X
Newsletter
X
X
Login
Passwort vergessen?


Konto erstellen

Muss das rein? Auch in meinen Wein?

Kommentare
Ähnliche Weine
Ähnliche Artikel

Was aussieht wie eine Dosis Marschierpulver ist bloß Gummi arabicum. Und völlig legal. Captains Maat Clemens Mally will aber trotzdem, dass das Zeug nicht in seinen Wein reinkommt.

Anzeige

Ich habe keine Ahnung, warum es sie gibt. Die önologischen Helferleins. Nach einigen Verkostungen weiß ich mittlerweile, dass der Wein mit ihnen auch nicht besser wird. Nur anders. Austauschbar. Die Helferleins dienen einem einzigen Zweck: Der Vortäuschung falscher Tatsachen. Viele Weintrinker erwarten keinen richtigen Wein, sondern Rebensaft mit einem gewissen „Mouthfeeling“, einen Mund voll Freundlichkeit. Alles soll harmonisch sein. Von Anfang bis zum Ende. Dieser Wunsch ist auch legitim. Doch die Harmonie killt alles Authentische. Es ist – ich sage es ungern, weil es falsch zu verstehen ist – die Amerikanisierung des Geschmacks.

Harmonie tritt bei vielen Weinen erst nach einigen Jahren ein. Dann fehlt es oft an Frucht und Kraft. Aber der Wein ist ausgewogen und perfekt zu trinken. Doch die Welt ist eine andere geworden. Sie ist schnelllebiger. Und langlebige Universalien, wie etwa Wein, bleiben da auf der Strecke.

Wie entsteht das richtige Mouthfeeling?

Einer der wichtigsten Zusatzstoffe heißt Gummi arabicum. Er macht das „Mouthfeeling“. Es handelt sich dabei um ein Präparat, das aus dem Harz von Akazien stammt. Per Definition ist es ein Makromolekül, das zum Stamm der Heteropolysacharide gehört. Neutral bis schwach sauer. Und wasserlöslich. Ein Polysaccharid. Klingt irgendwie bedeutungslos.

Gummi arabicum stammt ursprünglich aus der Malerei. Vor ganz langer Zeit wurde daraus Tinte hergestellt. Außerdem verwendeten die alten Ägypter Gummi arabicum zur Herstellung ihrer Mumien. Natürlich aus dem Grundprodukt Kadaver. Es ist eben nur für Tote gut.

Über Handelswege kam das Präparat nach Europa, wo es in der Farbenstabilisierung Verwendung fand. Was hat das Zeug im Wein zu suchen?

Ganz einfach: Die Lebensmittelindustrie verwendet Gummi arabicum als Aromastabilisator. Bei Bier stabilisiert es den Schaum. Bei Gummibonbons verhindert es die Kristallisierung des Zuckers. Gummi arabicum stabilisiert so ziemlich alles. Als Lebensmittelzusatz hat es die Kennzeichnung E 414. Es kann eineigen Studien nach für Allergiker bedenklich sein. Andere Ärzte aber verneinen die Gefahr. Und selbst der Biowinzer darf es verwenden. Wenn er will.

Was macht Gummi arabicum aus meinem Wein?

In erster Linie ist Gummi arabicum dafür bekannt, das Mundgefühl zu „verbessern“. Der Wein wird rund. Alle jugendlichen Eigenschaften (Härte, Sprödigkeit) und mit ihnen auch alle Eigenschaften, die einen positiven Alterungsverlauf begünstigen, werden zerstört. Das muss man wohl so sagen.

Gummi arabicum macht den behandelten Wein geschmeidiger, den Gerbstoff weicher. Toll, oder? Um ehrlich zu sein, will ich mir jetzt gar nicht vorstellen, wie ein unbehandelter Wein großer internationaler Weinmacher schmeckt. Wahrscheinlich härter noch als hierzulande.

Durch Gummi arabicum verlieren die Tannine ihren adstringierenden Charakter. Sie werden runder und fetter wahrgenommen und somit als geschmeidig empfunden. Gummi arabicum maskiert den aggressiven Gerbstoff. Das bringt für den Winzer einen ganz besonders großen Vorteil. Er kann bei der Verarbeitung einfach machen was er will. Es kann nicht viel schiefgehen, mit Gummi arabicum kann man vieles ausbessern. Die schonende Pressung der Trauben wird absolut unnötig. Alles was an schlechtem Tannin überbleibt, kann mittels Gummi arabicum eingefangen werden. Dadurch steigt natürlich auch gleich wieder den Ertrag. Und dem Konsumenten schmeckt es auch. Eine Win-Win-Situation.

Wie kann ich Gummi arabicum ausweichen?

Der wichtigste Grundsatz heißt Vertrauen. Dem Winzer vertrauen. Vielleicht doch einen etwas engeren Kontakt zum Produzenten pflegen. Oder zum Händler. Und durchaus mal nachfragen, warum ein Wein so dicht und schokoladig schmeckt. Abgesehen davon fällt mir das Ausweichen auf Wein aus der Demeter-Landwirtschaft ein. Hier ist Gummi arabicum verboten. Langfristig gesehen jedoch müssen endlich klare Zertifikate für die Kellerwirtschaft kommen – auch im Bioweinbau.

Natürlich stirbt keiner an Gummi arabicum. Der Zusatzstoff gilt nicht als gesundheitsschädlich. Es ist eine relativ „grüne“ Methode, den Wein geschmeidig zu bekommen. Dennoch verfälscht es den Wein. Und es hilft der industriellen Herstellung, der Massenware, die selbstredend von Gummi arabicum profitiert. Jedes Ding hat zwei Seiten. Dennoch ist es eine Art Betrug am Wein. Ein Coca-Cola-Standard. Und Gummi arabicum ist ein Mittel zur Zerstörung der Vielfalt. Ich werde Ihnen in nächster Zeit auch noch über andere kellertechnische Maßnahmen erzählen. Sie werden Augen machen…

 

Datum: 1.1.2013 (Update 4.1.2013)
 

Aktuelle Weinempfehlungen