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Man stelle sich ein paar der bedeutendsten Winzer Deutschlands vor. Ok, nicht Winzer, denn Winzer bedeutet Knechte.
Winzer ist ein richtiger Beruf. Nein, anders gesagt: Man stelle heute ein paar der besten deutschen Weine der letzten drei Jahre auf den Tisch. Wer hat die gemacht? Es waren junge oder jung gebliebene radikale Weinmacher, die konsequent ihren Weg gingen. Darunter viele Quereinsteiger.
Diese Leute beeinflussen die deutsche Weinlandschaft überproportional. Und das mit einer lächerlichen Anzahl erzeugter Flaschen. Ich nehme mal an, dass die derzeit bedeutendsten Avantgardisten gerade mal 0,5 % aller deutschen Weinflaschen abfüllen. Wenn überhaupt. Die Avantgarde braucht Zeit, um in den Mainstream zu wechseln. Und dann von einer neuen Avantgarde gestürzt zu werden.
Liest man die wichtigsten deutschen Weinblogs und facebook-Weinseiten (also nicht jene der Hanseaten, wo sich das Gestern im Schmutz der Böswilligkeit suhlt), dann muss der Eindruck entstehen, in Deutschland gebe eine Schicht genialer Winzer das Kommando. Dem ist auch so. Aber nur für ungefähr 10.000 Leute. Bei geschätzten 15 Millionen Weintrinkern.
Adams, Hummel und der Captain
Der Captain saß Freitagabend mit zwei Weinmachern zusammen. Quereinsteiger, wie er selbst. Mit Horst Hummel, der um die Ecke des Schiffs wohnt. Und mit Matthias Adams vom Weingut Von Racknitz, ein Weingut an der Nahe.
Mit Matthias Adams verbindet den Captain eine gute Beziehung, man hat einander bei einer Groteske kennengelernt. Adams bat vor einigen Jahren in Berlin Medienvertreter zu einem Tasting. Der einzige, der kam, war der Captain. Adams konnte seine Bitterkeit über das mangelnde Interesse an seinen Weinen kaum verbergen. Aber es wurde ein großer Abend. Mit vielen guten Sätzen. Und die Weine waren fulminant.
Und weil das Werk der Familie Adams-Racknitz so fulminant ist, erklärt sich seither vieles von selbst. Das mangelnde Interesse an diesem Sonntag von vor vier Jahren hat den Erfolg des Weinguts nicht geschmälert. Und genauso hat sich Horst Hummel durchgebissen. Reich ist noch keiner geworden. Auch der Captain nicht. Und das ist gut so, denn reich sein macht faul.
Das junge aber große Wissen
Letzten Freitag erzählte Adams, wie er seine Weine macht. Er erzählte von der mühsamen Selektion, von den 50 unterschiedlichen Böden der Nahe und wie er diese herausarbeitet (grandios in den drei Terroirweinen zu erkennen), von der komplizierten und risikoreichen Most-Oxidation (die die Weine nachher länger haltbar macht und den Einsatz von Schwefel am Lesegut unnötig), von der ebenso risikoreichen Maischestandzeit. Und so weiter und so fort. Hummel und der Captain hörten fasziniert zu, hatten eigene, aber nicht ganz so spannende Geschichten zu berichten.
Während Adams so redete, ging der Captain ein bisschen in seinem Kopf spazieren. Ihm war klar, dass sich Adams, der einmal Finanzchef eines Konzerns war, sich damals – noch im anderen Leben – in eine völlig fremde Materie eingelesen hatte.
Und das Wissen, das er aufnahm, gleich und respektlos auf die Probe stellte; mit eigenen Experimenten, die kein Geisenheimer Lehrbuch kennt, zur eigenen önologischen Handschrift formte.
Adams – der einmal eine erfolgreiche Karriere gegen die Wand geworfen hatte, weil ihn dieses Leben seelisch nicht erfüllte – ist deswegen ein derart großer Weinmacher, weil er radikal brechen konnte (und kann). Das Gleiche gilt für Hummel und viele andere, die sich früh oder spät dem Weinmachen verschrieben haben. Sie sind die Speerspitze der Avantgarde.
Wer gibt das Wissen weiter?
Doch wer gibt ihr Wissen weiter? Mundpropaganda? Lehrlinge? Die vielen Blogs? Der Captain beobachtet die Avantgarde anderer Länder und merkt vor allem in Italien, dass der Mainstream die Avantgarde gerne umarmt. Und önologische Besonderheiten – auch solche, die dem Captain nicht schmecken – in Lehrbücher einziehen.
Man erwähne nur die geniale Universität der gastronomischen Wissenschaften im Piemont. Eine Slowfood-Gründung. Dort hat der moderne, alternative und avantgardistische Weinbau einen festen Platz. Geisenheim schafft hingegen nur Alibi-Einladungen.
Jünger, die es später besser machen
In Frankreich scharen sich die Jünger um Nicolas Joly, einem umstrittenen aber wertvollen Winzer, der den alternativen Weinbau revolutionierte. Ob seine Weine immer gut sind, steht auf einem anderen Blatt. Doch oft sind jene, die das Werk weiterführen, die besseren Winzer als der Guru selbst.
Der Captain stellt die Frage: Wer gibt das Wissen Adams weiter? Und wer jenes von Dirk Würtz? Oder das von Andreas Barth? Das mag im ersten Moment lächerlich klingen, doch das Wissen der Quereinsteiger und Revoluzzer bleibt in Deutschland ein Insiderschmäh. Es befruchtet wenig. Und erreichen die vielfältigen Macharten auch nicht jene Breite, die sie verdienen.
