffentlichkeit trompetet. Keine Flasche des sichergestellten Drecks befand sich im Umlauf. Vielmehr scheint es sich bei dem Winzer und seinem Betrieb um eine persönliche Tragödie zu handeln. Das soll nichts entschuldigen, schon gar nicht seinen vermeintlichen Versuch, seine schlechten Weine mit gefälschter Prüfnummer zu verkaufen.

In italien und Frankreich gibt es jährlich mehrere Fälle gleicher Art. Die Behörden stellen auch hier sicher und vernichten die Ware. Man kennt das, man ahnt die Tragödien, die hier oft dahinter stehen. Und man geht danach zur Tagesordnung über. Der Konsument weiß, dass solches vorkommen kann. Aber er windet sich nicht in seinem Ekel und wendet sich nicht ab. In Deutschland werden wir die nächsten Tage noch viel vom Gammelwein hören, Konsumenten werden Straßeninterviews geben und sagen, dass sie nun keinen Wein mehr trinken. Experten werden versichern, dass dies ein Einzelfall bleiben wird (woher wollen die das wissen?) und Chemiker werden uns gar Schreckliches von den Pilzen erzählen, die man im Gammelwein gefunden hat. Grusel, Ekel, Deutschland.

Der Captain meint, dass man hier keinen „Gammelwinzer“ gefunden hat, sondern ein offensichtlich schwer verstörtes und nicht mehr verkehrsfähiges Individuum einen letzten Versuch unternommen hat, seinen Betrieb zu retten. Offenbar war das nicht möglich. Deshalb hat er schon vor Wochen die Betriebsstätte verlassen und diese sich selbst überlassen. Was man hier fand, sind Zeichen einer Tragödie. Aber auch Belege eines versuchten Betrugs. Das ist zu ahnden. Für die Winzer Rheinhessens, für den deutschen Weinbau, hat dieser Einzelfall nicht zu stehen. Er wird es trotzdem tun. Denn Deutschland hat ein Sommerloch. Und füllt es mit Gammelwein. Grusel, Schauder, der Captain geht unter Deck.

 

Datum: 31.7.2009 (Update 20.7.2011)
 

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