[Dieser Artikel erschien während des ersten Lockdowns im März 2020.] Auf seinen Reisen durch das magische Weingebiet an den Ufern der Flüsse Mosel, Saar und Ruwer traf der Captain im vergangenen Herbst auf die junge Winzerin Lena Endesfelder, die mal zur 68. Deutschen Weinkönigin gekrönt wurde.
Lena ist gelernte Önologin und war bereits mit 23 Jahren Master-Absolventin der Hochschule Geisenheim. Viel Zeit hatte sie nämlich nicht und dafür gibt es einen traurigen Grund: Lenas Vater Michael verunglückte 2011 tödlich mit dem Traktor. Die Familie stand vor dem Nichts.
Das ist auch der Grund, warum der Captain diesen Artikel schreibt, denn er macht Mut und Hoffnung. Aus dem Nichts wurde nämlich nichts.
Endesfelder blieb weiterhin ein funktionierendes Weingut, betrieben von Mutter Cordula und ihren zwei Töchtern, die ihren Betrieb trotz der Tragödie im Markt hielten. Bis jetzt, wo plötzlich wieder alles anders ist und reichlich Anlass zur Sorge besteht.
Wie die Krisenbewältigung damals funktionierte und warum die Familie Endesfelder ein Hoffnungsschimmer in dieser Zeit ist, besprach der Captain mit Lena Endesfelder via E-Mail-Interview.
Schon einmal musstet ihr lernen, mit einer existenziellen Katastrophe umzugehen, als dein Vater verstarb. Wie habt ihr trotzdem die Situation gemeistert und welche Lehren von damals nutzt ihr heute für die aktuelle Krise? „Zusammenhalten,sich gegenseitig Mut machen, wenn man merkt, dass der andere zweifelt. Das ist das Beste in dieser Situation. Unser Familienleben wurde schon häufig auf die Probe gestellt. Nahe Verwandte haben wir nicht oder sie wohnen weiter weg. Wir haben uns – meine Mama, meine Schwester und mich. Und unsere Freunde. Jede Krise lässt einen enger zusammenrücken, auch wenn das momentan physisch nicht geht.“
Lenas persönlichster Wein ist vielleicht der feinherbe Riesling Queens aus steiler Lage mit einem Restzuckergehalt von knapp 27 Gramm (pro Liter) bei knapp 7 Gramm Säure: In der Nase dezent-phenolische Reifenoten (typisch für das Hitzejahr 2018), Feuerstein, Grapefruit, Aprikose und Ingwer. Im Mund herrlich frisch, schönes Süße-Säure-Spiel, dabei mittelgewichtig und glockenklar. Feine Bitter-Aromatik und schmelziger Nachhall.
Wie kommt ihr derzeit über die Runden? „Momentan arbeiten wir alles ab, was liegen blieb oder was man einfach ungern anpackt. Wir sind sehr vom Tourismus abhängig, sodass kaum jemand kommt, obwohl es noch erlaubt ist, Kunden zu empfangen. Kinder gibt es hier nicht, da meine Schwester mit ihrer Familie bei Trier wohnt. Wir halten Abstand, auch wenn es schwer fallt, einer Zweijährigen zu erklären, dass wir jetzt nicht toben können.“
Die Verweiblichung der Weinwirtschaft folgt den demografischen Wechsel: Immer mehr Frauen machen Wein und immer mehr Frauen treffen Kaufentscheidungen beim Wein, wo früher Männer den Ton angaben. Hat beides Auswirkungen auf euren Weinstil und euer Marketing? „Meiner Meinung nach wirkt sich das Frausein nicht auf den Weinstil aus. Bei der Budgetverteilung legen wir sicher mehr Wert auf Marketing als Männer. Die investieren eher in Technik.“
Du warst mal Weinkönigin – ein etwas altmodischer, aber schöner Brauch. Wird es das Amt noch geben, wenn wir die Krise überstanden haben? „Man versucht das Image der Weinkönigin zu modernisieren. Wir sind keine Frauen mehr, die nur lächeln und winken. Wir vertreten unsere Meinung, auch wenn das manchem nicht ins Bild passt, wie ich leider merken musste. Selbstverständlich wird es dieses Amt weiterhin geben. Für die einen ist es nur ein Marketingwerkzeug, für die anderen viel mehr. In meinen Begegnungen spürte ich oft übersprühende Freude, wenn jemand ein Foto oder eine Autogrammkarte bekam.“