Tja, da wäre halt das Deutsche Weininstitut (DWI) gefragt, der VDP kann und soll diese Arbeit nicht übernehmen, er wäre zu befangen. Das DWI. Tja. Muss man mehr sagen?
Und weil dies ein Weinmagazin ist, empfiehlt der Captain abschließend die drei Terroirweine von Von Racknitz: Schiefer-, Kiesel-, und Vulkangestein. Eine ähnlich interessante Serie gibt es auch vom Weingut Odinstal.
Und dann rät der Captain noch, die wenig übergebliebenen Flaschen des sensationellen Sekts zu kaufen, der auf Petit-Meunier-Basis entstanden ist. Sechs Jahre Lager. Es ist der beste deutsche Winzersekt, den der Captain je getrunken hat. Ein Meisterwerk. Und es kostet – wie alle Racknitz-Weine – einen Bettel. Ehrlich mal!
Geniale Weine für wenig Geld
Auch der geniale trockene Silvaner, der einem völlig unterschiedlichen Silvaner-Stamm entspringt. Und der extrem feine und total terroirgeprägte Riesling Niederhäuser Klamm aus 2006, ein wunderbar reifer und gut gealterter Saft aus einem schwierigen Jahr.
Ein paar Fragen stelle ich mir selber, wenn jemand antworten mag freue ich mich. 😉
„Bahndamm, der die Luft staut..“ – ist das gut? Kalte Luft wird sich da unten stauen weil die warme Luft bekanntlich nach oben steigt (Thermik).
„Hanseaten, wo sich das Gestern im Schmutz der Böswilligkeit suhlt“ – aha, ob Bremen oder Rostock – Hauptsache Hansestadt? Bitte um einen Tipp – in welcher Stadt soll ich suchen, es gibt lt. Wikipedia 17 deutsche Städte die die Bezeichnung Hansestadt offiziell in ihrem Namen führen.
Zur Wirkung heutiger Avantgardisten auf spätere Generationen – lt. Wikipedia; „Columellas Fachgebiet ist der Weinbau“ – warum ist dieser Weinexperte auch nach 2000 Jahren noch in Erinnerung und wer folgt diesen alten Lehren? Zu seiner Zeit wuchsen die Weinreben noch in Bäumen – macht das heute noch irgendwer? 😉
Mit Suchbegriff „82. Matthias Adams Weingut von Racknitz“ finde ich bei YouTube ein Interview-Video aus Januar – Mann, wie langweilig. Trotzdem hab ich den „Vulkangestein 2011“ gekauft und getrunken, jaaaaa – wieder so ein „rauchiger“? Wein – puuuh – passt zum Golf Diesel (mag ich nicht lieber, nützt mir aber mehr). 😉
1.) Der Bahndamm ist ein Insider. An einem anderen Ort stehen Pappeln, die den Luftaustausch verhindern. Deswegen gibt es an dem Ort immer Botrytis.
2.) Hamburg
3.) Ich kenne den Weinexperten Columelis nicht und sein Wissen ist 2000 Jahre nach seinem Ableben wohl von geringer Bedeutung.
4.) Was immer Sie damit sagen wollen?
Sorry, Punkt 4 ist nur noch unfreiwillig witzig, ohne Sinn und mir völlig misslungen, da hab ich den ehemaligen Beruf des Dr. Rainer Scholz (Parfum der Erde) im Sinn gehabt und nicht gewusst, dass es hier um einen Ex-Banker geht. 😉
Punkt 3: Columella heißt der Wein eines südafrikanischen Winzers (Eben Sadie), dieses Geschichtsbewusstsein hat mich beeindruckt. Probiert hab ich den Wein aber nicht.
Punkt 2: Denjenigen HH-bewohnenden Blogger der den unter 2 genannten Wein in seinem Blog vorstellte, trifft die Beschreibung nicht. Vielleicht komme ich ja noch drauf wer oder was sich dort noch so tummelt. 😉
Punkt 1: Aha, Botrytis also – bisher konnte ich diesem Aroma noch nichts positives abgewinnen, heute Mittag gab’s einen
Chenin Blanc, 2008 Clos Rougeard Blanc Brézé – Geschmack erinnerte mich fast ein wenig an Portwein, ob das ein Zeichen von Botrytis ist? Oder ist es eher das rauchiger – was mir bisher als typisch für Schieferböden erklärt wurde?
Werde geduldig weiter probieren – Frucht und Frische sind mir ehrlich gesagt ohne zusätzliches Aroma lieber.
Alle drei Gesteinsweine gibt es auch unter meinen Weintipps bei VIPINO. Gefallen mir nämlich auch saugut… http://shop.vipino.de/search?q=von+Racknitz
LRdM macht einen guten Eindruck. Vicampo hat aber von von Racknitz mehr im Sortiment. Oder direkt auf der HP von von Racknitz.
Der Abend war von LRdM organisiert, aus Dank und Verpflichtung nenne ich ihn als Quelle. Dass die Leute „gugeln“ können ist klar..
Hi Captain,
bislang war es doch so, dass das Wissen immer von den Schülern, Auszubildenden, herumziehenden Kellermeistern weitergegeben wurde. Ich hab da keine Sorgen. In der Weinbrance geht man gerne auf die Reise.
Das Schöne ist ja, dass die alten Meister auch phänomenale Weine machen. Gerade Silvaner Buntsandstein 2011 Bickel-Stumpf am Gaumen.