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Maat Klingler wusste es. Und er hat es dem Captain gesagt. Zehn Mal? Nein: Hunderte Male. „Trink mal den trockenen Furmint von Homonna“, hat er gesagt, „den Hatari.“ Dann hat er dem Captain eine Flasche geschickt. Eine Flasche aus dem Jahr 2008
Und was soll der Captain sagen: Er hat die Flasche stehen lassen. Ein paar Monate lang. Im Nachhinein hat sich das als gut erwiesen, als nachgerade genial. Doch zuerst war es eine Geste der Vernachlässigung, denn der Captain hatte zuvor die trockenen Furmints von Tokajgott Istvan Szepsy gekostet (zu jenem Neues am nächsten Montag). Und diese Weine haben dem Captain gefallen. Aber nicht begeistert. Szepsys süße Essenzen jedoch lassen den Captain immer knien. Die trockenen Furmints gerieten in Vergessenheit. So auch jener von Homonna. Szepsy macht skeptisch.
Doch jetzt war der Zeitpunkt gekommen, den Wein aus dem Schiffsbauch zu holen. Der Captain traf einen anderen Captain, Furmint aus der Lage Hatari.
Besonders. Und vergänglich
Die Lage ist besonders. Das sagen Winzer oft, hier aber stimmt die Aussage zu hundert Prozent. Besonders sind die Rebstöcke, die teilweise über achtzig Jahre alt sind. Der Hatari kommt aus greisen Anlagen. Und so wird ihm auch keine lange Zukunft beschieden sein; nicht, dass er nicht lagerfähig wäre, doch in zwanzig Jahren werden diese Stöcke absterben. Und damit wird auch dieser Wein vergehen, so, wie er jetzt ist.
Dieses Vergehen ist Teil der Welt. Und diese alten Stöcke geben vor dem Vergehen noch einmal alles her, sie wurzeln tief im Boden dieses Hügels. Maat Klingler hat über die Lage und Homonnas Arbeit Folgendes geschrieben:
Határi gehört noch zum Ort Olaszliszka, der Name bedeutet „Grenze“, weil die Lage direkt an der Gemarkung von Attilas Wohnort Erd?bénye liegt. Südsüdwestliche Ausrichtung. Nach Norden durch Hügel und Wald geschützt. Der Boden: lehmig und steinig. Kalk, Ryolith-Tuff, Obsidian.
Spontan vergoren. Was sonst?
Fast zwei Hektar besitzt Attila Homonna hier. Einzelpfahlerziehung. Im oberen Teil stark erodiert, steinig. Im unteren Bereich dickerer Nährboden. Handarbeit, versteht sich; ökologischer Weinbau, ohne Zertifizierung. Einfach aus gewachsener, erfahrener Überzeugung. Ohnehin ist das vermeintlich Bemerkenswerteste an Attila, dass er auf die Natur hört und allein seinen Instinkten zu vertrauen scheint. Talent, nennt man so was wohl. Die Pflanzung in der Határi ist ein alter Furmint-Klon mit relativ kleineren Rispen. Die Trauben werden in diesem Bereich schneller reif, der Ertrag ist vergleichsweise gering, vor allem wegen des hohen Alters der Stöcke. Entrappen. Pressen von Hand in einer alten Korbpresse. Spontane Vergärung, meist noch in Kunststofftanks. Dann ab in Holzfässer, mehrheitlich 225-Liter-Gebinde.
Ein besonderer Wein also, ein Wein, ganz nach dem Geschmack der Avantgardisten im Weinbau, die das Besondere suchen, das oft aber – so sieht es der Captain – enttäuschend sein kann. Wie bei Nicholas Joly, dessen Weine starke Jahrgangsunterschiede aufweisen, manchmal trinkbar, manchmal aber völlig untrinkbar sind.
Homonna scheint von Joly beeinflusst zu sein. Sein trockener Furmint – sagt Maat Klingler – unterscheidet sich in den Jahrgängen, kippt aber nie in den Bereich des fragwürdigen Experiments. Anders gesagt: Homonna stellt letztlich den Spaß über die Ideologie. Wahrscheinlich schmeckts ihm nur so. Und uns schmeckts nur so so. So gut.
Salz im großen Glas
Im (großen) Glas ein mittelgelber Wein mit geringen Schlieren. In der Nase leicht oxidativ, salzig, eine nicht zuordenbare Würze, deutliche Mineralität, „gschmackig“, wie der Süddeutsche und der Ösi sagen. Ein sofort präsenter Wein, der schon beim Riechen das Vergnügen deutlich macht, das er bereiten wird. „Geil“, sagen der Captain und der Liebert. Und trinken.
Im Mund dann wieder Salz, Rucola, Distel, Artischocke, Birne, Pfannkuchen, ein Rest Süße (also nicht so knochentrocken, wie angenommen). Captain Liebert meint, diese Süße kommt vom Alkohol.
