Was der Rieslingsfreund als Delikt auffassen muss, ist bei mir Normalität. Aber ich will mich erklären: ich kann die Rieslinge dieser Region nicht täglich trinken, denn dazu fehlt mir der große, süße Zahn um den klassischen Mosel-Code zu knacken, der bekanntlich voller restsüßer Chiffren ist.
Da wirft der Streber wieder lautstark ein: „Ja, aber es gibt auch sehr gute trockene Mosel-Rieslinge!“ Und ich rufe Ihm zu: „Guter Mann, das mag ja sein. Aber moselgeprägter Riesling bekommt seine Größe nun mal mit Restsüße. Das ist der dort vorherrschende Stil. Und diese Kurve krieg‘ ich nicht!“
Allerdings: ganz selten öffnet sich mir ein kleines Zeitfenster, im dem mich die Lust auf Mosel überkommt – nur um kurze Zeit später wieder zuzufallen. Aber an dieses regelmäßig wiederkehrende Spielchen habe ich mich mittlerweile ganz gut gewöhnt. Und mein vinophiles Umfeld auch. Es ist und bleibt eine alte Haßliebe, die Mosel.
Heute ist wieder so ein Zeitfenster offen. Es sollte sofort genutzt werden, bevor das Fenster wieder zuschnappt. Plonk. Ich habe mir also kurzerhand drei Flaschen eines Weinguts besorgt, vom dem ich wenig, aber viel Gutes gehört hatte: Weiser-Künstler aus Traben-Trarbach.
Weiser-Künstler ist ein sehr junges Weingut. Jung deshalb, weil es an der ansonsten recht behäbig-konservativ geprägten Mosel erst 2005 gegründet wurde. Konstantin Weiser war grundsolider Bankkaufmann, bevor er seiner Leidenschaft folgte und sich dem Wein zuwandte. Dann, als Weinbautechniker arbeitete er in verschiedensten deutschen Weingütern bis runter nach Neuseeland, sammelte Erfahrungen. Zurück an der Mosel wurde er Betriebsleiter des heute wiederbelebten Weinguts Immich-Batterieberg, ganz in der Nähe von Traben-Trarbach. So gesehen kannte sich Konstantin Weiser schon in dieser Gegend gut aus, bevor er sich zur Gründung eines eigenen Weinguts entschloss. Ins ganz kalte Wasser ist er damals sicher nicht gesprungen – denn er bekam Hilfe von Winzerin Alexandra Künstler. Man heiratete. Und wurde zu Weiser-Künstler.
Die Weiser-Künstlers sind zudem gute Menschen. Denn sie sind Mitglied im “Klitzekleinen Ring”, namentlich eine eher witzig gemeinte Replik auf den “Grossen Ring” des VDP. Der “Klitzekleinen Ring” hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte aufgegebene Lagen zu entrümpeln und wieder anbaufähig zu machen. Denn auch die Mosel ist nicht davon verschont geblieben, dass viele gute aber schwer zu bewirtschaftende Steillagen brachliegen. Man gibt sich alle Mühe, zumindest einen kleinen Teil der aufgegebenen Lagen am Leben zu halten. Dem “Klitzekleinen Ring” sei Dank.
Zurück zu Weiser-Künster. Heute bewirtschaftet das Weingut 3 Hektar. Das ist selbst für Mosel-Verhältnisse eher mickerig. Aber das ist gut so. Kleine Weinguter haben ohnehin die Tendenz, liebhaberischer und flexibler zu sein.
Im Besitz des Weinguts sind lediglich drei Lagen. Eine davon, der “Enkircher Ellergrub” besteht aus hundertjährigen, nahezu wurzelechten Reben. An dieser Lage hat sich damals die verfluchte Reblaus die Zähne ausgebissen. Und auch das ist gut so. Denn alte – und zudem noch wurzelechte – Reben bieten ad hoc wenig Ertrag, aber mehr Boden, mehr Charakter, mehr Stil.
Wie sind sie denn nun, die Rieslinge von Weiser-Künstler?
Der trockene Riesling Trabener Gaispfad Kabinett trocken. Helles, blasses Gelb im Glas. In der Nase junger Apfel und Grapefruit. Frische Zitrusnoten. Leichte Anklänge von schiefriger Mineralik. Im Mund ist der Kabinett kompakt. Jung zwar, aber durchaus schon ausdrucksstark. Ausgestattet mit straffer Säure. Die Stärken der Mosel werden hier ausgespielt, nämlich Feinheit und Finesse, die man anderswo so nicht finden kann.
Auf Anhieb habe ich den Stil von Weiser-Künstler in mein Herz geschlossen. Die Weine sind elegante Leisetreter, sie springen einen nicht an. Sie bleiben ruhig, gelassen, cool. Stille Wasser sind bekanntlich tief. Und, was eigentlich völlig egal ist: selten habe ich so hübsche und stilsichere Etiketten gesehen.
Eschenauer fehlt, Golenia bringt es nicht
pah – behalt dir den nerdigen opportunisten!
golenia passt schon!
Ich stehe in der Mitte zwischen Bagdad und dem netten Onkel. Eschenauer hätte aus dem Thema mehr gemacht (scheint auch mehr Ahnung zu haben). Aber den Artikel finde ich nicht schlecht und die Weine sind zwar nicht besonders originell, aber recht treffend beschrieben. Etwas mehr Enthusiasmus hätte es sein dürfen – für mich gehören die Weine von Weiser-Künstler nämlich zum besten, was aus der Gegend derzeit zu bekommen ist.
Ich gestehe, der Captain zahlt mir für jede Provokation zehn Goldmünzen. Der Zahlmeister kann nix zahlen, deswegen ist er gar kein guter Göbbels. Buhuhu, Schluchz!
Ich gestehe, ich bin der Captain. Und auch der andere. Ich bin beide und wenn nicht er, dann wer? Und ich bin auch der Zahlmeister.
Ich bin auch Bob Mally und DJ Kolnia, ich bin der Balkananorak und der Color-Klimax. Ich habe alle Kommentare geschrieben, immer. Ich komme aus Rosewell und ihr seid alle UFOs.
Mensch Söldner,
was gab´s denn heut zum Frühstück? Von dem Zeug möchte ich (vielleicht) auch was.
Ich finde die Weine von Weiser-Künstler in den letzten Jahren immer extrem mineralisch und dicht, ohne auch nur ansatzweise schwer zu sein. Ein superinteressanter Betrieb.
Der trockene Kabinett aus 2010 gehört für mich wegen dieser tollen Paarung aus Mineralität und Leichtigkeit und der Balance, die Frucht nur so gerade eben ausreifen zu lassen (also weder reife noch grün-unreife Frucht zu offerieren), zu meinen drei Prototypen für trockenen Riesling-Kabinett an der Mosel (neben Müllens 05er Würzgarten oder Molitors Zeltinger Sonnenuhr Fuder 6).
Beleidigungen unter einem Synonym sind unter aller Sau.