Hintennach ordentlich Druck, ein schöner Schmelz, Creme und Saftigkeit. Dazu aber eine hervorragende Holznote, Homonna ist ein Könner, was den Einsatz der Eiche anbelangt. Er will, das merkt man, ein burgundischer Winzer sein. Wie Velich in Österreich. Vor zwanzig Jahren.
A wine to remember
Und dann besitzt dieser Wein das Wichtigste, was ein guter Wein haben muss: Er bleibt den Abend über, die Nacht, den nächsten Morgen, jetzt, in Erinnerung. Man kann ihm schmecken, auch wenn er schon lange über den Urin ausgeschieden ist. Ein Suchtstoff. In dieser Erinnerung liegt sein zweites Kapital, das Sparbuch, die Rente. Wahrlich ein großes Werk. Danke Maat Klinger. Zu seinem Artikel geht es hier.
Uff. Der Maat freut sich, dass sein Captain ihn wegen des Határi nicht unehrenhaft vom Schiff verbannt. Die Homonna-Lagenfurminte halten sich übrigens auch nach über einer Woche offen noch ausgezeichnet.
Homonna ist schon an sich als Typ interessant genug. Und hat das Händchen, lässt sich von seiner Intution leiten und schei/$t auf schulbuchmässiges Wissen. Learning by doing, Jahr für Jahr – und das auf bestechende Weise kompromisslos (Zu 2011 sagte er vor nicht allzu langer Zeit: kein gutes Jahr, es wird wohl kurzerhand keinen Trockenen von ihm geben, war zu heiß, die Säuren sind tot. Aus. Fertig.).
Szepsy setzt ja als einziger Winzer in Tokaj bei seinen trockenen Furminten durchweg auf die bewusst geförderte malolaktische Gärung. Entsprechend anders ist die Stilistik, v.a. was Frucht und Säure angeblangt.
Interessant auch, dass Zoltán Demeter, ein weiterer großer Namen aus Tokaj, 2009 ein Mal sich auch damit versucht hat und einen seiner Lagenfurminte bewusst den BSA durchlaufen ließ. Selbst war er nicht wirklich zufrieden und möchte das künftig nicht weiterführen. Nur: ausgerechnet der Wein wurde nun Wine Spectator-Redakteur Matt Kramer zu „seinem Weißwein des Jahres“ gekürt (was an sich ja nichts bedeuten muss).
Ja, der Stoff ist wahrlich groß. Ich hatte den Wein ja mal beim „Vinocamp“ dabei. Ist auch gut angekommen. Ich dachte allerdings, dass der 08er garnicht mehr verfügbar ist. Wäre aber prima.
niedrige säure 2011, im artikel steht doch das der winzer natürlich biologisch arbeitet, das heisst geschlossenen boden, dann dürfte es kein problem mit säure geben? speziell biodyn winzer haben auch in heissen jahren stabile säuren!
zum säureabau hab das mal mit zind humrecht verkostet und durchgesprochen, wenn der abbau natürlich erfolgt gibt es geschmacklich fast keine unterschied, vorausgesetzt die lage ist geschmacklich spürbar. denke also das das in tokaj kein problem sein sollte.
beim szepsys tockenen furmint finde ich den schwefen viel zu hoch, da hilft auch kein bsa für die trinkfreude. schade. finde kiralyudaver als den besten tokajer momentan demeter kenn ich nicht.
Demeter kenn ich nicht — you made my day dude.
@Master of Arms. Der 2008er ist ausverkauft.
Der 2009er ist seit wenigen Wochen auf dem Markt, eben bei bortársasag.hu zu kriegen. Nennt sich aber nicht „Határi Furmint“, da 25% Hárslevelü rein mussten, sondern genau aus diesem Grund „Furmint-Hárslevelű“.
Ich bin heuer im Tokaji erstmals auf trockenen Furmint gekommen. Gabor Orosz „Betsek“ aus der gleichnamigen Lage in Mad ist einer der Besten Weißweine die ich heuer getrunken habe. Maybe Furmint is the next big thing?!
@gast.
Ich kann der Logik nicht wirklich folgen, warum Bio-Winzer am Ende von heißen Jahren „geschmacklich fast keinen Unterschied“ bei ihren Weinen wahrnehmen.
Mir fallen spontan nur einige mir näher bekannte Winzer mit „Öko-Ansatz“ ein, auch in Deutschland, die ähnlich wie deren konventionell arbeitenden Nachbarn mal mit zu viel, mal mit zu wenig Säure zu kämpfen haben – faktisch messbaren und auch subjektiv spürbar.
Zu Demeter: der hat früher bei Királyudvár gearbeitet, war für die Weine verantwortlich und deren Stil massgeblich geprägt… Ich hatte hier bei CC mal über ihn geschrieben:
https://www.captaincork.com/Weine/Weissweine/Tokaj-Der-Gratwanderer-Zoltan-Demeter
Mein Reden, oder sagen wir eher: schon lange darbendes Wunschdenken.
https://www.captaincork.com/Weine/Weisswein/Go-East-Das-neue-Tokaj-Attila-Homonna
So. Genug (Eigen-)Werbung gemacht.
ganz einfach, ein bioweingarten mit begruenung ist in der balance, der humusgehalt in boden ist hoeher, humus wirkt wie ein schwamm in trocken jahren speichert er wasser, und naehrstoffe und gibt die bevor es zu trockenstress der rebe kommt an diese ab. daher haben weine aus biologische bewirtschaften weingarten einen analytisch festestellbaren niedrigeren ph wert. das heisst mehr saeure und stabilitaet im wein. in feuchten jahren wirkt der schwamm umgekehrt. wenn ein weingarten im gleichgewicht ist koennen ihm klimaschwankungen wenig anhaben.
daher ist das thema klimaerwaermung auch vernachlaessigbar!
die winzer mit oeko ansatz die sie kennen duerften ihr arbeit nicht gut machen, wenn sie mit solchen problemen kaempfen. die sollten besser die ursache bekaempfen und nicht das resulat verteufeln. probleme mit niedriger saure sind zu 90 prozent selbst gemacht! diese ausreden auf ein schlechtes jahr kann ich nicht mehr hoeren.
demeter werd ich probieren hoert sich gut an.
Lieber Gast,
ich kann ihren Ausführen zwar folgen und diese auch bis zu einem gewissen Grade Nachvollziehen. Aber eben nur zu einem gewissen Grad. Und so „einfach“ und vermeintlich „eindimensional“ erklärbar ist eben doch nichts, wo Mutter Natur ihre Finger im Spiel hat. Bin letztlich kein ausgebildeter Fachmann, aber viel herum gekommen über die Jahre und habe sehr sehr viele, für sich individuell gültige Wahrheiten einzelner Erzeuger gehört. Die einzig gültige Wahrheit ist zumindest mir nicht über den Weg gelaufen. Da haben Sie offenbar mehr Glück.
Ökologischen Weinbau als „Wunderwaffe“ gegen Temperaturschwankungen jedweder Art zu sehen, das geht mir dennoch entschieden zu weit. Die Säuren sind ja immer in Relation zum Zuckergehalt und allen anderen Faktoren zu sehen und dass allein der begrünte Weingarten mit seiner natürlichen Humusschicht alles so regeln soll, das macht einfach keinen Sinn, greift meiner Meinung nach entschieden zu kurz.
Zudem: wenn Sie mal in Tokaj die „Humusschicht“ in der Lage Határi gesehen haben – wir reden hier von bisweilen lediglich 30 cm Erdschicht, hernach kommt umgehend das vulkanische Gestein – der kann schon allein deshalb nicht überzeugt sein von ihrer Argumentation. Der überstrapazierte Faktor des „Terroir“ spielt hier eben doch entscheidend mit rein. Und ein wirklich heißes und vor allem trockenes Jahr, wie es 2011 in Ungarn war (nochmals deutlich trockener als in Deutschland) und deutlich höhere Spitzenwerte bei den Temperaturen können letztlich auch bei alten, tief verwurzelten Reben zu Hitzestress führen, auch wenn der Weinberg ökologisch bewirtschaftet wird. Und da reden wir noch gar nicht von irgendwelchen Schiefer-Steillagen an der Mosel oder der Nahe, bei denen die Schieferplatten oben offen liegen…
Will verkürzt sagen: wo von Natur wenig Humus anzutreffen ist, greift ihr Argument einfach nicht. Viele große Weine ziehen ihre Stärke ja gerade aus kargen Böden, und Winzer, die wenig eingreifen, fördern indirekt sehr gezielt diesen Zustand, lassen den einzelnen Rebstock seine „Probleme“ selber lösen, um seinen Trauben und deren Weinen mehr Authentizität abzugewinnen.
Vermutlich kann ich Sie dennoch nicht überzeugen, was auch nicht weiter schlimm ist. Freuen wir uns doch einfach an der Vielfalt, die der Weinbau einem beschert – sei es auch um den Preis, dass manch ein Winzer vielleicht „schlecht“ arbeitet und daher einen anderen Wein bekommt. Die gibt es zweifelsohne. Eine Pauschalverurteilung ohne die einzelnen Erzeuger zu kennen, finde ich letztlich unangemessen.
Hallo,
bin sehr daran interessiert Berliner Restaurants zu finden, in denen man seinen eigenen Wein mitbringen darf. Da das hier erwähnt wird, Tipps? Danke,
Dagmar